Management

Medical-Fitness-Club – Positionierung durch Profilbildung

Besonders die vielversprechende Zielgruppe der solventen Menschen, die in der Regel vor Ort beruflich und familiär verwurzelt sind, macht das Unterfangen Medical-Fitness-Club noch interessanter. Es stellt sich die Frage, wie einfach aus einem Fitnessstudio eine Anlage mit Schwerpunkt Medical Fitness wird oder was bei der Eröffnung zu beachten ist. So viel vorab: Es bedarf eines klaren Profils, denn der Markt ist hart umkämpft.

Sogenannte Lifestyle-Fitnessclubs sprechen in ihrer Kernzielgruppe jüngere Menschen an, die gerne mit Fitnesstrends bedient werden wollen. Dabei tritt die Bedürfnisbefriedigung in der Regel relativ schnell ein oder es kommt ebenso schnell zu einer Verlagerung der Bedürfnisse, da neue Trends nicht lange auf sich warten lassen. Mitgliedschaften sind hier nicht selten von kurzer Dauer. Die Kernzielgruppe für Medical-Fitness-Clubs hingegen sind Menschen mittleren Alters, schwerpunktmäßig im Bereich 50plus anzusiedeln. Das Hauptbedürfnis, welches es zu befriedigen gilt, ist ein gesundes und fittes Altern. Ein Bedürfnis also, welches auf einen großen Zeitraum ausgelegt ist. Bestenfalls ganz getreu dem Motto „Turne bis zur Urne“. Richtig betreut ist das eine vielversprechende Zielgruppe, die sehr lange gebunden werden kann.


Trainer erklärt Rentnerin eine Übung am Kraftgerät im Medical-Fitness-Club
Wer sich aber im Bereich Medical Fitness durchsetzen möchte, darf nicht am Personal sparen

Was zeichnet diese Zielgruppe noch aus? Sie steht mit beiden Beinen im Leben, ist finanzstark und in der Regel bereit, das Geld in Gesundheit zu investieren. Allerdings handelt es sich dabei auch um eine anspruchsvolle Zielgruppe, d. h. die Ansprüche an Räumlichkeiten, Ausstattung, Konzept und die Qualifikation des Personals sind hoch. Und genau hier betritt ein ernst zu nehmender Mitbewerber das Parkett: Therapieeinrichtungen mit Selbstzahler-Trainingsbereich. Es ist empfehlenswert, die Messlatte bei der Planung eines Medical-Fitness-Clubs genau bei diesen Einrichtungen anzusetzen, denn in der Regel sind diese die ersten Ansprechpartner für Menschen, die sich mit Gesundheit oder Krankheit auseinandersetzen. Hat die Therapieeinrichtung ein stimmiges Konzept, eine ansprechende Trainingsfläche mit guter Ausstattung, scheint dieser Kampf um Mitglieder schon verloren zu sein. Allerdings trainieren gesunde Menschen nicht gerne in Therapieeinrichtungen und kranke Menschen nicht unbedingt gerne mit anderen kranken Menschen zusammen, das bedeutet im Umkehrschluss genügend Handlungsspielraum für weitere Gesundheitsdienstleister – wenn der Gesamtauftritt stimmt!

Einrichtung – Die Nachfrage bestimmt das Angebot.
Wie schon angesprochen, zeichnet sich eine zahlkräftige Zielgruppe in der Regel auch durch hohe Ansprüche aus, d. h. Sauberkeit, Hygiene und eine gute Ausstattung sind erwartete Grundvoraussetzungen, die für sich aber noch nicht zu einer eigenständigen Profilbildung beitragen, wenn man sich im Segment Medical Fitness behaupten möchte. Die Nachfrage bestimmt das Angebot! Bei der Wahl des richtigen Trainingsequipments lohnt also ein Blick auf die Krankheitslast in Deutschland. Clubbetreiber sollten sich also damit auseinandersetzen, welche Erkrankungen besonders schwerwiegende Auswirkung in den Bereichen Kosten, Morbidität und Mortalität haben. Auf den vordersten Rängen finden sich hier 
•    Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 
•    Krebserkrankungen, 
•    Erkrankungen des Muskel- und Skelettapparates 
•    und psychische Erkrankungen. 

