Physiotherapie

Recruiting-Tipps für Physiotherapeuten

Trotz attraktiver finanzieller Angebote und umfangreicher Extras scheint der Arbeitsmarkt in der Physiotherapie leergefegt zu sein. Hat man dann aber doch mal Mitarbeiter gefunden, stellt sich schnell heraus, dass sie nicht ins Team passen. Aber das ist kein Grund zur Verzweiflung: Unsere Tipps machen das Recruiting in der Physiotherapie deutlich einfacher.

Schaut man sich die Stellenanzeigen von Physiotherapiepraxen durch, fällt auf, dass keine so richtig auffällt. Alle bieten ein hohes Gehalt, familiäres Umfeld, flexible Arbeitszeiten, viel Urlaub und jede Menge Extras. Für Physiotherapeuten, die vor 10–15 Jahren einen Job gesucht haben, wären das absolute Traumvorstellungen gewesen. Und heute? Da bewirbt sich keiner. Aber woran liegt das?

Wie in vielen anderen Branchen auch, können sich junge Physiotherapeuten heute aussuchen, bei welchem Arbeitgeber sie arbeiten möchten. Viel Gehalt alleine reicht für die meisten nicht aus, um die Anstrengungen einer 20-Minuten-Taktung in einer als Standard empfundenen Praxis auf sich zu nehmen.

Sie wünschen sich Therapiekonzepte, die alte Muster aufbrechen und mehr Abwechslung bieten. Sie möchten keine Dauerpatienten, mehr Mitbestimmung, weniger manuelle Therapie und ganz wichtig: die Einbindung digitaler Tools in die Arbeit. Viele Praxen können das aktuell nicht bieten, warum es wenig verwunderlich ist, dass viele keine neuen Therapeuten für sich begeistern können.

Bevor wir uns im Detail anschauen, welche Schritte man gehen kann, um Mitarbeiter für sich zu gewinnen, hier ein paar Grundsätze zum Physiotherapeuten-Recruiting in der heutigen Zeit:

  1. Die Suche auf mehrere parallele Recruitingwege verteilen, die regelmäßig bespielt werden.
  2. Die (moderne) Unternehmenskultur muss nach außen transportiert werden.
  3. Ohne digitale Affinität geht es nicht.

Wer diese drei Grundsätze nicht beachtet, wird es sehr schwer haben, junge Menschen anzuwerben. In den anderen Artikeln in diesem Themenschwerpunkt schauen wir uns etwas genauer an, wie man das umsetzen kann. An dieser Stelle geht es darum, welche Recruitingpfade man zusätzlich beschreiten kann, wenn die eben genannten Grundsätze bereits eingehalten werden.

Den Prozess aus Sicht des Bewerbers gestalten

Unternehmen hatten lange das Glück, sich Bewerber aussuchen zu können, waren also verantwortlich für die Spielregeln. War das Auswahlverfahren intensiv und langwierig, dann mussten sich die Bewerber darin fügen – ob sie wollten oder nicht. Nun ist es anders. Wer keine Lust mehr auf solche Prozesse hat, bewirbt sich einfach woanders. Zudem wird der Bewerbungsprozess viel unbürokratischer. Anschreiben, Lebensläufe und Nachweise werden, wenn überhaupt noch vorhanden, viel schlanker präsentiert und blähen den Prozess unnötig auf.

Wer im Recruiting erfolgreich sein will, muss sich an der Zielgruppe orientieren und den Prozess aus der Sicht des Bewerbers gestalten. Das beginnt bei der Kontaktaufnahme. Bewerbungen via WhatsApp oder Instagram sind keine Seltenheit mehr und müssen möglich sein. Wenn ein Bewerber wie auch immer auf eine Praxis stößt, die ihn interessiert, und sie findet sich nicht in den sozialen Medien, dann wird ihn das abschrecken.


Wer junge Menschen erreichen möchte, sollte dort werben, wo sie sich aufhalten – am Smartphone (Bildquelle: © fizkes - stock.adobe.com)

Alle Informationen müssen verfügbar sein. Optimalerweise ist die Handynummer des Inhabers bzw. des Verantwortlichen für das Recruiting nach außen hin sichtbar, sodass es keine Hürden mehr für den Bewerber gibt, mal anzuklopfen. Zudem muss den potenziellen Bewerbern via sozialer Medien ein Eindruck gegeben werden, wie die Stimmung in der Praxis ist. Nur dann wird es für ihn interessant. Wer nichts weiß, bewirbt sich nicht.

