Physiotherapie

Kieser-CEO Michael Antonopoulos über die Synergien von Training und Physiotherapie

Bildquelle: © 2024 Paolo Dutto Photographer - dutto.photo

Kieser hat im April in Dortmund die erste Physiotherapiepraxis in Deutschland eröffnet. Warum Kieser sein Angebot um Physiotherapie erweitert, wie man sich auf dem umkämpften Markt behaupten möchte und wie die Expansionsziele aussehen, darüber haben wir mit Michael Antonopoulos, CEO bei Kieser, gesprochen.

BODYMEDIA: Wann haben Sie sich erstmals damit befasst, das Leistungsspektrum von Kieser im DACH-Raum um Physiotherapiepraxen zu erweitern? Gab es ein Vorbild, an dem Sie sich orientiert haben?

Michael Antonopoulos: Der Zusammenhang der Bereiche Training und Physiotherapie ist die grundlegende Basis dafür gewesen, die Marke Kieser ins Leben zu rufen, denn sie überlagern sich aus unserer Sicht per se sehr stark.

Bereits Ende der 80er-Jahre eröffnete Gabriela Kieser in der Schweiz ihre erste Praxis für medizinische Kräftigungstherapie im unmittelbaren Umfeld eines Kieser-Studios. Sie arbeitete dort mit speziell konzipierten MedX-Geräten und verfolgte das Ziel, die Bereiche Training und Therapie miteinander zu vereinen, damit die Ursache einer körperlichen Beschwerde optimal und dauerhaft behoben werden konnte – nicht nur ihre oberflächliche Auswirkung. Auf diesem Grundstock setzen wir heute auf, indem wir Physiotherapie als integralen Bestandteil des Kieser-Konzeptes etablieren.

Genauso waren – und sind – auch unsere australischen Kollegen in diesem Bereich sehr prägend für uns, da sie ihren Fokus ab dem Jahr 2010 auf die logische Verbindung von Physiotherapie und Krafttraining gelegt haben und damit Vorreiter auf dem australischen Physiotherapiemarkt sind. Im DACH-Raum existieren bereits langjährige Partnerschaften zwischen Kieser und Physiotherapiepraxen, die räumlich unmittelbar aneinander angeschlossen sind. Wir blicken also in diesem Wirkungsbereich auf ein ganz schönes Stück Historie zurück.

BODYMEDIA: Im April eröffnete die erste deutsche Physiotherapiepraxis von Kieser in Dortmund. Wie fällt Ihr erstes Fazit aus? Womit sind Sie zufrieden, in welchen Bereichen sind Optimierungen erforderlich?

Michael Antonopoulos: Unsere Praxis am Standort in Dortmund wird sehr gut angenommen, was uns grundlegend positiv stimmt. Wir sind sogar jetzt schon dabei, unsere Teams zu erweitern, damit wir die Kapazitäten erhöhen und somit der Nachfrage entsprechen können. Der Austausch mit unseren Kolleginnen und Kollegen vor Ort ist sehr engmaschig und wir haben die Rückmeldung erhalten, dass sich Nutzer der Physiotherapie die Waage halten aus bereits bestehenden Kieser-Mitgliedern und neuen Kunden.

Es wird sicherlich einige Bereiche geben, in denen wir Optimierungspotenzial haben. Um diese genau zu definieren, ist es aktuell noch etwas verfrüht. Wir nutzen aber auch die Synergien zu unseren Kollegen in den bereits eröffneten Kieser-Physiotherapiepraxen in der Schweiz und haben eine Art Best-Practice-Runde zwischen ihnen eröffnet, in der sie sich auf fachlicher Ebene austauschen und voneinander profitieren und lernen können.

Personal Trainer mit Fitnessstudiomitglied an einem Beweglichkeitsgerät
Kieser hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit physischen Schwächen in Menschen mit physischen Stärken zu verwandeln (Bildquelle: © Physio Family Koblenz)

BODYMEDIA: Wie ist das Businessmodell Physiotherapie bei Kieser im Detail gestaltet?

Michael Antonopoulos: Das Angebot in unseren Physiotherapiepraxen stützt sich mit klarem Fokus auf die aktive Therapie. Die von uns eigens konstruierten, medizinisch wissenschaftlichen Geräte bieten einen unschlagbaren Vorteil, den andere so nicht abbilden können.

Die Regularien für das Betreiben einer Physiotherapiepraxis variieren gerade in Deutschland und der Schweiz stark. Während in Deutschland eine Auswahl an gesundheitszertifizierten Trainingsgeräten in den Physiotherapieräumen von Kieser selbst steht, wurde in unseren Praxen in der Schweiz ein Transferbereich entwickelt, der einen flüssigen Übergang zwischen Physiotherapie und Trainingsmaschinen ermöglicht.