Im Fokus von Medical-Fitness-Clubs steht nicht die Therapie dieser Erkrankungen, auch wenn diese natürlich ebenfalls möglich ist. Das Haupthandlungsfeld muss der präventive sowie sekundärpräventive Ansatz im Kontext dieser Erkrankungen sein, um sich ganz klar von den Therapieeinrichtungen abzugrenzen. Für alle zuvor beschriebenen Krankheitsbereiche gibt es eine breite Studienlage zur Wirksamkeit von präventiven und sekundärpräventiven Maßnahmen. Inhaltlich müssen demnach, je nach Schwerpunktlegung des jeweiligen Clubs, die Bereiche Ausdauer, Koordination, Kraft, Beweglichkeit und Entspannung mit einer entsprechenden Trainingsausstattung bedient werden. Wenn in der Einrichtung keine Therapie durchgeführt wird, müssen die Trainingsgeräte im Gegensatz zu Therapietrainingsgeräten keine MPG-Zertifizierung haben, d. h. nicht nach den Richtlinien des Medizinproduktgesetzes (MPG) zertifiziert sein. In der Außendarstellung ist eine MPG-Zertifizierung sicherlich ein nicht zu unterschätzender Mehrwert, gerade wenn man Therapieeinrichtungen als Mitbewerber hat. Wissenswert in diesem Kontext ist aber, dass sich die MPG-Zertifizierung allerdings nicht auf die jeweiligen Produkte an sich bezieht, sondern auf das beim Hersteller vorhandene Qualitätsmanagementsystem. D. h. eine MPG-Zertifizierung sagt nichts über die Wirkungsweise bzw. -effektivität eines Trainingsgerätes aus.
Zurück zur Ausstattung. Ein Medical-Fitness-Club sollte also bestenfalls Trainingsmöglichkeiten für die Bereiche Ausdauer, Koordination, Kraft, Beweglichkeit und Entspannung bieten. Unterm Strich also Equipment, das jedes gut ausgestattete Fitnessstudio zum Teil sogar schon im Discountbereich hat. Allerdings bringt das beste Equipment nichts, wenn man nicht weiß, wie man es zielgerichtet einsetzt – Stichwort kompetentes Fachpersonal.


Trainer hilft Rentnerin bei der Einstellung ihres Kardiogeräts
Die Bereiche Ausdauer, Koordination, Kraft, Beweglichkeit und Entspannung müssen in einem Medical-Fitness-Club mit einer entsprechenden Trainingsausstattung bedient werden
 

Fachpersonal – das Nadelöhr der Fitnessbranche
Sehr gut ausgestattete „Do-It-Yourself-Werkstatt“ oder sehr gut ausgestatteter Kfz-Meisterbetrieb – jeder Fitnessclubinhaber sollte sich selbst die Frage stellen, wofür seine eigene Anlage steht. Nutzen wir in der Fitnessbranche nicht allzu gerne, geradezu inflationär, das Beispiel, dass dem deutschen Bürger das Auto heiliger ist als die eigene Gesundheit bzw. der eigene Körper? Dann sollten wir im Gegenzug aber auch dafür sorgen, dass ein Meisterbetrieb mit ausgebildetem Personal da ist, wenn ein Kunde sich davon angesprochen fühlt und etwas für seine Gesundheit tun möchte. Es ist völlig legitim, „nur“ Geräte zu vermieten und eine „Do-It-Yourself-Einrichtung“ zu sein. Wer sich aber im Bereich Medical Fitness und hier besonders im Vergleich zu Therapieeinrichtungen mit Selbstzahlerbereich durchsetzen möchte, darf nicht am Personal sparen. Qualifizierte Mitarbeiter mit anerkannten Abschlüssen sind hierfür die Grundvoraussetzung!


Diagnostik – Trainieren ohne Diagnostik ist wie Operieren ohne Befund
Fehlen trainingsrelevante Informationen zum Kunden, kann kein individueller Trainingsplan erstellt werden – hier kann das Fachpersonal noch so gut sein, eine zielgerichtete Trainingsplanung ist nicht möglich. Neben einer ausführlichen Anamnese ist eine fundierte Diagnostik, besonders in Gesundheitsclubs, unersetzlich. Doch die Palette an Diagnostikkonzepten erscheint unendlich: Beweglichkeitstests, Krafttests, Leistungstests, Stresstests, Körperzusammensetzungsanalysen, Belastbarkeitstests etc. Was zeichnet eine gute Diagnostik aus, welche Checks sind die richtigen?

