Personallose Fitnessstudios – Ist das noch Qualität?

Das Thema Qualität von Teammitgliedern ist in der Fitnessbranche präsenter denn je. Bereits in den vergangenen Jahren zeichnete sich ab, dass wir uns in einem Wandel befinden. Anytime Fitness startete 2002 mit nahezu personallosen Fitnessstudios. Über die Jahre kamen weitere automatisierte Studiokonzepte hinzu, die immer wieder kontrovers diskutiert werden.

Ist das noch Qualität? Diese Frage wird immer wieder, wenn es um die Themen Fachkräftemangel und allgemeiner Mangel an arbeitsfreudigen Menschen geht, heiß diskutiert. Die Folge: In der Fitnessbranche wird immer mehr darüber nachgedacht und gesprochen, ob Fitnessstudios, und wenn ja, welche Bereiche, personallos organisiert werden können.

Meine persönliche Erkenntnis und Meinung: Jeder Bereich kann ohne Personal auskommen! Das entscheidende Kriterium ist, in welchem Segment man sich mit seiner Anlage positionieren möchte.

Effizienzsteigerung durch Automatisierung

Die Menschen, selbst unsere Best Ager, haben gelernt, digital einzukaufen. Auch die zunehmende Digitalisierung in Fitness- und Gesundheitsstudios ist für die Mitglieder kein Problem mehr. Die Fitnesstheke zum Beispiel ist ein Bereich, der hervorragend personallos funktioniert. Die Produktauswahl kann qualitativ hochwertig über Kaffeemaschinen, Snackautomaten und Getränkeanlagen im Self-Service dargestellt werden. Bargeldlose Systeme, nachhaltige To-Go-Getränkebecher sowie eine große Auswahl an Nahrungsmittelergänzungen in praktischen Portionsgrößen, all das ist bereits erprobt und vorhanden.

Für welche Kernkompetenzen steht denn ein Fitnessstudio und seine Mitarbeiter? Die Kernkompetenz ist das Training und die Gastronomie ist eher selten eine (nötige) Kompetenz. Auszubildende und Studenten in unseren Fitnessstudios sollten ihren Fokus zu 100 % auf ihre Tätigkeiten als Trainer, Personal Trainer und/oder Kurstrainer richten und nicht als Thekenkraft agieren.

Im Kursbereich sind Live-Kurse den virtuellen Angeboten bislang zwar deutlich überlegen. Wird sich jedoch die Verjüngung der Mitglieder weiter fortsetzen, wird auch dieser Bereich zukünftig stärker genutzt werden.

Personal im Studio ist nicht unverzichtbar

Das Trainerteam ist für viele Studios nach wie vor ein wichtiger Bestandteil, ein Qualitätsmerkmal und eine mögliche Abgrenzung zum Mitbewerber. Zu definierten Kernzeiten, dann, wenn Traffic im Fitnessstudio ist, darf ein topmotiviertes Trainerteam auch nicht fehlen. Zur Unterstützung, für den Small-Talk und um den Mitgliedern das gute Gefühl zu geben, betreut zu werden.

Durch ein zentral eingerichtetes Live Coach-Office können Studios ihren Personaleinsatz deutlich reduzieren. In diesem Office sitzt ein ausgebildeter Trainer, der über mehrere Bildschirme mit den Studios verbunden ist und so die Mitglieder betreuen kann (Bildquelle: © Stefanie Wijnhoven-Nohl)

Betrachten wir den Fitnessmarkt, dann ist weiterhin erkennbar, dass das Angebot Personal Training stark nachgefragt wird. Ein Angebot, das für das Fitnessunternehmen und einzelne Trainer wirtschaftlich interessant ist. Personal Training führt häufig dazu, dass Mitglieder motiviert ihre Trainingsziele erreichen und dem Studio langfristig erhalten bleiben.

Der Istzustand

Beim Thema Personal braucht es keine Entweder-oder-Entscheidung, vielmehr sollten sich Clubbetreiber zu folgenden Punkten Gedanken machen:

Welche Mehrwerte kann das Unternehmen erzielen, um als Arbeitgeber interessant zu sein?
Welche Mehrwerte sind möglich, um Mitglieder zu gewinnen und zu binden?
Welche Mehrwerte hat das Studio als Wirtschaftsunternehmen?