Sich Zeit für den Prozess nehmen, aber trotzdem schnell sein

Diese veränderten Bedürfnisse bringen weitere nötigen Anpassungen mit sich. Konnte man früher die Bewerbungsunterlagen etwas liegen lassen, weil man im stressigen Arbeitsalltag keinen Kopf dafür hatte, kann es heutzutage schon zu spät sein und der junge Therapeut hat sich für eine andere Praxis entschieden.

Einerseits sollte man die Bewerbungen also nicht zu lange liegen lassen, andererseits sollte man sich genug Zeit für den Prozess nehmen, den Bewerber genau prüfen, um zu wissen, ob er überhaupt ins Team passt. Denn häufig sorgen Zeit- und Fachkräftemangel dafür, dass die falschen Mitarbeiter eingestellt werden, die möglicherweise bereits während der Probezeit gehen, weil sie die Unternehmenskultur oder die Arbeit allgemein nicht “fühlen”.

Dem kann durch einen Prozess, der sich an den Bewerbern ausrichtet, aber genauso abprüft, ob Praxis und Therapeut zusammenpassen, vorgebeugt werden. Es müssen also alle Kommunikationskanäle für potenzielle Bewerber offenstehen und schlanke Prozesse im Hintergrund laufen.

Dann kommt es darauf an, der Personalauswahl die richtige Bedeutung beizumessen. Alle beschweren sich, wenn keine Bewerbungen eingehen, verlieren aber diejenigen, die sich bewerben, weil sie ihnen nicht aufmerksam genug entgegentreten. Das fängt dabei an, dass man vor einem Bewerbungsgespräch sich nicht einmal die Unterlagen anschaut, um einen gewissen Eindruck vom Bewerber zu bekommen.

Wer unvorbereitet in das Gespräch geht, wird die Person verlieren, da junge Menschen es heutzutage gewohnt sind, dass ihnen von überall aus Aufmerksamkeit geschenkt wird und sie im Mittelpunkt stehen. Dieses Gefühl müssen sie auch während des gesamten Bewerbungsprozesses haben.

Zwischen dem ersten Gespräch und der Einstellung muss aber noch viel passieren. Regelmäßige Kontaktaufnahmen, sogenannte “Lebenszeichen”, sind wichtig, um die Zeit bis zum Arbeitsbeginn zu überbrücken, sonst kann es passieren, dass der zukünftige Mitarbeiter am ersten Arbeitstag einfach nicht auftaucht.

In unbefischten Gewässern fischen

Wer die dicksten Fische fangen möchte, sollte dort angeln, wo möglichst wenige andere Angler ihre Ruten auswerfen. Es geht also darum, ausgetretene Recruitingpfade zu verlassen und dort nach Mitarbeitern zu suchen, wo bisher keiner oder nur wenige andere sind. Aber: Wie im Modebereich, wo viele Trends wiederkehren, so ist es auch beim Recruiting. Längst abgeschriebene Wege, wie z. B. die Jobbörse beim Arbeitsamt, können mit den richtigen Ideen zum Erfolg führen.

Letztlich muss der Inhaber einer Praxis sich bewusst sein, dass er sich bei jungen Physiotherapeuten bewerben muss und nicht andersherum. Dann können die Recruitingwege gewinnbringend eingesetzt werden.

Letztlich geht es beim Recruiting auch darum, dort unterwegs zu sein, wo die eigene Zielgruppe ist. Ein naheliegender, aber für viele Praxen nicht so einfach umsetzbarer Weg sind die sozialen Medien. Hier gilt es, sich und seine Unternehmenskultur für Außenstehende so zu präsentieren, dass diese Interesse bekommen, Teil des Teams zu werden.

Wer auf einen potenziellen neuen Arbeitgeber aufmerksam wird, macht sich einen schnellen Eindruck von ihm bei Instagram und Co. Ist dieser positiv, steigen die Chancen, dass es zu einer Bewerbung kommt. Die sozialen Medien sind der schnellste Weg für transparentes Employer Branding, ohne das es zukünftig nicht mehr gehen wird.

Fazit

Recruiting in der Physiotherapie ist unabhängig von der Professionalität, mit der es erfolgt, immer anspruchsvoll und aufwendig. Es aber nicht zu tun, sorgt nur dafür, dass man irgendwann komplett unattraktiv für Bewerber wird. Physiopraxen müssen zukünftig mehr in Marke, Unternehmenskultur, interne Strukturen und Prozesse investieren, um für junge Arbeitnehmer interessant zu bleiben. Hier sollte man auf jeden Fall auch in andere Branchen blicken, wie diese das bereits umsetzen.

Bildquelle Header: © Jirapong - stock.adobe.com

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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