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Das sollten Physiounternehmer vor dem Praxisverkauf beachten

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Wer einen guten Verkaufspreis für seine Physiopraxis erzielen möchte, sollte sicherstellen, dass sich diese in einem möglichst optimalen Zustand befindet. An welchen Stellschrauben gedreht werden kann, um das zu erreichen, erfahren Sie in diesem Artikel.

Wie Achim Brüser in seinem Artikel richtigerweise schreibt, sollte eine Physiopraxis optimalerweise dann verkauft werden, wenn sie floriert, und nicht erst dann, wenn bereits die ersten Mitarbeiter das langsam sinkende Schiff verlassen und der Umsatz sowie die Gewinne dadurch zurückgehen. Daher sollte man sich als Inhaber frühzeitig mit dem Thema Praxisnachfolge beschäftigen, um handlungsfähig zu bleiben und die Profitabilität der Praxis möglicherweise sogar noch zu verbessern. An welchen Stellschrauben dafür gedreht werden kann, schauen wir uns im Folgenden an.

Kalkulation wie Gehaltserhöhungen bereits durch eine Neueinstellung ausgeglichen werden können
Das Beispiel zeigt, dass die Gehaltserhöhungen bereits durch eine Neueinstellung ausgeglichen werden können. Alle weiteren Neueinstellungen erzeugen einen zusätzlichen Deckungsbeitrag bzw. Mehrgewinn (Bildquelle: © ETL ADVISION)

Beginnen wir aber erst einmal mit einem Blick auf die aktuellen Kennzahlen der physiotherapeutischen Praxen. Ende 2023 gab es 50.333 zugelassene Physiotherapiepraxen in Deutschland1. Physio Deutschland geht aktuell davon aus, dass in Deutschland etwa 203.000 Physiotherapeuten in Praxen arbeiten. Damit arbeiten durchschnittlich 5 Therapeuten in einer Praxis. Wie unsere Abbildung zeigt, sind größere Praxen mit einem Umsatz ab 500 TEUR dabei tendenziell profitabler als die klassische inhabergeführte Praxis mit ein bis zwei angestellten Physiotherapeuten. Und genau das wird wichtig, wenn die Praxis verkauft werden soll. Denn um den höchstmöglichen Verkaufserlös für die eigene Praxis zu bekommen, sollten nicht nur die Umsätze, sondern auch die Profitabilität gesteigert werden.

Glücklicherweise ist diese Optimierung zu großen Teilen jederzeit und auch kurzfristig möglich. Um das zu schaffen, kann der Inhaber an folgenden Stellschrauben drehen: der Mitarbeitergewinnung, dem Mitarbeitervergütungssystem, den PKV-Preisen, der Organisation der Mitarbeiter sowie dem Ausbau des Praxisangebots und der Unabhängigkeit der Praxis.

Mehr Mitarbeiter = mehr Gewinn

Eine der größten Stellschrauben für die Praxis-Profitabilität ist die Mitarbeitergewinnung. In Zeiten des Fachkräftemangels ist sie allerdings etwas schwieriger zu drehen. Ob sich ein Physiotherapeut für eine Praxis interessiert, hängt von vielen Faktoren ab. Nicht zuletzt davon, wie viel er verdient. Dabei sind sich viele Inhaber unsicher, wie viel Gehalt sie einem neuen Therapeuten bezahlen können, um Mehrgewinne zu erzielen und gleichzeitig das Lohngefüge der derzeitigen Mitarbeiter nicht zu zerstören. Die Situation wird dadurch erschwert, dass in den sozialen Medien immer wieder Angebote auftauchen, die Therapeuten nicht nur ein deutlich überdurchschnittliches Gehalt, sondern auch Einmalzahlungen wie z. B. Wechselprämien anbieten.

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Aber, und das ist zur Abwechslung mal eine gute Nachricht, ermöglichen die durchgeführten GKV-Vergütungserhöhungen Praxisinhabern einen größeren finanziellen Spielraum für Neueinstellungen. Dadurch wird die Praxis interessanter für Bewerber. Zusätzlich kann aber auch das Gehalt der bestehenden Therapeuten angepasst werden. Unsere Kalkulation in Tab. 1 zeigt, dass die Gehaltserhöhungen durch das Einstellen eines neuen Mitarbeiters ausgeglichen werden können. Eine mögliche Gehaltserhöhung oder Sonderzahlung kann ein Anreiz für die Mitarbeiter sein, sich selbst auf die Suche nach neuen Kollegen zu begeben und so den Inhaber zu unterstützen. Damit haben wir auch die perfekte Überleitung zur nächsten Stellschraube, nämlich dem Mitarbeitervergütungssystem.

