Physiotherapie

Was können Physiotherapeuten beim Recruiting von Netflix lernen?

Wo und wie wollen junge Menschen heutzutage arbeiten? Das ist eine der entscheidendsten Fragen, um sich und seine Praxis langfristig mit Nachwuchskräften zu versorgen. Um zu verstehen, wie junge Menschen heutzutage arbeiten möchten, lohnt sich, wie so häufig, der Blick in andere Branchen.

Überall fehlt es an Arbeitskräften: ob in der Pflege, therapeutischen Berufen oder im Handwerk. Mittlerweile bemerken aber auch große Konzerne, dass sie es nicht mehr so einfach haben wie früher, an Mitarbeiter zu kommen. Und wenn welche eingestellt werden, ist man mit diesen häufig unzufrieden. Mit der richtigen Ausrichtung und Strategie können die vakanten Arbeitsplätze mit geeigneten Personen besetzt werden.

Tech-Unternehmen ganz weit vorne

Nun wird das Geheimnis gelüftet. Wer ist der attraktivste Arbeitgeber für Menschen von 18–bis 29 Jahren? Es ist tatsächlich der amerikanische Streamingdienst Netflix. Zu den Gründen kommen wir gleich, jetzt betrachten wir erst mal die weiteren Plätze. Bosch landet auf Rang 2 und PayPal auf Platz 3. Direkt dahinter kommen Apple und Mercedes. Auf den weiteren Plätzen landen der Spielekonsolenhersteller Nintendo und Nike, die Steigenberger Hotels, Makita und Audi.

Natürlich muss man mit solchen Rankings immer etwas vorsichtig sein, daher konzentrieren wir uns auf die offensichtlichen Stärken der Unternehmen auf den vorderen Rängen. Die Daten kommen übrigens von Markenmonitor BrandIndex, der die Arbeitgeber-Reputation von über 1.500 Marken prüfte. 


Nur wenige junge Therapeuten möchten noch in veralteten, nicht digitalen Strukturen arbeiten (Bildquelle: © peopleimages.com - stock.adobe.com)

Was nicht groß überraschen dürfte, ist, dass sich unter den erstplatzierten Unternehmen sichtbare Marken aus dem Tech-Bereich platzieren. Diese überzeugen nicht nur mit ihrem Auftritt nach außen, sondern schaffen auch eine starke Bindung zu ihren Nutzern und vor allem sind sie digital. Und so sehr viele Physiopraxen sich auch gegen eine Digitalisierung stellen, so sehr wird sie doch von den jungen Nachwuchskräften eingefordert. Man kommt also nicht drumherum, sich digital aufzustellen. 

Das alleine reicht aber nicht aus, um diese nahezu magnetische Anziehung zu erklären. Das Thema, das man hier nicht vernachlässigen darf, ist die Unternehmenskultur. Alle Unternehmen, die oben genannt wurden, sind cool oder vielleicht eher “fresh” und werden dadurch interessant. Da die Art der Unternehmenskultur bei Netflix sehr gut dokumentiert ist, kann man sich sogar anschauen, was das Unternehmen so besonders macht. Die Netflix-Kultur basiert im Besonderen auf fünf Grundsätzen:

  • Die Entscheidungsspielräume der Mitarbeiter werden gefördert.
  • Alle Informationen werden offen, umfassend und bewusst mit Kollegen geteilt.
  • Die Kommunikation ist direkt und ehrlich.
  • Nur, wer effektiv arbeitet, kann bleiben.
  • Mit so wenigen Regeln wie möglich auskommen.

Dazu kommen Urlaub, so viel man möchte, und sehr gute Bezahlung. Das hört sich doch super an, oder? Man hat nur die besten Leute, die man gut bezahlt, lange im Unternehmen hält und es herrscht ein reger Austausch untereinander. Wir gehen gleich noch auf die einzelnen Punkte ein, aber das Modell hat seine eigenen Herausforderungen und Schattenseiten und so sehr sich junge Menschen wünschen, Teil davon zu sein, so wenige entsprechen diesen Anforderungen. 

Netflix-Mitarbeiter können so viel Urlaub machen, wie sie möchten, wenn sie dafür sorgen, dass ihr Arbeitsumfeld nicht darunter leidet. Das macht es insbesondere für junge Menschen attraktiv, die sie ihre Work-Life-Balance so umsetzen können, wie sie es für richtig halten. Zudem ist es ein Zeichen des Vertrauens gegenüber den Mitarbeitern. Interessanterweise wird bei Netflix nicht mehr Urlaub genommen als in anderen Unternehmen, die fixe Urlaubstage vorgeben.

Dieser Punkt ist in einem Beruf wie dem Physiotherapeuten sicherlich etwas schwierig umzusetzen, da im Vergleich zu Netflix die Hauptarbeit nicht aus kreativem Denken besteht. Aber die Strukturen können durchaus etwas angepasst werden, um die Flexibilität zu erhöhen. Wie das aussehen kann, berichtet Tobias Labermeier im Interview.

Wertebasiertes Arbeiten

Bei der Arbeit mit jungen Menschen ist das Thema Kommunikation enorm wichtig. Bei Netflix sollte diese immer offen geführt werden und auch, wenn es Kritik gibt, muss diese direkt geäußert und angenommen werden, egal in welcher Hierarchierichtung. Diese Maßnahme kann das Arbeitsklima durchaus positiv verändern, wenn alle sich darauf einlassen.

Junge Menschen möchten Feedback und erwarten es sogar, schließlich bekommen sie es ständig im Alltag in den sozialen Kanälen, aber es sollte wertschätzend formuliert sein.

Die Punkte “wenige Regeln” und “Förderung von Entscheidungsspielräumen” zahlen auf das Thema Selbstverwirklichung ein, das bei Menschen zwischen 18 und 29 Jahren ebenfalls ein großes Thema ist. 

So kann jeder arbeiten, wie er es für richtig hält, ohne sich an Zwänge halten zu müssen. Spätestens hier zeigt sich aber, dass das Netflix-System nicht für jedermann gemacht ist – eine klassische Führung wird in solch einem System eher schwierig.

Es sind also die Werte Flexibilität, Kommunikation, Feedback und Anerkennung/Wertschätzung, die Netflix so beliebt machen. Hinzu kommt, dass es ein großer Player im Tech-Markt ist und junge Menschen viele Berührungspunkte mit dem Unternehmen haben. Die erstgenannten Punkte sollten sich ebenfalls in der eigenen Unternehmensstrategie wiederfinden und auch deutlich nach außen kommuniziert werden.

Die Integration digitaler Lösungen spricht junge Menschen ebenfalls an. Nur wenige junge Therapeuten möchten noch in veralteten, nicht digitalen Strukturen arbeiten.

Fazit

Ein wichtiger Faktor beim Recruiting in der Physiotherapie ist die Unternehmenskultur. Wenn diese ansprechend für junge Menschen ist, werden sie Interesse am Unternehmen haben. Wichtige Werte innerhalb der Unternehmenskultur sind Flexibilität, Kommunikation, Feedback und Anerkennung/Wertschätzung und das Arbeiten mit digitalen Methoden. Wer sein Unternehmen danach ausrichtet und das entsprechend nach außen kommuniziert, hat die Chance, genau die Bewerber zu erreichen, die er bei sich einstellen möchte.

Bildquelle Header: © peopleimages.com - stock.adobe.com

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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