Personal

Vom Premiumanbieter hin zum Betreiber personalloser Studios

Die Fitnessbranche befindet sich im Wandel. Prozesse werden optimiert und zunehmend digitalisiert. Studiobetreiber, die früher auf intensive Kundenbetreuung gesetzt haben, erkennen zunehmend die Vorzüge von personallosen Studiokonzepten. So auch Eugen Leibmann.

Nach meiner abgeschlossenen Ausbildung zum staatlich anerkannten Physiotherapeuten im Jahr 2011 war es meine Passion, Menschen mit der Therapie, neuesten trainingswissenschaftlichen Erkenntnissen und bester Betreuung zu helfen, ihre Lebensweise zu verändern, um ihre Probleme zu lösen.

Recht schnell musste ich allerdings feststellen, dass häufig die Patienten, die mit ihrem Rezept zu mir in die Praxis kamen, im nächsten Quartal mit demselben Beschwerdebild wieder behandelt werden wollten. Sehr oft fehlte jedoch das Budget, die Zeit und das Mindset der Patienten, um die gewünschten Behandlungserfolge zu erzielen. Für mich war klar: Dieses Gesundheitssystem wollte ich schnellstmöglich verlassen.

Somit beschloss ich, mich auf die Zielgruppe zu konzentrieren, die intrinsisch motiviert war, etwas an ihrem Gesundheitsverhalten zu ändern. Also habe ich mich als Personal Trainer selbstständig gemacht. Ich habe Unternehmer sowie Führungskräfte gecoacht bzw. sie beim Erreichen ihrer Ziele intensiv begleitet.

Aufwand und Ertrag standen nicht im Verhältnis

Ich hatte 2011 eine Vision. Ich wollte der größte Anlaufpunkt für Fitness- und Gesundheit in der Region werden. Um dies umzusetzen, gründete ich 2012 ein Gesundheitszentrum. Das Thema Betreuung stand in dem Konzept an erster Stelle. Auf ca. 1.200 m² Fläche wurde zu Spitzenzeiten mit sechs Trainern betreut.

Zum Angebot zählten u. a. Kurse, EMS, Personal Training, Service usw. Ich stellte jedoch fest, dass mit zunehmender Leistung die Investitionen in die Weiterbildung der Mitarbeiter, diverse Seminare und Vortragsreihen, neueste Gerätekonzepte und die Fixkosten immer mehr anstiegen und ich unternehmerisch unter Zug-zwang stand, immer mehr Mitglieder zu gewinnen, um diese Fixkosten zu decken. Rein wirtschaftlich betrachtet, stand der Aufwand am Ende nicht im Verhältnis zum Ertrag.
 
Durch den Discountmarkt, wurde das Preisgefühl für die Premiumdienstleistung der Endverbraucher verändert. Wieso sollte man 60 Euro im Monat zahlen, wenn man auch für die Hälfte trainieren könnte? Die breite Masse der 12,4 % Trainierenden in Deutschland will gar nicht betreut werden. Sie ist zufrieden, wenn sie in einem tollen Ambiente mit langen Öffnungszeiten, einem schnellen Service für einen preiswerten, monatlich kündbaren Mitgliedsbeitrag trainieren kann. Die „Geiz ist Geil“-Mentalität hat sich immer mehr ausgeweitet.

Es kam zum großen Umdenken 

Als mir klar wurde, dass ich nur einen Teil der Zielgruppe mit meinem betreuungsintensiven Konzept anspreche und dass es in meinem regionalen/ländlichen Umfeld noch keinen Discounter gab, reifte die Entscheidung, ein personalreduziertes Fitnessstudio zu eröffnen. Das Konzept sollte genau für die Zielgruppe konzipiert werden, die ich mit meinem personalintensiven Konzept weniger angesprochen hatte.

Mir war bewusst, dass, wenn ich diesen Schritt nicht wage, es jemand anders tun würde und ich einen Großteil meiner Mitglieder verlieren würde. Zudem wurde mir immer mehr bewusst, dass, wenn das Wissen und das Betreuungskonzept einmal vermittelt sind, die Mitglieder irgendwann in der Lage sind, ohne Betreuung in einem Discounter zu trainieren, und das für die Hälfte des Beitrags. 

Im Jahr 2015 gründete ich dann ein neues Unternehmen, die Studiokette GET FIT. Das Konzept war klar: Das Personal wird nur zu Stoßzeiten eingesetzt. Die Öffnungszeiten sind von 6.00 Uhr morgens bis 24 Uhr an sieben Tagen. Die Mitgliedsbeiträge liegen im Durchschnitt bei 30 Euro pro Monat. Eine monatliche Kündigung des Vertrags ist möglich. Das Ambiente der Clubs ist einladend und sie sind mit neuesten Geräten ausgestattet.