Die Mitarbeiter am Erfolg teilhaben lassen

Wie wir gerade gesehen haben, kann es sich positiv auf die Mitarbeitergewinnung auswirken, wenn die bestehenden Mitarbeiter neue Therapeuten empfehlen. Aber auch die Profitabilität der Praxis profitiert von einem leistungsabhängigen Bonussystem für die Mitarbeiter. Denn wer seine Mitarbeiter am Unternehmenserfolg teilhaben lässt, bindet sie langfristig an sich und beugt dadurch dem Verlust von Umsatz vor. Dabei kann das Bonussystem auf verschiedenen Faktoren aufbauen wie z. B.dem erzielten Umsatz bzw. Gewinn, den Anwesenheits- bzw. Krankheitstagen oder dem Verkauf von Zusatzleistungen wie Mitgliedschaften in einem angeschlossenen Trainingsbereich.

Mindmap von Einflussfaktoren für die Erzielung eines bestmöglichen Verkaufspreises
Einflussfaktoren für die Erzielung eines bestmöglichen Verkaufspreises (Bildquelle: © ETL ADVISION)

In vielen Unternehmen und Branchen ist es üblich, die Mitarbeiter am Umsatz zu beteiligen, wenn das Geschäftsjahr gut lief. Ein Modell, welches den Auslastungsgrad steigern kann, hat sich da besonders bewährt. Orientiert man sich an die häufigste GKV-Position – KG Einzel, 20501 im 20-Minuten-Takt, mit einer Vergütung 28,91 EURO * 3 = 86,73, als rein produktiver Stundensatz, ist hier z. B. viel Umsatzpotential gegenüber der 30-Minuten-Taktung. Der Verdienst bei 3 Behandlungen beträgt also rund 86 Euro. Wie kann diese Maßnahme nun die Profitabilität der Praxis steigern?

Da diese erst ab einem bestimmten Umsatz-Schwellenwert greift, werden die Physiotherapeuten motiviert, mögliche Lücken in ihrem Behandlungsplan eigenständig zu schließen und umsatzsteigernde Maßnahmen anzubieten. Zusätzlich erhält der Therapeut eine Wertschätzung für seine Arbeit.

Was hingegen relativ selten bisher genutzt wird, sind Bonuszahlungen für die Anwesenheit. Mitarbeiter, die wenig bis gar nicht krank sind, könnten vom Inhaber einen monatlichen Bonus für die Monate im Jahr erhalten, in denen sie keine Krankheitstage haben. So könnte z. B. jeder Mitarbeiter 100 € für jeden Monat, in dem er keine Krankheitstage hat, erhalten. Dadurch reduzieren sich Ausfallzeiten, was sich wiederum positiv auf die Profitabilität der Praxis auswirkt.

Hat die Physiopraxis eine Möglichkeit, Patienten in einen Selbstzahlerbereich zu überführen, kann der Therapeut für jede Empfehlung, die in einer Mitgliedschaft endet, belohnt werden. Ganz wichtig ist, dass das System für alle Mitarbeiter transparent und fair ausgearbeitet wird, um potenzielle Unstimmigkeiten innerhalb der Belegschaft zu vermeiden, wenn die Mitarbeiter sich untereinander austauschen.

Physiotherapeuten von administrativen Aufgaben befreien

Ein weiterer Weg, um die Praxis-Profitabilität zu steigern, insbesondere dann, wenn sich die Praxis durch eine überdurchschnittliche Behandlungsqualität, das Praxiskonzept oder die Praxisausstattung auszeichnet, sind die PKV-Preise. Wenn die Praxis gut ist, können auch Preise oberhalb der beihilfefähigen Höchstsätze durchgesetzt werden. Das birgt natürlich auch ein höheres Risiko für Diskussionen mit den Patienten oder die Gefahr, diese sogar zu verlieren. Daher sollte man diese langsam steigern. Die Erfahrung zeigt, dass viele Patienten den Weg mitgehen, wenn sie der Praxis vertrauen.

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Es gibt immer noch Physiopraxen, in denen die Therapeuten administrative Aufgaben wie Rezeption, Rezeptabrechnung und Verwaltung übernehmen. Betriebswirtschaftlich gesehen ist das in den meisten Fällen nicht lukrativ, da diese Zeit bei der eigentlichen Arbeit am Patienten fehlt.

Da gerade mit dieser Arbeit der Umsatz generiert wird, sollten einfach administrative Tätigkeiten von einem oder mehreren Mitarbeitern auf geringfügiger Basis durchgeführt werden. Dann können sich die Mitarbeiter auf ihre therapeutische Arbeit konzentrieren und somit ihre wirtschaftliche und medizinische Effizienz steigern. Abb. 1 zeigt, wie viel mehr Umsatz eine Physiopraxis erwirtschaften kann, wenn eine Verwaltungskraft mitarbeitet. 

Die Praxis auf Hochglanz bringen

Will man ein Auto verkaufen, richtet man es noch mal so richtig schön her. Die Felgen werden geschrubbt, der Innenraum ausgesaugt und eventuelle Lackschäden werden ausgebügelt. So sollte es beim Praxisverkauf auch sein. Eine moderne und gut gestaltete Praxis ist für einen Käufer in den meisten Fällen attraktiver als eine Praxis, die in den letzten 25 Jahren nicht modernisiert wurde.

