Recht

Haftung von Betreibern bei personallosen Fitnessstudios

Personallose Fitnessstudios genießen in der Branche immer mehr Popularität. In diesen Studios gibt es keine Mitarbeiter, welche die Trainingsflächen regelmäßig kontrollieren. Dadurch kommt es zu neuen rechtlichen Herausforderungen, insbesondere auch im Hinblick auf mögliche Haftungsszenarien.

Folgende Fragestellungen haben wir uns im Rahmen eines für die Branche entwickelten Konzeptes gestellt und beantwortet:

  • Welche Anforderungen werden an die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers gestellt?
  • Besteht generell eine Haftung für Unfälle, wenn es grundsätzlich keine Kontrolle und Aufsicht der Trainingsfläche sowie der weiteren Bereiche (Nassflächen, Sauna usw.) gibt?
  • Welche Verantwortung trägt das Unternehmen bzw. der Unternehmer bei Körper- und Gesundheitsschäden der Trainierenden, wenn kein Personal eingesetzt wird?
  • Welche rechtlichen Konsequenzen hat es, wenn ein Mitglied trainiert und z. B. einen Herzinfarkt erleidet und niemand vor Ort ist, der helfen kann?
  • Was wäre, wenn ein Mitglied z. B. während der personallosen Nachtzeiten verstirbt und sich im Nachhinein herausstellt, dass das Mitglied bei einer Kontrolle der Trainingsfläche und der Hinzuziehung von Rettungskräften hätte gerettet werden können, also das Versterben des Mitgliedes bei einer Beaufsichtigung der Trainingsfläche hätte verhindert werden können?
  • Sind Videokameras zur Überwachung des Zutritts und der Räumlichkeiten zulässig und geeignet?
  • Was ist, wenn Mitglieder ihre Karte bzw. das Zutrittsmedium Dritten überlassen, die dann ohne Vertrag und gesonderte Beitragszahlung trainieren und sich sodann verletzen?

Personallose Studios sind juristisches Neuland

Der personallose Studiobetrieb und damit im Zusammenhang stehende Körper- und Gesundheitsschäden stellen juristisches Neuland dar. Es gibt zu diesen konkreten Fallkonstellationen und genannten Fragen keine veröffentlichte Rechtsprechung. Dies ist auf der einen Seite erfreulich, da es zeigt, dass Körper- und Gesundheitsschäden selten sind; allerdings kommen sie vor. Daher wird sich in den nächsten Jahren eine Rechtsprechung entwickeln, aufgrund derer dann von uns angepasste Empfehlungen an unsere Mandanten ausgesprochen werden. Die hier dargestellte Thematik ist im Wandel und wird sich entwickeln.

Fitnessstudiomitglied sitzt mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einem Trainingsgerät
Zu vielen konkreten Fällen – wie z. B. was passiert, wenn ein Trainierender einen Herzinfarkt erleidet und niemand vor Ort ist, der helfen kann – gibt es keine veröffentlichte Rechtsprechung (Bildquelle: © New Africa - stock.adobe.com)

Es gibt eine Vielzahl von Urteilen im Zusammenhang mit den rechtlichen Anforderungen an die Sorgfalts- und Kontrollpflichten von Sportvereinen, Freizeitanlagen und Studiobetreibern, also ohne die Konstellation, dass die jeweilige Einrichtung vollständig personalfrei betrieben wird. Selbst wenn Personal vor Ort ist, kann dieses nicht sämtliche Bereiche der jeweiligen Anlage gleichzeitig überwachen. Daher konnten wir uns an dieser Rechtsprechung orientieren.

Allerdings existiert zu den generellen Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten beim Betrieb von Sportstätten eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser hat allgemeine Grundsätze entwickelt, unter denen eine Haftung angenommen werden kann. Danach gilt Folgendes:

Eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, ist nicht erreichbar. Deshalb muss ein Betreiber auch nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Vielmehr sind nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer und nicht ganz fernliegender Benutzung drohen.

Der Verkehrssicherungspflichtige muss in objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die sich dieser nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Daher reicht es aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, vorsichtiger und gewissenhafter Betreiber für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm nach den Umständen zumutbar sind (BGH NJW 2008, 3775, 3776).

Daraus folgt, dass sich das Ausmaß der einzuhaltenden Verkehrssicherungspflicht nach den Umständen des Einzelfalls richtet. Grundsätzlich muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Der Umfang der Sicherungsmaßnahmen orientiert sich vielmehr daran, was zur Gefahrenabwehr notwendig und zumutbar ist, um einen Dritten vor Gefahren zu schützen, die er selbst bei Anwendung der von ihm in der konkreten Situation zu erwartenden Sorgfalt nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann (OLG Hamm, VersR 2005, 606)

Neues Konzept gibt Aufschluss in Sachen Rechtsprechung

Die Dr. Geisler, Dr. Franke Rechtsanwälte PartmbB hat ein Konzept erstellt, das auf die vorgenannten Grundsätze sowie zahlreiche weitere aus der Rechtsprechung erkennbare Punkte Bezug nimmt. Zudem wurden auch Checklisten erstellt, die dem jeweiligen Studiobetreiber helfen, eine Individualisierung für die in seiner Anlage konkret vorhandenen Umstände vorzunehmen. Dabei sind sowohl mögliche Verletzungen der Verkehrssicherungspflichten, als auch einzuhaltende Aufsichts- bzw. Überwachungspflichten sowie etwaige Nebenpflichten, die aus dem Mitgliedschaftsvertrag resultieren, berücksichtigt. Letztlich wird in dem Konzept auch die Frage beantwortet, welche Versicherungen für die konkret dargestellten Risiken sinnvoll und erforderlich sind.

Bildquelle Header: © Teerasan - stock.adobe.com

Der Autor

  • Dr. Hans Geisler

    Dr. Geisler, Dr. Franke Rechtsanwälte PartmbB steht für kompetente, zielorientierte und effektive Beratung von Unternehmen. Zu der Kanzlei gehören aktuell 12 Rechtsanwälte/innen und über 30 Mitarbeiter/innen. Schwerpunkt ist die bundesweite Beratung mittelständischer und großer Unternehmen in nahezu allen Rechtsfragen. Sämtliche Rechtsanwälte / innen haben sich auf verschiedene Fachgebiete spezialisiert, oftmals bis zur Erlangung eines Fachanwaltstitels. Bezüglich aller denkbaren Rechtsfragen in der Fitness- und Freizeitbranche verfügt die Kanzlei über ein einzigartiges Know-how. Speziell für die Fitnessbranche hat die Kanzlei verschiedene Rechtsberatungskonzepte entwickelt, die den Studiobetreiber entlasten und ihm Zeit für sein Kerngeschäft verschaffen.

Themen

Magazin

BODYMEDIA Fitness 1-2023E-Book lesen

BODYMEDIA Fitness 1-2023

Mehr erfahren