Industrie

Von InBody zu airtango - Chang-Hun Jo im Interview

Chang-Hun Jo war 15 Jahre für InBody tätig und maßgeblich für den Erfolg des Unternehmens in Deutschland verantwortlich. Als er Ende September bekannt gab, InBody zu verlassen, sorgte dies in der Branche für großes Aufsehen.

Über seine Beweggründe, das Unternehmen zu verlassen, wie der Kontakt zu seinem neuen Arbeitgeber airtango zustande kam und wie er die ersten Wochen dort erlebt hat – darüber haben wir mit ihm im Interview gesprochen.

Hier geht es zum kompletten Interview.

BODYMEDIA: Chang, die Nachricht, dass du nach 15 Jahren InBody verlässt, hat in der Branche für großes Aufsehen gesorgt und kam für viele überraschend. Was waren deine Beweggründe, InBody zu verlassen?

Chang-Hun Jo: Erst einmal möchte ich sagen, dass ich total überwältigt war von den Reaktionen, von den Kommentaren der Leute auf Facebook und allen anderen Kanälen, die mir das Beste gewünscht haben und sich für die gute Zusammenarbeit bedankt haben. Das hat mich sehr berührt und macht mich auch stolz.

Die 15 Jahre waren toll und erfolgreich. Der Erfolg entstand letztendlich durch Krisen und wir hatten nur Krisen (lacht). Wir haben so gekämpft und ich möchte die Jahre nicht missen. Zuerst waren wir nur als Distributor für InBody tätig. 2019 sind wir dann übergegangen zu InBody und wurden die offizielle InBody-Niederlassung für Deutschland. Damit hat sich schon vieles verändert. Es war ein wichtiger und notwendiger Schritt, weil Deutschland strategisch ein wichtiger Markt für InBody auf den globalen Weltmärkten ist und ich habe Verständnis dafür, dass es nicht geht, diesen Markt langfristig einem Distributor zu überlassen.

Der Wandel hin zur Konzernstruktur wurde dann nach und nach vollzogen. InBody ist ein börsennotiertes Unternehmen und da gibt es dann Reportings, bestimmte Protokolle müssen eingehalten werden, was dazu geführt hat, dass wir massiv durchstrukturiert wurden. Das waren absolut notwendige Maßnahmen, die dazu geführt haben, professioneller arbeiten zu können.

Indessen hat sich aber auch die Managementkultur verändert. Ich habe das Unternehmen ja wirklich als Frontmann repräsentiert und die Strategie bestimmt. Ich hatte große Handlungsfreiheit und die war dann logischerweise immer weniger vorhanden. Meine direkte Vorgesetzte war auch CEO von InBody und sie war sehr eng dran am deutschen Markt. Durch diese Veränderung ist dann auch der Wunsch, dass die Firma mehr gemanagt wird, entstanden.

Stärkeres Controlling, stärkeres Reporting, stärkere Administration – das war es, was man sich gewünscht hat, damit die Strukturen und Arbeitsprozesse korrekt ablaufen. Das hat zunehmend dazu geführt, dass ein Konflikt mit mir entstand, weil ich einfach nicht der Administrator bin. Irgendwann kam dann der Moment, um einzusehen, vielleicht bin ich nicht mehr der Richtige für diese Position.

Es ist logisch aber einer gewissen Größe auch mehr Strukturen und Prozesse einzuführen, aber dann braucht man vielleicht einen anderen Manager als jemanden, den ich darstelle. Deswegen ist dieser Wunsch, dort hinzugehen, wo ich meine Fähigkeiten stärker entfalten kann, größer geworden.

BODYMEDIA: Wann kam bei dir erstmals der Gedanke auf InBody zu verlassen? Und wie lange hat es dann gedauert, bis für dich feststand, dass du dich beruflich neu orientieren möchtest?

Chang-Hun Jo: Es gab nie einen Wunsch einer beruflichen Neuorientierung. Ich hatte die Arbeit bei InBody geliebt und ich liebe immer noch die Marke InBody. Das wird sich nie ändern. Ich werde immer mit dieser Marke verbunden bleiben. Die Idee eine neue Stelle anzutreten ist daraus entstanden, dass ich einfach keine Luft mehr bekommen habe in dem Unternehmen. Ich hatte das Gefühl, ich muss hier weg und ich muss eine neue Herausforderung suchen, damit ich wieder atmen kann. So habe ich mich gefühlt.

Letztes Jahr hatte ich schon innerlich zu kämpfen. Das sind keine Vorwürfe gegenüber des Managements bei InBody, sondern ist einfach der Tatsache geschuldet, dass die Kultur, die InBody haben möchte, nicht zu meiner Person passt. Beide Positionen waren schwer zu vereinbaren.

Als im März mein Vater verstarb, war das Ganze für mich auch emotional sehr schwer zu verarbeiten. Aus dieser Situation heraus habe ich dann den Mut geschöpft, zu sagen, ich muss einen neuen Weg bestreiten, weil das Leben ist endlich und die Lebenszeit kostbar.


Chang-Hun Jo im BODYMEDIA-Interview (Bildquelle: © BODYMEDIA)

BODYMEDIA: Wie und wann kam der Kontakt zu airtango zustande? Und wann stand für dich fest, dass das dein neuer Arbeitgeber wird?

