Physiotherapie

Eine patientenzentrierte Kommunikation erhöht den Therapieerfolg

Gut zu kommunizieren ist nicht immer einfach. In einem Therapiekontext ist es aufgrund der Umstände häufig noch schwieriger. Optimalerweise orientiert man sich bei der Kommunikation an den Bedürfnissen des Patienten. Unser Artikel zeigt, worauf zu achten ist.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Man sollte Patienten das Gefühl vermitteln, dass er nicht alleine mit seinen Problemen ist und ernst genommen wird.
  • Dramatisierende Aussagen helfen oft nicht weiter.
  • Eine an den Patienten und seine Lebenssituation angepasste Wortwahl ist hilfreicher.
  • Am Wichtigsten ist jedoch eine positive Grundhaltung.

Hand aufs Herz: Wer kennt einen Physiotherapeuten, der noch nie Formulierungen wie „Diese Schmerzen werden Sie den Rest Ihres Lebens begleiten“, „Wenn wir hier nichts tun, werden die Schmerzen immer schlimmer“ oder auch „Ich werde mein Bestes tun, um Ihnen zu helfen, aber das wird nicht einfach“ gegenüber einem Patienten verwendet hat?

Viele Therapeuten nutzen Formulierungen dieser Art in dem Glauben, den Patienten den Ernst ihrer gesundheitlichen Lage besser verdeutlichen zu können. Andere wiederum wollen offen mit dem Patienten reden. Aber helfen diese Formulierungen den Patienten wirklich weiter? Unterstützen sie den hilfesuchenden, manchmal vielleicht sogar schon lange mit Schmerzen lebenden Menschen wirklich bei seiner Therapie?


Wichtiger als das, was der Therapeut zu sagen hat, ist das, was der Patient über seine Situation zu sagen weiß (Bildquelle: ©WavebreakMediaMicro - stock.adobe.com)

Mehr grau als schwarz-weiß

Das Verständnis, welche Art von Kommunikation Therapeuten mit ihren Patienten pflegen sollten, hat sich in den jüngsten Jahren stark verändert. Zu frisch sind die neuen Erkenntnisse, um flächendeckend in den Köpfen der Physiotherapeuten deutschlandweit verankert zu sein. Dabei unterscheidet sich die Art der Kommunikation nicht so sehr vom zwischenmenschlichen Austausch in z. B. privaten Kontexten.

Statt einer starken Schwarz-Weiß-Kommunikation sollte man lieber in Graustufen kommunizieren und dem Patienten das Gefühl vermitteln, dass er nicht alleine mit seinen Problemen ist. Der Patient sollte zu jeder Zeit das Gefühl haben, ernst genommen zu werden.

Gerade in gesundheitsorientierten Kontexten fallen schnell mal sehr deutliche, aber auch fatalisierende Aussagen. Wir müssen uns nur an einen Vortrag der Harvard-Professorin in 2018 erinnern, die sich zu der Aussage hinreißen ließ, Kokosöl sei reines Gift. Der folgende Aufschrei zwang sie zu einer Klarstellung ihres Statements.

Aber auch in der therapeutischen Welt dominieren starke, oft dramatisierende Aussagen. Vielleicht liegt es daran, dass Therapeuten den Ernst der Lage vermitteln möchten oder sie einen Schmerz grundsätzlich als gefährlich einstufen. Dem einzelnen Patienten helfen diese starken Aussagen in den meisten Fällen jedoch eher weniger.

Wer ein gesundheitliches Problem beim Patienten feststellt, sollte das nicht mit fatalisierenden Aussagen kommunizieren (Bildquelle: ©WavebreakMediaMicro - stock.adobe.com)

Wie man besser kommuniziert

Letztlich verfolgen Therapeut und Patient das gleiche Ziel – eine Steigerung der Gesundheit des Patienten. Da der eine aber für den anderen verantwortlich ist, sollte er sich eher auf dessen Lebensrealität einlassen. Wie in vielen anderen Kontexten auch, müssen die Bedürfnisse des „Schwächeren“, also des Patienten im Mittelpunkt stehen. Fatalisierende Kommunikation kann dabei kontraproduktiv wirken.

Bei einem Patienten bspw., der viel Sport treibt und von einem Arzt oder Therapeuten hört, dass er aufgrund einer Beinfehlstellung in den nächsten 3–4 Jahren Arthrose bekommt, oder der Jugendlichen, deren temporäre Rückenschmerzen Mediziner zu der Aussage verleiten, dass sie aufgrund ihres Hohlkreuzes den Rest ihres Lebens Rückenschmerzen haben werden, führen solche Aussagen im schlechtesten Falle zu einer Einschränkung der Lebensqualität. Solche Aussagen hinterlassen Bedenken beim Patienten, die den Umgang mit Schmerz negativ beeinflussen.

Welche Punkte Therapeuten bei der Kommunikation vorbeugend beachten können, schauen wir uns jetzt an.

Einfache Wortwahl und wenige Abkürzungen

Als Therapeut hat man intensive Ausbildungen hinter sich, die gespickt mit Fachbegriffen und Abkürzungen sind. Jede Branche hat ihre Fachsprache, die es für Menschen im gleichen Fachgebiet einfacher macht zu kommunizieren, Außenstehende tendenziell aber eher ausschließt. Die Sprache, die Physiotherapeuten untereinander benutzen, sollte sich daher von der Kommunikation mit dem Patienten unterscheiden. Zudem bringen unterschiedliche Patienten verschiedene Kommunikationsvoraussetzungen und -bedürfnisse mit in die Therapie.

