Physiotherapie

Personal Training als Erfolgsfaktor in der Physiotherapie

Personal Training als Selbstzahlerleistung findet sich bisher noch kaum in einer Physiotherapiepraxis. Im Interview erklärt Marc-Alexander Jonen, warum er die Integration von Personal Training in die Physiotherapie als wichtig empfindet und wie das Zusatzangebot helfen kann, Mitarbeiter zu finden und zu binden.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Marc-Alexander Jonen gründete 2011 das Konzept JONENsports mit dem Schwerpunkt Personal Training.
  • Durch die Integration von Personal Training können sich Physiotherapiepraxen unabhängiger von den Krankenkassen machen.
  • Personal Training gibt Therapeuten außerdem die Möglichkeit, individuell, zielorientiert und ganzheitlich auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen.
  • Die Einstellung der Therapeuten ist dabei die entscheidende Voraussetzung: Hier gilt es anzusetzen und den Therapeuten zu erläutern, nicht der Verkäufer, sondern der Berater zu sein.

BODYMEDIA: Wie sollte sich die Physiobranche deiner Meinung nach ausrichten, um attraktiv zu bleiben?

Marc-Alexander Jonen: Die Bedürfnisse und Werte der Therapeuten sollten an oberster Stelle stehen. Sie sind es, die Wertschöpfung in der Physiotherapie überhaupt erst möglich machen. Daher ist es eine der wichtigsten Aufgaben eines Praxisinhabers, interessante und attraktive Arbeitsbedingungen für seine Angestellten zu schaffen.

Wie diese aussehen, kann er mit seinen Mitarbeitern besprechen, aber klar ist, dass eine Praxis, die zukünftig weiterhin Mitarbeiter anstellen möchte, das Patientenwohl nicht mehr an die erste Stelle setzen sollte. Auch aus der Gewissheit heraus, dass Menschen schnell geholfen werden muss, da ständig neue Patienten nachkommen werden. Die Zeiten der regelmäßigen Entspannungsmassage sind endgültig vorbei.

Ein weiteres großes Thema ist die Frage nach den Abhängigkeiten von externen Faktoren wie den Krankenkassen. Man kann im Gewirr der Heilmittel durchaus wirtschaftlich arbeiten, zumindest als Inhaber. Richtig unabhängig kann man aber erst werden, wenn attraktive Selbstzahlerleistungen etabliert werden können.

BODYMEDIA: Welchen Ansatz hast du für dich gefunden?

Marc-Alexander Jonen: Durch meine Leidenschaft für die persönliche individuelle Betreuung von Menschen, habe ich mich mehr und mehr auf die Premiumdienstleistung konzentriert. Dabei war das Personal Training für mich der Schlüssel zum Erfolg.

In den Anfängen meiner Personal-Trainer-Tätigkeit habe ich für einen absoluten Premiumdienstleister auf der Düsseldorfer Königsallee gearbeitet und mich deutschland- und europaweit ausgezeichnet. 2010 habe ich meine eigene Personal-Trainer-Akademie in meinem Unternehmen JONENsports realisiert und 2016 das größte Personal-Training-Studio Deutschlands im Herzen von Düsseldorf eröffnet.

BODYMEDIA: Wie kann das Personal Training die Physiotherapie unterstützen?

Marc-Alexander Jonen: Das Personal Training schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Die Therapeuten kommen endlich von den teilweise ungeliebten Arbeitsbedingungen an der Bank weg und das gibt ihnen die Möglichkeit, individuell, zielorientiert und ganzheitlich auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen, und zwar ohne Vorgaben eines Arztes oder unter Zeitdruck.

Sie können die Enge des Behandlungsraumes verlassen und sich im großräumigen Trainings- und Therapiebereich austoben, können ihre Taktung von 20 oder 30 Minuten auf z. B. 60 oder 90 Minuten erhöhen und bauen in dieser Zeit eine echte Bindung zum Trainierenden auf, die dann wiederum den Heilungsprozess positiv beeinflussen kann.


Das Personal Training gibt Physiotherapeuten die Möglichkeit, individuell, zielorientiert und ganzheitlich auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen (Bildquelle: © JONENsports)

Personal Training ist eine nicht ganz günstige Selbstzahlerleistung, wodurch der Therapeut eine Wertschätzung erfährt. Letztlich profitieren alle davon, der Patient, der Therapeut und die Praxis.

BODYMEDIA: Aber warum wird das Personal Training in der Praxis noch nicht umfangreich flächendeckend eingesetzt?

Marc-Alexander Jonen: Das ist eine sehr gute Frage. Dafür gibt es mehrere Gründe. Es hängt u. a. wie so oft in der Physiotherapie am Verkauf. Therapeuten haben kein Mindset für den Verkauf von kostenpflichtigen Leistungen. Sie können Zusatzleistungen nicht nur nicht anbieten, sie wollen es auch gar nicht. Es ist ein langer Weg, Therapeuten den Mehrwert von Selbstzahlerleistungen zu verdeutlichen. Und das Team muss dahinter stehen, anders geht es nicht.

Man merkt allerdings einen kleinen Wandel. Junge Therapeuten sind dem Personal Training und dem damit verbundenen Verkauf gegenüber aber immer aufgeschlossener, da sie die positiven Auswirkungen des Personal Trainings bei ihren Kunden wahrnehmen.