Chang-Hun Jo: Ich kannte Steffen Knödler, den Hauptgesellschafter von airtango, knapp ein Jahr. Wir haben uns sehr gut verstanden und gut miteinander ausgetauscht. Wir haben zusammen mit anderen Branchenkollegen ein schönes Event auf Ibiza gemacht und haben uns dort dann besser kennengelernt, ohne irgendeinen Hintergedanken zu haben, dass wir beruflich zueinander finden könnten.

Als er von meiner Kündigung hörte, kam er dann im Mai auf mich zu. Er sagte, er wolle ein Gespräch mit mir führen und mir dabei tief in die Augen schauen (lacht). Als wir dann das Gespräch hatten, hat er mir offenbart, dass er sich vorstellen kann, mich als weiteren Geschäftsführer bei airtango zu integrieren, damit er sich ein wenig aus dem operativen Geschäft zurückziehen kann.

Ich schätze Steffen als Person sehr, wusste aber nicht, wie er arbeitet und ob das mit mir passen könnte. Dann gab es vor Ort mit mir ein intensives Kennenlerngespräch. Ich habe das Team kennengelernt und ich habe zahlreiche Fragen zum Geschäftsmodell gestellt.

Ich habe festgestellt, dass die Kommunikation mit den Geschäftsführern und Gesellschaftern extrem konstruktiv war. Wir haben schwierige Themen besprochen. Dabei wurde keiner Frage ausgewichen, sondern es wurde Klartext gesprochen. Das hat mir extrem gut gefallen. Da habe ich dann unabhängig vom Geschäftsmodell gemerkt, das ist ein Arbeitsumfeld, das funktioniert.

BODYMEDIA: Seit 1. Oktober bist du nun bei airtango. Wie fällt dein erstes Fazit zu den ersten Wochen aus? Welche Eindrücke hast du vom Unternehmen, den Produkten und den neuen Kollegen?

Chang-Hun Jo: Es ist eine extrem intensive, aber auch konstruktive Anfangszeit gewesen. Die Einarbeitung ging schnell. Wir haben sofort Pläne geschmiedet und eine Strategie entworfen für die nächsten Schritte, die wir machen möchten. Da sind tolle Dinge entstanden, auf die ich mich sehr freue.

BODYMEDIA: Du bist Teil der Geschäftsführung bei airtango. Um welche Aufgabenbereiche wirst du dich in Zukunft schwerpunktmäßig kümmern?

Chang-Hun Jo: Mein Co-CEO ist Marcus Schlosser. Er hat das Unternehmen in den letzten vier bis fünf Jahren hervorragend nach vorne gebracht. Aber das Operative und Administrative war dann insgesamt doch zu viel für eine Person. Jetzt haben wir die Aufteilung, dass er sozusagen der Innenminister ist und ich der Außenminister. So kann man das bildlich ganz gut darstellen.

BODYMEDIA: Welche Potenziale siehst du bei airtango und bei den Produkten? Wo siehst du noch Verbesserungspotenzial? Und welche To-dos stehen derzeit ganz oben auf deiner Liste?

Chang-Hun Jo: airtango ist eine Marke, die aktuell unter dem Radar läuft. Von der Dienstleistung, die wir anbieten, ist die Relevanz in der Priorisierung ganz unten. Die Strategie, die bisher gefahren wurde, war stärker nach innen gerichtet. Es ging darum, Strukturen und Fundamente zu bauen, das Produkt fertig zu entwickeln und die ersten Kunden zu gewinnen. Jetzt haben wir einen Kundenstamm von etwa 1.000 Studios in Deutschland. Das ist als Ausgangsbasis gut. Jetzt erst können wir kommunizieren. Und die Kommunikation ist bis jetzt liegen geblieben, weil es noch nicht viel zu kommunizieren gab. Das ist jetzt die Rolle, die ich einnehmen soll.

Ich denke, dass airtango deswegen so spannend ist, weil wir eine Dienstleistung bieten, die dem Studiobetreiber erst einmal nichts abverlangt. Der Betreiber muss nichts investieren. Wir bringen direkt eine Wertschöpfung. Zudem streamen wir sehr hochwertigen Content auf die Bildschirme für die Mitglieder, was sie toll finden werden. Wir verdienen unser Geld durch Werbung, die auf den Screens zu sehen ist. Die Werbung wird automatisch hochgeladen, das ist alles digitalisiert und automatisiert. Und dann kommt noch hinzu, dass das Studio durch die Vermarktung der Werbeflächen Geld verdienen kann. Dabei unterstützen wir die Studios sehr stark. Das Tolle finde ich, dass wir etwas anbieten und dafür keine Hand aufhalten.

BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.

Bildquelle Header: © BODYMEDIA

Der Autor

  • Constantin Wilser

    Constantin Wilser ist seit 2006 in der Fitnessbranche als Redakteur tätig. Davor absolvierte er sein Bachelor-Studium der Sportwissenschaften am KIT in Karlsruhe. Seit 2019 ist er Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktionsteams. Seit Anfang 2023 ist er Chefredakteur. In seiner Freizeit trainiert der Fußball-Fan gerne im Studio, geht laufen oder fiebert im Fußball-Stadion mit.