Behandelt man einen Mediziner, kann anders kommuniziert werden als bei einer Person, die der einheimischen Sprache noch nicht so mächtig ist. Das stellt große Herausforderungen an den Therapeuten, denn der eine erwartet einen Austausch auf fachlicher Ebene, der andere hingegen eine möglichst einfache Sprache, sodass für ihn klar wird, was in der Behandlung passiert. Grundsätzlich lohnt sich aber der Einsatz einer einfachen Sprache, die nicht von einem Fachjargon oder Abkürzungen geprägt ist.

Die Fachsprache gehört zum Physioalltag einfach dazu, sollte aber immer an die Voraussetzungen des Patienten angepasst werden (Bildquelle: ©WavebreakMediaMicro - stock.adobe.com)

In die Welt des Patienten eintauchen

Das hört sich nun danach an, als müsste der Therapeut das Leben seines Patienten, ähnlich der Arbeit eines Psychotherapeuten, analysieren, um ihn erfolgreich behandeln zu können. So ist das aber gar nicht gemeint. Vielmehr geht es um das Bedürfnis des Therapeuten, die Weltsicht des Patienten einzunehmen, um dessen Lebenssituation und damit auch Krankheitssituation besser verstehen zu können.

Eine Physiotherapeutin, die für einige Jahre in einer Praxis arbeitete, die von überproportional vielen sozial schwächeren Patienten besucht wurde, berichtete, dass nicht nur die Kommunikation stark erschwert war, sondern auch die Bereitschaft zum „Mitarbeiten“ in der Therapie gegen null ging. Auf diese Lebensrealität muss man sich einlassen können, um Behandlungserfolge zu erzielen. Gleichzeitig sollte man die eigenen Therapieansätze nicht über Bord werfen. Letztlich geht es um einen gemeinsamen Weg, den Therapeut und Patient gemeinsam gehen.

Genauso wichtig ist es, die Situation, in der sich ein Patient befindet, nachzuvollziehen und in die Behandlung einfließen zu lassen. Grundsätzlich gilt, dass eine aktive Therapie den meisten Patienten besser helfen kann. An Tagen, an denen der Patient sehr müde ist oder nicht in der Lage ist, an einer Aktivitätstherapie teilzunehmen, sollte man als Therapeut auf dieses Bedürfnis eingehen.

Kommunikation in Bildern kann helfen

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte? Was für visuelle Abbildungen gelten mag, ist für Sprachbilder nicht ganz so einfach umzusetzen – aber auch gar nicht unbedingt nötig. Eine bildhafte Sprache erleichtert es vielen Patienten, besser zu verstehen, was der Therapeut sagen möchte.

Noch viel wichtiger für die Kommunikation mit dem Patienten ist, was dieser zu sagen hat. Aktives Zuhören erlaubt es dem Therapeuten, in die Welt des Patienten hinabzutauchen und besser zu verstehen, in welcher Situation er sich tatsächlich befindet. Nun sind nicht alle Patienten so gesprächsbereit wie mancher Friseur. Dann wird es tatsächlich schwierig, tiefere Details wahrzunehmen. Hier sollte der Therapeut das Gespräch aktiv anleiten.

Bei hartnäckig schweigenden Patienten können zumindest aus dem Anamnesegespräch wertvolle Informationen gewonnen werden. Therapeuten, die eine positive Grundhaltung gegenüber dem Patienten einnehmen und eine entspannte Atmosphäre schaffen, kommen leichter ins Gespräch. Es ist aber auch vollkommen in Ordnung, wenn der Patient das nicht möchte.

Die Perspektive wechseln

Sich in andere Menschen hineinzuversetzen, um ihre Lebensrealität besser nachfühlen zu können, fällt vielen Menschen schwer. Für eine erfolgreiche Therapie kann es sich jedoch lohnen, den Perspektivenwechsel zu wagen. Nimmt der Patient die Behandlung als etwas wahr, das ihm in seiner Situation hilft, oder fühlt er sich nicht individuell genug behandelt? Würde er gerne mehr passiv behandelt werden oder ist die geplante aktive Therapie seiner Meinung nach zielführend?


Auch wenn es letztlich in der Verantwortung des Therapeuten liegt, ordentlich zu therapieren, kann der Therapieerfolg nur in einem Zusammenwirken von Patient und Therapeut wirklich optimal erfüllt werden. Dazu sollte sich der Therapeut auf die Bedürfnisse der Person vor ihm einstellen. Der Perspektivenwechsel ist hierzu eine sehr gute Methode. Dabei reicht es, sich auf die therapierelevanten Punkte zu konzentrieren. Alles andere wäre zu viel.

Der abschließende Punkt hängt mit dem Perspektivenwechsel zusammen. Hier geht es um eine positive Grundhaltung gegenüber den Patienten. Klingt eigentlich selbstverständlich – kann im Tagesgeschäft leider aber verloren gehen. Bei der Menge an Patienten, die ein Physiotherapeut täglich sieht, kann die Behandlung schnell in „Arbeit ausarten“. Damit gehen Stress und auch Unzufriedenheit einher, wenn mal etwas nicht klappt.

Wie in jedem anderen Beruf auch kann dann die oftmals positive Einstellung von Therapeuten gegenüber ihren Patienten leiden. Das kann sich schnell in unpassenden oder fatalisierenden Aussagen niederschlagen. Daher sollte man die Kommunikation immer positiv zum Wohle des Patienten gestalten.

Fazit

Die Kommunikation zwischen Patient und Therapeut ist in der Regel von positiver Stimmung und freundlichem Ton geprägt. Nichtsdestotrotz kann es Sinn machen, sich die Tipps in diesem Artikel zu Herzen zu nehmen, um das eigene Kommunikationsverhalten zu reflektieren bzw. das bei seinen Kollegen zu tun, um ein gutes Ergebnis beim Patienten zu erreichen.

Bildquelle: ©WavebreakMediaMicro - stock.adobe.com

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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