Recht

Wenn das Wasser bis zum Hals steht

Seit dem 1. Mai gelten die Insolvenzantragsfristen wieder. Die mehrfach verlängerte Aussetzung der Insolvenzanmeldungsfrist, zuletzt nur noch für überschuldete Unternehmen, ist Geschichte. Und nun?

Das Wichtigste in Kürze

  • Wenn ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, muss schnellstmöglich ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen
  • Durch eine funktionierende Liquiditätsplanung und Überwachung kann man eine Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung prüfen
  • Der Unternehmer braucht ein System, welches ihm hilft abzuschätzen, welche Zahlungseingänge erwartet werden und welche Zahlungsausgänge dem gegenüberstehen
  • Der Cashflow und die Rücklagen sollten im Blick behalten werden

Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet, muss ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden. Es ist Eile geboten: Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig, bleiben 3 Wochen, bei Überschuldung 6 Wochen, bis zur Stellung des Insolvenzantrages. Die Folgen verspäteter Antragstellung sind für den Geschäftsführer unangenehm. Neben der Strafandrohung – Freiheitstrafe von bis zu 3 Jahren – kann es zu erheblichen wirtschaftlichen Ansprüchen gegen den Geschäftsführer kommen. 

Die Prüfung der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Überschuldung erfordert eine funktionierende Liquiditätsplanung und Überwachung; ein Instrument, das vielen kleinen Unternehmungen schlichtweg fehlt. Eine Antragstellung erfolgt häufig zu spät. Wenn Sie merken, dass Sie Zahlungsziele nicht halten oder gar Ihre Rechnungen nicht mehr vollständig bedienen können, kann es schon zu spät sein. Aber was ist konkret zu tun?

Behalten Sie Ihren Cashflow und Ihre Rücklagen im Blick

Der Unternehmer braucht ein System, welches ihm hilft abzuschätzen, welche Zahlungseingänge erwartet werden und welche Zahlungsausgänge dem gegenüberstehen. Die vom Steuerberater bemühte betriebswirtschaftliche Auswertung ist dazu nicht geeignet. Der tatsächliche Cashflow entspricht nicht dem vorläufigen Betriebsergebnis. Die betriebswirtschaftliche Auswertung gibt nicht wieder, welche Verbindlichkeiten zu bedienen sind. Sie gibt außerdem nicht wieder, wenn Kunden länger bestehende Forderungen zahlen oder wenn Kunden endgültig ausgefallen sind. Besprechen Sie mit Ihrem Steuerberater oder Ihrem kaufmännischen Leiter, wie ein solches System eingeführt werden kann.

1. Checken Sie Ihre Risiken

Die Beratungspraxis zeigt: Unternehmungen rutschen häufig aufgrund gelebter Hemdsärmeligkeit in die Krise. Nicht selten wird dem Unternehmer der Umgang mit der Sozialversicherung, den Krankenkassen, dem Finanzamt oder dem öffentlichen Zuwendungsgeber zum Verhängnis. Stein des Anstoßes – oder auch Stein des Todesstoßes – ist eine Betriebsprüfung oder die Rückforderung von öffentlichen Zuwendungen. Kapitaleinlagen sollten vollständig eingezahlt sein, sonst wird ein Insolvenzverwalter eine Zahlung einfordern.
 

Verträge zwischen dem Unternehmer und dem Unternehmen sollten insolvenzsicher gestaltet werden 
 

Gehen Sie ein unternehmerisches Risiko bewusst ein. Prüfen Sie regelmäßig, welche Risiken in Ihrem unternehmerischen Handeln stecken. Haben Sie beispielsweise die Gutscheinlösung im Rahmen der Corona-Pandemie steuerrechtlich richtig verarbeitet, wurden bei Beantragung der November-, Dezemberhilfe und der Überbrückungshilfe alle rechtlichen Anforderungen erfüllt bzw. hatte Ihr prüfender Dritte alle erforderlichen Informationen, haben Sie die Kompensationsoptionen Ihrer Mitglieder richtig dokumentiert? Verlassen Sie sich hierbei nicht auf Ihren Steuerberater. Verträge zwischen Ihnen und Ihrem Unternehmen sollten „insolvenzsicher“ ausgestaltet sein. Sie sollten die Risiken verstehen und bewerten und daraus Ihre Handlung ableiten.