Auch für Betreiber von Premiumanlagen sind die personallose bzw. personalreduzierte Studiokonzepte interessant, denn sie können parallel zum Premiumstudio betrieben werden (Bildquelle: © GET FIT)

Ganz wichtig: Das Konzept ermöglicht einen schnellen Break-even. Mit der Eröffnung des ersten Standortes in Wächtersbach 2016 gelang mir zum damaligen Zeitpunkt etwas Besonderes. Auf circa 400 m² hatte ich durch spezielle Online- und Offline-Marketingstrategien über 300 Mitglieder im Eröffnungsmonat gewonnen. Der erste Einzug der Mitgliedsbeiträge lag bei über 25.000 Euro. Der Club erreichte somit im ersten Monat den Break-even.

Die Vorteile von personalreduzierten Konzepten

Der größte Vorteil von personalreduzierten Konzepten ist, dass man als Unternehmer deutlich weniger Risiko trägt. Durch die geringeren Fixkosten, die unter anderem durch das (Fach-)Personal entstehen, benötigen die Betreiber zudem weniger Mitglieder, bis sie den Break-even erreichen.

Durch die digitalisierten Prozesse in einem personalreduzierten Konzept haben Studiobetreiber mehr Zeit, am Unternehmen anstatt im Unternehmen zu arbeiten. Der Aufwand im Daily Business ist deutlich geringer. Ein weiterer Pluspunkt ist, dass die Mitglieder 24/7 das Fitnessstudio besuchen können, und das zu einem günstigen Beitrag. Die Mitgliedschaften werden ausschließlich online abgeschlossen und somit gewinnt man wichtige unternehmerische Ressourcen. Es entstehen keine unnötigen Kosten mehr (Vertrieb, Service, Kurse, Wellness). 

Gehört personallosen Konzepten die Zukunft?

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass personalreduzierte Studiokonzepte zukünftig eine große Rolle spielen werden. Auch für Betreiber von Premiumanlagen sind die Konzepte interessant, denn sie können parallel zum Premiumstudio betrieben werden. Dadurch können regional eigene „Satelliten“ aufgebaut werden, um seinen Premiumclub vor dem Wettbewerb zu sichern.

Des Weiteren eignen sich die Konzepte ideal, um im ländlichen Raum ab 4.000 Einwohnern mit überschaubarem Kapitaleinsatz von ca. 100.000 Euro eröffnet zu werden. In den Kosten sind bereits die Geräte, Zugangssysteme, Studioausstattung sowie die komplette Digitalisierung und das Setup für die Onlinepräsenz inkludiert. Deutschlandweit gibt es derzeit ca. 1.500 Gemeinden, in denen es noch kein Fitnessstudio gibt. Somit besteht noch ein großes Expansionspotenzial.

Ein weiterer Faktor, der für die erfolgreiche Zukunft von personallosen bzw. personalreduzierten Studiokonzepten spricht, ist, dass sie die Bedürfnisse der Hauptzielgruppe sowie die Generation Z befriedigen können. Mit einer maximalen Sichtbarkeit in den sozialen Medien, digitalisierten Onboardingprozessen z. B. mit einer eigenen Online-Academy und einem digitalen Verkauf von flexiblen Mitgliedschaften passt man sich genau dem Kaufverhalten der jüngeren bzw. aktuellen Hauptzielgruppe an.

Das Kaufverhalten hat sich in den vergangenen Jahren auch durch Corona und die Digitalisierung stark verändert. Auf den sozialen Medien, YouTube usw. findet man jegliche Informationen zum Thema Fitness, Trainingspläne, Tipps und Tricks. Die Mitglieder müssen somit weniger betreut werden bzw. wollen sie gar nicht mehr betreut werden. Sie ziehen es vor, ihre Kopfhörer aufzusetzen und ihren Trainingsplan selbstständig umzusetzen. Die Influencer sind die neuen Vorbilder. Somit fällt auch die Bereitschaft weg, für die Betreuung zusätzlich mehr zu bezahlen.

Ich persönlich habe seit 2012 einige weitere Standorte mit personalreduziertem Konzept eröffnet. Die Anlagen sind zwischen 250 und 500 m² groß. Aufgrund dieser positiven Entwicklung und den gleichzeitig hohen Fixkosten im Premiumclub sowie dem aktuell herrschenden Fachkräftemangel habe ich mich dazu entschieden, meinen 2012 gründeten Premiumclub Ende 2023 zu schließen und als Franchisenehmer weitere personalreduzierte Studios zu eröffnen.

Bildquelle Header: © Coloures-Pic - stock.adobe.com

Der Autor

  • Eugen Leibman

    Eugen Leibman ist staatlich anerkannter Physiotherapeut und Gründer und Geschäftsführer der Fitnesskette GET FIT. Seit 17 Jahren ist er in der Fitnessbranche aktiv und hat während seines Werdegangs vom Fitnesstrainer, Physiotherapeuten, BGM-Spezialisten, Personal Trainer, Betreiber von einem Gesundheitszentrum bis zum Aufbau einer eigenen Fitnesskette sämtliche Stationen der Fitness- und Gesundheitsbranche in der Praxis durchlebt.

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