Ein weiterer Grund ist, dass viele Praxen noch gar nicht die Infrastruktur für Extra- oder Selbstzahlerleistungen etabliert haben oder bereitstellen können. Zudem stehen nicht ausreichend Kenntnisse zur Verfügung, um Zusatzangebote wie Personal Training bei den Patienten zu realisieren.

Viele Inhaber von Physiopraxen sehen sich nur bedingt als Unternehmer, wodurch ihnen der Blick für das Unternehmen etwas fehlt. Insbesondere dann, wenn es darum geht, Probleme zu erkennen und innovative Lösungen dafür zu entwickeln.

BODYMEDIA: Aber in Praxen sind oftmals nicht nur zahlungskräftige Kunden. Warum bist du überzeugt davon, dass es dir gelingt, eine Vielzahl von Patienten für das Personal Training zu gewinnen?

Marc-Alexander Jonen: Weil unser Angebot oftmals von Menschen mit geringem bis mittelmäßigem Einkommen in Anspruch genommen wird. Mit Sicherheit sind bei dieser Personen- bzw. Einkommensgruppe Grenzen in der Laufzeit der Inanspruchnahme gesetzt. Daher geht die Betreuung sehr oft in die Richtung Hilfe zur Selbsthilfe. Aber die Erfahrung und das Kaufverhalten sowie die sozialen Veränderungen zeigen allgemein, dass die All-inclusive-Mentalität immer mehr schwindet.

Menschen und Patienten sind immer mehr bereit, für gesundheitliche Extraleistungen zu bezahlen. Zudem hat die Gesundheit in den letzten Jahren, auch durch und nach Corona, immer mehr an Stellenwert sowie Bewusstsein gewonnen.

BODYMEDIA: Welche Stundensätze hältst du aufgrund deiner Erfahrung für umsetzbar?

Marc-Alexander Jonen: Wir realisieren beispielsweise mit Personal Trainern, die selbst nach unserer Grundausbildung offiziell noch Auszubildendenstatus haben, Stundensätze zwischen 85 und 120 Euro brutto. Möglich wird das, indem ich ihnen mit meinem Ausbildungsteam das nötige Werkzeug an die Hand gebe, erfolgreich zu sein.


Um Personal Training in der Physiotherapie effektiv anbieten zu können, sollten attraktive räumliche Gegebenheiten geschaffen werden (Bildquelle: © JONENsports)

Die Einstellung bzw. das Mindset ist die entscheidende Voraussetzung! Die Grenzen setzt man sich in der Regel immer selbst. Hier gilt es anzusetzen und den Therapeuten zu erläutern, nicht der Verkäufer, sondern der Berater zu sein. Hierdurch fällt bei ihnen der Druck ab, den sie bei einem Verkauf verspüren. Zusätzlich werden praxisintern Vermittler und Berater ausgebildet, um die Dienstleistung des Personal Trainings zu etablieren.

BODYMEDIA: Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um ernsthaft Personal Training anbieten zu können?

Marc-Alexander Jonen: Um Personal Training erfolgreich umzusetzen, sollten einige Voraussetzungen geschaffen werden. Erst einmal muss die komplette Praxis das Mindset zum Anbieten einer persönlichen Premiumdienstleistung übernehmen und leben.

Dann sollten attraktive räumliche Gegebenheiten geschaffen werden. Natürlich muss das richtige Equipment da sein. Wichtig sind aber auch helle Räume mit ausreichend Platz, die eine angenehme Atmosphäre schaffen.

Im Praxisalltag ist es aber auch nicht ganz einfach, eine Organisationsstruktur für das Personal Training zu schaffen. Hier gilt es, Strukturen zu etablieren, die einen möglichst reibungslosen Ablauf ermöglichen. Dabei geht es um Fragen wie z. B., ob sich das Empfangspersonal auch um ie Personal-Training-Termine kümmert oder eher die Therapeuten selbst, bzw. auch, was bei Terminverschiebungen und Doppelbelegungen passiert. Diese Fragen klingen trivial, müssen jedoch geklärt werden.

Zudem müssen die Therapeuten geschult werden, denn sie sind ja keine ausgebildeten und erfahrenen Personal Trainer. Daher sollten sie im Bereich der Techniken im Bereich Personal Training geschult werden. Hier macht es auf jeden Fall Sinn, mit einem erfahrenen Dienstleister zusammenzuarbeiten, um das Personal Training erfolgreich umzusetzen.

BODYMEDIA: Vielen Dank für das interessante Interview!

Bildquelle Header: © JONENsports

Die Autoren

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

  • Marc-Alexander Jonen

    Marc-Alexander Jonen ist Sportwissenschaftler im Diplomstudiengang in Sportrehabilitation & Psychatrie. Seit 1999 ist er selbstständig und Inhaber bzw. Gründer des JONENsports-Personal-Training-Konzepts mit einer eigenen Personal-Trainer-Ausbildungsakademie. 2016 eröffnete er das größte Personal-Training-Studio in Deutschland. Darüber hinaus ist er Dozent für Hochschulen und Experte im Bereich Personal Training und berät Reha- und Physiotherapie-Praxen.

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