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Unser Businessmodell besteht darin, kombinierte Angebote von Training und Therapie zu entwickeln und damit die individuellen Ziele der Patienten zu verstehen, sie aktiv in den Behandlungsprozess einzubeziehen und sie zeitnah in ihre Eigenverantwortung zu überführen. Diese Wertschöpfungskette ermöglicht es uns, noch früher in den Genesungsprozess involviert zu sein und noch effizienter im Team zwischen Therapeuten und dem Kieser-Studiopersonal agieren zu können.

Inwiefern die Erfahrungen aus der Physiotherapie auch zur Entwicklung von neuen Kieser-Geräten führen werden, das werden die nächsten Jahre zeigen. In der Vergangenheit im Zusammenhang mit der medizinischen Kräftigungstherapie war dies bereits der Fall. Daher sind wir auch jetzt  sehr offen dafür und gespannt, welche Auswirkungen das Zusammenspiel von Training und Therapie auf unsere Forschungs- und auch Maschinenentwicklungsabteilung haben wird.

BODYMEDIA: Welche Synergien bieten Training und Physiotherapie Ihrer Meinung nach? Wie können der Fitness- und Physiotherapiebereich in Kieser-Anlagen voneinander profitieren?

Michael Antonopoulos: Kieser hat es sich zum Ziel gesetzt, Menschen mit physischen Schwächen in Menschen mit physischen Stärken zu verwandeln, um ihre Lebensqualität dauerhaft zu sichern oder zu erhöhen. Mit der neuen Kieser-Physiotherapie direkt unter einem Dach mit dem Kieser-Training bieten wir Interessierten eine Spitzenversorgung für den Bewegungsapparat mit gut ausgebildetem Personal an, welches effektiv und im Sinne der Langzeitprävention durch Krafttraining arbeitet.

Wir sind davon überzeugt, dass sich diese Wechselwirkung auf die Attraktivität von Kieser sowie auf die Kieser-Physiotherapie gleichermaßen positiv auswirkt.

BODYMEDIA: Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen, speziell in Deutschland, wenn es um die Eröffnung und das Führen einer Physiotherapiepraxis geht?

Michael Antonopoulos: In Deutschland ist die Nachfrage nach Physiotherapie über alle Bundesländer gesehen sehr hoch. Das System hat allerdings wenig Einheitlichkeit – so gibt es beispielsweise verschiedenste Verbände,  Abrechnungs- und Versicherungsarten oder auch unterschiedliche Ausbildungsstandards. Aber auch das Vorhandensein eines separaten Eingangs ist in Deutschland eine klare Voraussetzung, die es z. B. in der Schweiz so nicht gibt. Viele Prozesse sind noch nicht digitalisiert, so müssen z. B. Rezepte immer noch im Original physisch eingereicht werden.

In unserem Fall gehört zur Vorbereitung der Eröffnung und des Führens einer Kieser-Physiotherapiepraxis insbesondere das speziell ausgebildete Personal. Uns ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter nicht nur die physiotherapeutische Ausbildung haben, sondern auch speziell auf das Kieser-Konzept ausgelegt geschult sind. Dem widmen wir viel Zeit und eine große Bedeutung, damit wir unseren Kunden die bestmögliche Begleitung auf allen Ebenen bieten können.

BODYMEDIA: Geeignetes Personal zu finden ist eine der wohl größten Herausforderungen auf dem deutschen Physiomarkt. Wie geht man bei Kieser dieses Thema an?

Michael Antonopoulos: Das Thema Personal beschäftigt uns umfassend im gesamten Unternehmen. Dies betrifft die Studios und die Physiotherapiepraxen gleichermaßen. Als eine von mehreren Maßnahmen haben wir unserem internen Projekt des Employer Brandings einen über alle Abteilungen gespannten sehr hohen Stellenwert eingeräumt und uns innerhalb der Geschäftsleitung im Bereich HR und Kultur verstärkt. Wir sind davon überzeugt, dass es mehrerer Bausteine bedarf, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, und wir arbeiten gezielt daran, uns für die Zukunft gut aufzustellen.

Der aktuelle Arbeitnehmermarkt im Bereich Physiotherapie erfordert, sich auch auf die Bedürfnisse und Anliegen der Therapeuten einzustellen und dies bereits bei der Rekrutierung zu vermitteln. Nicht nur die materiellen Konditionen müssen stimmen, sondern auch Faktoren wie z. B. Mitgestaltungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie ein gutes Arbeiten im Team. Und das altersunabhängig.

Das setzt zeitgemäße und sensible Führung voraus. Darin ist Kieser stark. Ein großer Fokus liegt auf der Qualifizierung und Weiterbildung, sowohl der Mitarbeitenden als auch der Führungskräfte, um den anstehenden Herausforderungen gewachsen zu sein.
 
BODYMEDIA: Der Physiotherapiemarkt in Deutschland ist hart umkämpft. Welche Vorteile haben die Kieser-Praxen gegenüber dem Wettbewerb? Warum sind sie vom Erfolg der deutschen Physiotherapiestandorte überzeugt?