Auch hier ist es betriebswirtschaftlich wieder sinnvoll, langfristig zu denken, statt überstürzt alles neu zu machen, weil jetzt verkauft werden soll. Bei der langfristigen Modernisierung können die Kosten über mehrere Jahre gestreckt werden. Zudem profitieren die Mitarbeiter und Therapeuten früher von den Modernisierungen.

Ein weiterer Faktor beim Praxisangebot ist die Erweiterung des therapeutischen Angebots. Wer z. B. eine EAP oder einen Selbstzahlerbereich integriert hat, ist aufgrund der damit verbundenen Umsätze attraktiver für einen Käufer.

Die Praxis sollte unabhängig vom Inhaber sein

Für einen potenziellen Käufer ist es positiv, wenn der wirtschaftliche Erfolg sowie das Gesamtkonzept einer Praxis nicht ausschließlich an den ausscheidenden Inhaber gebunden sind. Bei einer unabhängigen Praxis hat ein potenzieller Käufer keine Angst, einen Großteil der Patienten zu verlieren, da diese an die Praxis sowie deren Therapeuten gebunden sind und nicht an den ausscheidenden Praxisinhaber.

Sobald sich der Praxisinhaber mit einem Verkauf auseinandersetzt, sollte sich dieser langsam aus dem operativen Geschäft zurückziehen und die Verantwortung mehr und mehr an sein Team übertragen. Dieses sollte dann in den Vordergrund gestellt werden, während der Praxisinhaber selbst mehr und mehr als Teil des Teams wahrgenommen wird. Um das zu unterstützen, kann im Vorfeld eines Verkaufs bereits eine fachliche Leitung oder ggf. sogar ein Standortleiter integriert und eingearbeitet werden. Zudem sollten die Verwaltungstätigkeiten des ausscheidenden Inhabers an einen Mitarbeiter übertragen werden.

Liniendiagramm eines Profitabilitäts-Vergleichs einer optimierten und einer nicht-optimierten Praxis
Profitabilitäts-Vergleich einer optimierten und einer nicht-optimierten Praxis (Bildquelle: © ETL ADVISION)

Eine optimierte Praxis lohnt sich aber nicht nur dann, wenn die Praxis verkauft werden soll. Denn wenn die Praxis bei gleichbleibender Arbeitsleistung mehr Profit generiert, kann der Inhaber seine eigene Arbeitsleistung reduzieren und trotzdem von den Einnahmen der Praxis leben. Zusätzlich hat der Praxisinhaber bei höherem Ertrag mehr finanzielle Rücklagen für einen möglichen Krisenfall.

Zum Abschluss wollen wir uns einmal den klassischen Fehler vieler Praxisinhaber der letzten Jahre anschauen, um ihm direkt vorzubeugen. Aus unterschiedlichen Gründen büßen viele Heilmittelpraxen Umsätze bis zu 50 % ein. Dadurch geht die Anzahl der Mitarbeiter zurück, es werden weniger Patienten angenommen und es fehlt das Geld für die nötigen Investitionen. Irgendwann stellt der Inhaber dann fest, dass sich ein Praxisverkauf kaum noch für ihn lohnt, und die Praxis schließt einfach.

Was also sollte man anders machen? Wer verstärkt in die Praxis investiert und diese optimiert, wird am Ende einen höheren Verkaufspreis erzielen. Es lohnt sich also auch finanziell für den Inhaber, zum Ende des Berufslebens noch einmal zukunftsorientiert für die Praxis zu denken.

Fazit

Wie so oft im Leben zahlt es sich auch beim Verkauf der eigenen Physiopraxis aus, langfristig zu denken. Wer sich früh genug mit dem Gedanken an einen Verkauf beschäftigt, hat ausreichend Zeit, seine Praxis zu optimieren, um einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Dabei spielen die Mitarbeiter eine wesentliche Rolle, denn sie gehören zum größten Gut, das eine Physiopraxis hat. Aber auch die anderen Stellschrauben sind nicht zu unterschätzen und tragen einen wichtigen Teil zur Praxisoptimierung bei.

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Textquelle 1: www.etl-advision.de/aktuelles/etl-advision-und-tt-digi-veroeffentlichen-2-eckdatenstudie-physiotherapie

Die Autoren

  • Jonathan Schneidemesser

    Er war von 2015 bis 2023 Chefredakteur der BODYMEDIA Fachmagazine. 2017 etablierte er mit der BODYMEDIA Physio ein Business-Magazin im Physio-Bereich. Nach einer etwa einjährigen Pause als Leiter eines therapeutischen Fitnessstudios kehrte er 2024 als Stellver. Chefredakteur zur BODYMEDIA zurück. 

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