1. Wissenschaftlich fundierte Diagnostikgeräte 
Ohne einen Nachweis über die Zuverlässigkeit und Gültigkeit der erhobenen Ergebnisse sollte ein Diagnostiktool nicht eingesetzt werden. Denn Zufallsergebnisse erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Misserfolges. Und dies sogar zweifach:

  • Zum einen besteht die Gefahr, dass die Ausgangssituation falsch definiert wird und der Kunde schlichtweg falsch trainiert.
  • Zufallsergebnisse bergen zudem die Gefahr, dass eine potenzielle Verbesserung nicht durch einen Re-Check bestätigt wird, d. h. einem Kunden trotz Trainingserfolg ein Misserfolg bescheinigt wird, weil die Messtechnik keine zuverlässigen  reproduzierbaren Ergebnisse liefert.

Da der Erfolg einer Einrichtung vom Erfolg der Trainierenden abhängt, sollte dem Zufall nicht zu viel Spielraum gegeben werden. Seriöse Diagnostikanbieter können die Aussagekraft ihrer Diagnostikkonzepte und gemessenen Parameter in der Regel mit entsprechenden Studien belegen. Liegen solche Studien nicht vor, sollte man durchaus skeptisch sein.

2. Grundlegende und begleitende Checks
Bei der Auswahl der Diagnostikkonzepte muss zwischen Tests unterschieden werden, die einen direkten Einfluss auf den Trainingsplan haben können, und solchen, die eher einen trainingsbegleitenden Sinn haben, wie Erfolgskontrolle und Trainingsmotivation. 

  • Grundlegende Checks sind beispielsweise Belastbarkeitstests, wie die Erhebung des Belastungsblutdruckes. Damit kann ausgeschlossen werden, dass der Trainierende über seine Belastungsgrenze hinaus trainiert. Kurzfristig wäre das in der Regel kein Problem, es könnte aber über einen längeren Zeitraum zu negativen Anpassungen im Organismus führen.
  • Begleitende Checks sind meist Körperzusammensetzungsanalysen. Unbestreitbar liegt der herausragende Stellenwert dieser Analyse bei der Erfolgskontrolle und der Motivation des Trainierenden. Diese Ergebnisse haben aber keinen grundlegenden Einfluss auf die Trainingsplanung. Ein Beispiel zur Erläuterung: Ein hoher viszeraler Fettanteil steht im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Bluthochdrucks. Der hohe Blutdruck hat einen direkten Einfluss auf die Trainingsplanung, da die Intensität entsprechend (nach unten) angepasst werden muss. Hier entscheidet also nicht die Messung des Viszeralfettes über die Trainingsplangestaltung, sondern die Ergebnisse der Blutdruckmessung. 

Derzentrale Stellenwert der Diagnostik in der Trainingsplanung zur Erfolgsmaximierung und Risikoreduktion ist eindeutig. Es stellt sich daher die Frage, warum Diagnostik häufig eine Zusatzleistung ist, die von Trainern zusätzlich vertrieben werden muss. Hier sollte sich jeder Entscheider im Medical-Fitness-Segment die Frage stellen, ob der Erfolg des einzelnen Trainierenden tatsächlich von der Vertriebsfähigkeit des Mitarbeiters oder der Investitionswilligkeit des Kunden abhängig gemacht werden sollte. Sind eine lang andauernde Mitgliedschaft und eine potenzielle Weiterempfehlung, bedingt durch nachweislichen Trainingserfolg, nicht wirtschaftlicher als die einmalige Einnahme durch den Zusatzverkauf von Diagnostik? Sollte Diagnostik durch den zentralen Stellenwert im Trainingsprozess nicht logischerweise Teil des Mitgliedsbeitrages sein, um als Standardprozess zu gewährleisten, dass jeder Trainierende regelmäßig mit einem individuellen Trainingsplan (wieder oder weiter) auf die Erfolgsspur geführt wird? Diagnostik ist ein weiterer Kernpunkt zur Profilbildung!