Michael Antonopoulos: Oft sind nicht alle therapeutischen Möglichkeiten durch das Physiotherapierezept abgedeckt und die weitere Betreuung der Patienten wird nach Ende eines Behandlungszyklus nicht langfristig weiterverfolgt. Einfacher, als wir es Kunden machen, langfristig in ihre Gesundheit zu investieren, geht es meiner Meinung nach nicht. In vielen Fällen können die genau gleichen Geräte, die Patienten unter physiotherapeutischer Aufsicht und Begleitung kennengelernt haben, auch dauerhaft für die Rehabilitation eingesetzt werden.

Ein Umdenken in der Gesellschaft, dass diese Leistung dann als Selbstzahler weitergeführt wird, ist hier aber sicherlich notwendig. Jeder Einzelne muss für sich entscheiden, ob er oder sie auch über das von einer Krankenkasse Abgedeckte hinaus in seine Gesundheit investieren will oder nicht. Am Ende, so denke ich, wird es das Erlebnis sein, das ein Patient spürt, wenn er keine Schmerzen mehr hat und erkennt, was dafür nötig ist – nämlich dranzubleiben, seinen Bewegungsapparat im Gesamten zu erhalten und aufzubauen.

BODYMEDIA: Werden die zukünftigen Physiotherapiestandorte in bestehende Kieser-Anlagen integriert oder sind auch neue, reine Physiotherapien geplant? Worauf liegt der Fokus? 

Michael Antonopoulos: Die Kieser-Physiotherapie baut auf einem lückenlosen Mehrwert aus der Welt der Therapie und des Trainings auf. Gerade durch die direkte Nähe und die extrem kurzen Wege können wir so effizient und ineinander übergreifend agieren.

Nicht alle unserer Studios werden die örtlichen Gegebenheiten haben, um eine Physiotherapie innerhalb ihrer Räumlichkeiten zu integrieren. Hier gilt es Lösungen zu finden, die so nah wie möglich an einem Studio gelegen sind und ebenfalls möglichst kurze Wege haben. Hier sind wir gemeinsam mit unseren Studios und den Franchisenehmern im Austausch, um zu eruieren, was möglich und aus Sicht der Patienten sinnvoll ist.

Innerhalb unserer unternehmenseigenen Kieser-Studios eruieren wir derzeit, in welchen wir ebenfalls die örtlichen Gegebenheiten haben, um Physiotherapiepraxen unmittelbar in das Studio zu integrieren. Zusätzlich haben wir von unseren Franchisenehmern viele Interessensbekundungen erhalten und erste Standorte stehen bereits in den Startlöchern, dies ebenfalls umzusetzen.

BODYMEDIA: Welche konkreten Ziele verfolgt Kieser mit seinen Physiotherapiepraxen allgemein und speziell in Deutschland? Wie sehen die konkreten Expansionsziele von Kieser im Physiotherapiebereich im DACH-Raum aus? Wie viele Praxen werden in den nächsten ein bis zwei Jahren eröffnet?

Michael Antonopoulos: Unser Wunsch und Ziel sind es ganz eindeutig, dass es möglichst viele Kieser-Standorte gibt, die auch über eine angeschlossene Kieser-Physiotherapie verfügen. In den nächsten ein bis zwei Jahren sehen wir in Deutschland ein Wachstum um rund zehn Praxen in unseren eigens geführten Standorten als realistisch an.

Aktuell befinden wir uns noch immer in der Pilotphase und schauen uns daher alle Abläufe minutiös an. Insbesondere dadurch, dass wir in Deutschland und der Schweiz über eine breite Abdeckung von Studios über Franchisenehmer verfügen, ist es uns wichtig, unsere Erfahrungen von Beginn an zu dokumentieren, zu professionalisieren und zu standardisieren.

Wir verstehen den Bereich der Kieser Physiotherapie noch weitaus weiter gefasst, als es das bisher verbreitete Bild ist. Diese Inhalte und dieses Verständnis müssen wir nun in unser gesamtes System bringen. Deshalb sehen wir uns als starken Systemgeber im Sinne der Marke Kieser gefragt, hier Pionierarbeit zu leisten, bevor wir den ersten Interessensbekundungen unserer Partner, unserem Weg zu folgen, stattgeben.

BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.

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Der Autor

  • Constantin Wilser

    Constantin Wilser ist seit 2006 in der Fitnessbranche als Redakteur tätig. Davor absolvierte er sein Bachelor-Studium der Sportwissenschaften am KIT in Karlsruhe. Seit 2019 ist er Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktionsteams. Seit Anfang 2023 ist er Chefredakteur. In seiner Freizeit trainiert der Fußball-Fan gerne im Studio, geht laufen oder fiebert im Fußball-Stadion mit.

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