2. Sunk Costs

Vor Kurzem haben wir einen Unternehmer bei der Implementierung eines Cryo-Sauna-Konzeptes unterstützt. Noch vor Fertigstellung hat sich herausgestellt, dass das Projekt nicht wie geplant performen wird. Der Unternehmer war davon überzeugt, dass es auf die (zusätzlichen) 15.000 EUR auch nicht mehr ankomme, weil er schon so viel Geld investiert hatte. Wenn die Rentabilität eines Projektes nicht gewährleistet ist, dann brechen Sie ab! Egal in welchem Umsetzungsstadium. Versunkene Kosten (egal wie viel) sind kein Argument für weitere Kosten. 

3. Aktuelle Zahlen

Steuerberater haben Hochkonjunktur. Das Abarbeiten der laufenden Buchhaltung funktioniert meist nur schleppend. Sorgen Sie für ein möglichst aktuelles Zahlenwerk und stehen Sie Ihrem Buchhalter oder Steuerberater auf den Füßen. Je schlechter es Ihrer Unternehmung geht, desto aktueller muss das Zahlenwerk sein.

4. Vorübergehender Engpass oder handfeste Krise

Wenn Sie daran zweifeln, dass Sie Ihre Verbindlichkeiten tragen können, sollten Sie umgehend einen Fachmann mit der Prüfung Ihrer Insolvenzreife beauftragen. Es kommt auf Tage an. Bestenfalls suchen Sie sich einen Rechtsanwalt mit vertieftem Wissen im Insolvenz- und Steuerrecht oder einen Wirtschaftsprüfer mit Sanierungserfahrung. Auch Steuerberater können insolvenzrelevante Analysen erstellen, allerdings selten der Wald-und-Wiesen-Steuerberater, welchen man mandatiert hat, weil er „günstig“ oder „ortsnah“ ist. 

Der Insolvenzantrag muss nicht das Ende sein

Die Alternative zum Regelverfahren ist die Insolvenz in Eigenverwaltung. Ordnet das Insolvenzgericht bei Insolvenzeröffnung die Eigenverwaltung an, darf der Schuldner weiterhin selbst sein Vermögen verwalten und hierüber verfügen. 
 

Wer von einer Insolvenz betroffen ist, sucht sich bestenfalls einen Rechtsanwalt mit vertieftem Wissen im Insolvenz- und Steuerrecht oder einen Wirtschaftsprüfer mit Sanierungserfahrung. Wer von einer Insolvenz betroffen ist, sucht sich bestenfalls einen Rechtsanwalt mit vertieftem Wissen im Insolvenz- und Steuerrecht oder einen Wirtschaftsprüfer mit Sanierungserfahrung
 

Im Regelverfahren kann der Geschäftsführer und/oder Unternehmer keine unternehmerischen Entscheidungen treffen. Er wird vom Insolvenzverwalter abgelöst. Bei einer Eigenverwaltung liegt dies anders: Der Geschäftsführer bleibt Geschäftsführer. Seine oder ihre Kenntnisse und Fähigkeiten können für das Insolvenzverfahren genutzt werden. Zudem kann die Möglichkeit der Eigenverwaltung einen Anreiz für die Geschäftsführung des Schuldners darstellen, den Insolvenzeröffnungsantrag frühzeitig zu stellen. In der Praxis verbindet man einen Antrag auf Eigenverwaltung regelmäßig mit der Aufnahme eines Sanierungsfachmannes in das Management. Dieser Sanierungsexperte soll das erforderliche Vertrauen in eine ordnungsgemäße Verfahrensabwicklung schaffen und die Akzeptanz der Eigenverwaltung durch die betroffenen Gläubiger erhöhen.

Sollten in Ihrem Betrieb insolvenzabwendende Maßnahmen notwendig werden, können Anwalts- und Gerichtskosten von bis zu 20.000 Euro pro Monat für die insolvenzabwendende Restrukturierung von Unternehmen in einer drohenden Zahlungsunfähigkeit im Rahmen der Überbrückungshilfe III Plus gefördert werden.

Die Thematik kann aufgrund der Komplexität nicht in einem journalistischen Beitrag abgehandelt werden. Es bleibt eindringlich anzuraten: Nehmen Sie Ihre Verantwortung als Geschäftsführer und Unternehmer ernst.

Der Autor

  • Julian Akich

    Rechtsanwalt Julian Akich ist seit Oktober 2016 kaufmännischer Geschäftsführer einer Firmengruppe. Daneben hält er kleine Beteiligungen an alten und jungen Unternehmen. Er berät Unternehmer, Geschäftsführer und Freiberufler, ohne zwischen rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu trennen. Schwerpunktmäßig wird Herr Rechtsanwalt Akich bei Firmentransaktionen, Steuergestaltungen und Sanierungen bemüht. Seit 2020 in Bürogemeinschaft mit der Wülfrath & Partner PartGG.  Web: wirtschaftskanzlei-akich.de
     

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