Schema für die Betreuung in einem Medical-Fitness-Club
Die Abbildung verdeutlicht, nach welchem Schema Medical-Fitness-Clubs ihre Mitglieder betreuen sollten

Medical-Fitness-Club – Positionierung über das Konzept!
Die einfachste Abgrenzung vom Discount erfolgt über Betreuung. Da sich die Zielgruppe für Medical-Fitness-Clubs aber weniger von Discountern angesprochen fühlt, sondern von Studios oder Therapieeinrichtungen, die ebenfalls eine gute Betreuung anbieten, kann eine Abgrenzung nur mit einem stimmigen und konsequent angewendeten Betreuungskonzept erfolgen, d. h.:

1.    Ein gesundheitsorientiertes Training kann nur zielgerichtet mit einer Anamnese und Diagnostik geplant werden. 
2.    Die Trainingspläne, Trainingseinführung und Trainingsbetreuung erfolgen durch ausgebildetes Fachpersonal
3.    Das Training selbst findet zeitoptimiert und zielfokussiert an für die Zielstellung ausgewählten Trainingsgeräten statt.
4.    Regelmäßige Erfolgskontrollen mit Ist-Soll-Abgleich gewährleisten den Trainingserfolg und minimieren das Trainingsrisiko.  

Im Mittelpunkt dieses sich ständig wiederholenden Betreuungs- und Trainingsprozesses muss immer das einzelne Individuum stehen. Die beste Diagnostik bringt nichts, wenn die individuellen Ergebnisse nicht vom Fachpersonal in den Trainingsplan integriert werden. Die besten Trainingsgeräte bringen nichts, wenn der Kunde sie nicht zu nutzen weiß, und die besten Trainingserfolge werden nicht wahrgenommen, wenn diese dem Kunden nicht visualisiert werden.

Fazit
Kommen wir zurück zur Ausgangfrage: Wie einfach kann aus einem Fitnessclub ein Medical-Fitness-Club werden bzw. was ist bei der Eröffnung eines Medical-Fitness-Clubs zu beachten? Die einzelnen aufgelisteten Erfolgsfaktoren für einen Medical-Fitness-Club sind oftmals schon vorhanden oder man kann sie sich unkompliziert einkaufen. Für sich alleine sind sie aber wenig wert. Es bedarf eines stimmigen Konzeptes, d. h. eines gelebten Unternehmensprofils, das die Zielgruppe, gesundheitsorientierter Kunde, bei jedem Arbeitsprozess in den Mittelpunkt stellt.
 

Exkurs Diagnostik und Diagnose
Immer wieder herrscht Unklarheit über die Begrifflichkeiten Diagnostik und Diagnose. Diese Unklarheit führt leider dazu, dass einige Fitnessclubs keine Diagnostik anbieten. Natürlich dürfen Clubs Diagnostik im Sinne der Trainingsplanung, Trainingsoptimierung und zur Erfolgskontrolle einsetzen. Allerdings dürfen keine Diagnosen wie beispielsweise „Bluthochdruck“ gestellt werden, dies obliegt einzig und alleine einem Arzt.

Quellen
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Die Autoren

  • Daniel Rothmund

    Daniel Rothmund ist Diplom-Sportwissenschaftler und Lehrbeauftragter an der Universität Bielefeld im Arbeitsbereich „Sportmedizin – Gesundheit und Training“. Zudem er Geschäftsführer von Valitudo – Zentrum für interdisziplinäres Gesundheitsmanagement und Entwickler von „Mein Gesundheitsmanager (MGM) – Das Diagnostiktool“ und „Mein Gesundheitsmanager (MGM) – Die Online Fitnesskurse“.

  • Peter Röhr

    Peter Röhr ist ebenfalls Diplom-Sportwissenschaftler, Lehrbeauftragte an der Universität Bielefeld im Arbeitsbereich „Sportmedizin – Gesundheit und Training“ und gemeinsam mit Daniel Rothmund Geschäftsführer von Valitudo – Zentrum für interdisziplinäres Gesundheitsmanagement sowie Entwickler von „Mein Gesundheitsmanager (MGM) – Das Diagnostiktool“ und „Mein Gesundheitsmanager (MGM) – Die Online Fitnesskurse“.