Fitnessstudios mit Öffnungszeiten von 6.00–0.00 Uhr, und das an sieben Tagen die Woche, an 365 Tagen im Jahr, werden es momentan schwer haben, geeignetes Personal zu finden, da für die Arbeitnehmer die Work-Life-Balance nicht passt. Die Erwartung der Mitglieder ist es jedoch, dass die Studios Öffnungszeiten bieten, die volle Flexibilität und Training rund um die Uhr ermöglichen.

Betreuung ist auch ohne Personal möglich

Eine Fitnesskette mit zum Beispiel acht Studios hat die Möglichkeit, Betreuung zu gewährleisten und dabei den Personaleinsatz deutlich zu reduzieren. Möglich wird dies durch ein sogenanntes zentral eingerichtetes Live Coach-Office. In diesem Office sitzt ein kompetentes Teammitglied, das über mehrere Bildschirme mit den Studios verbunden ist und die Möglichkeit hat als Ansprechpartner und Betreuer zu agieren.

Zu definierten Zeiten werden die Mitglieder durch den Live Coach betreut. Über ein Terminal können die Mitglieder den Coach sehen und jederzeit ansprechen. Kurzfristige Ausfälle von Teammitgliedern sind dadurch keine Herausforderung mehr, da im Studio automatisiert alle Technik aktiviert wird und die Mitglieder ihr Training durchführen können.

Zahlen, Daten, Fakten

Als Beispiel dient eine Fitnesskette mit acht Studios. Der Betreiber hat sich für ein Live Coach-Office mit entsprechender Technik und technischer Einrichtung entschieden.

Beispielrechnung Personalkostenersparnis

Investition Live Coach-Office und Technik ca. 130.000 Euro
Jedes Studio ist Montag bis Freitag von 7.00 bis 22.00 Uhr geöffnet, an Samstagen und Sonntagen von 10.00 bis 20.00 Uhr = das entspräche 95 Arbeitsstunden für eine Servicekraft
95 Stunden x 12 Euro Stundenlohn + 20 % Lohnnebenkosten = 1.368 Euro pro Woche
1.368 Euro pro Woche x 52 Wochen = Personalkostenersparnis pro Jahr von 71.136 Euro für 1 Studio
71.136 Euro x 8 = Personalkostenersparnis pro Jahr von 569.088 Euro für 8 Studios

Beispielrechnung Personalausgaben Live Coach

Entlohnung Live Coach 16 Euro pro Stunde
Pro Tag arbeitet der LiveCoach 12 Stunden: 7 x 12 Stunden = 84 Stunden x 16 Euro + 20 % Lohnnebenkosten = 1.613 Euro pro Woche
Öffnungszeiten Studios 6–24 Uhr
Personalkosten pro Jahr: 52 Wochen x 1.613 Euro = 83.876 Euro für 1 Studio
Personalkosten pro Jahr: 52 Wochen x 1.613 Euro = 83.876 Euro für 8 Studios

Folgende Mehrwerte hat das für das Unternehmen:

Höhere Mitarbeiterzufriedenheit, weil im Studio andere Arbeitszeiten möglich sind und die Aufgabe des Live Coach Spaß macht
Höhere Mitgliederzufriedenheit, weil attraktivere Öffnungszeiten wirtschaftlich möglich sind – ohne Qualitätsreduzierung
Reduzierung der Personalkosten und die Möglichkeit, bessere Stundenlöhne zu zahlen
Personalabhängigkeit wird maßgeblich verringert

Fazit

Unternehmen sind in jeder Branche gefordert, neue Wege zu gehen. Welcher Weg der richtige ist, muss letztlich jeder Unternehmer selbst entscheiden. Entscheidungen werden dabei häufig von den persönlichen Vorstellungen stark beeinflusst.

Die Herausforderung ist, sich in die Beobachterposition zu begeben und von außen auf das Unternehmen zu schauen und zu schlussfolgern, wohin die Reise gehen soll. Die Key Facts – ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, begeisterte Kunden zu haben und dass die Wirtschaftlichkeit im Konsens zur Dienstleistungsqualität steht – sollten dabei immer im Fokus stehen.

Die Autorin

Stefanie Wijnhoven-Nohl
Stefanie Wijnhoven-Nohl hat eine Banklehre und ein BWL-Studium absolviert. Seit 2004 ist sie im Bereich Consulting selbstständig. Ihre Schwerpunkte liegen auf Strategie und Führung in verschiedenen Branchen. Der Praxisbezug und immer über den Tellerrand zu schauen sind ein wichtiger Fokus in ihrer Tätigkeit.