Management

Wie veränderte Studioabläufe die Abstandsregeln ausgleichen

Durch die Hygienekonzepte in den Fitnessstudios müssen pro Kunde mehr qm zur Verfügung gestellt werden. Folglich sind weniger Trainingsgeräte verfügbar. Somit sinken die Studiokapazität und die Einnahmepotenziale. Als Ausgleich sollten die Trainingsorganisation und die Kundenströme verändert werden.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Kundenströme müssen im Sinne einer Einbahnstraße gelenkt werden.
  • Dazu sollte die Verweildauer des Kunden an einem Trainingsgerät insgesamt reduziert werden.
  • Durch die Umstellung von Mehrsatz- auf das Ein-Satz-Training lässt sich die Kapazität im Kraftbereich stark erhöhen.

„Wir werden uns daran gewöhnen müssen, mit Corona zu leben!“

Das sagen uns nicht wenige Wissenschaftler. Von der Vorstellung, dass „alles so wird wie früher“, müssen wir uns wohl verabschieden. Abstandsregeln, Hygiene und Mundschutz werden unseren Alltag dauerhaft bestimmen. Gegenseitige Rücksichtnahme und grundsätzlich andere Verhaltensweisen sind zwingend erforderlich, um mit dem Virus leben zu können.

Im Durchschnitt beträgt die Kapazität eines Fitnessstudios rund 1 Mitglied pro qm. Das ist zumindest der Erwartungswert lt. der Deloitte-Studie 2019. Wenn nun die Anzahl der Trainingsstationen und die Teilnehmerzahl pro Kurs im Studio aufgrund der Abstandsregeln reduziert werden müssen, wenn es gar zu einer Limitation der Besucher pro qm kommt, dann sinkt dieses Verhältnis drastisch.

Dem Management der Auslastung kommt dann eine enorme Bedeutung zu, wenn wir die vorhandene Mitgliederzahl und den Umsatz halten wollen. Wir müssen dann unser Studio so organisieren, dass trotz erhöhtem Platzbedarf der Trainierenden genauso viel Kunden trainieren und betreut werden können wie vor der Pandemie, und das unter Beachtung höchstmöglicher Hygiene- und Abstandsregeln. Wie geht das?

Die Antwort: Wir müssen die Kundenströme im Sinne einer Einbahnstraße lenken und die Verweildauer des Kunden an einem Trainingsgerät insgesamt reduzieren.


Abstandsregeln, Hygiene und Mundschutz werden unseren Alltag im Fitnessstudio noch eine ganze Weile bestimmen

1. Reduzierung der Kundenströme

"Kundenstrom“ bedeutet, welchen Weg die Kunden im Studio zurücklegen müssen, um an ihr Gerät zu kommen. Je länger es braucht, umso länger ist die Verweildauer und umso weniger Kunden finden auf der vorhandenen Fläche Platz. Diese Zeit gilt es also zu verkürzen. Gleichzeitig sind die Abstandsregeln zu beachten, d. h. die Kundenbegegnungen sollten minimiert werden.

Der „klassische“ Ablauf eines Kundenbesuches im Studio ist in etwa wie folgt:

  1. Check-in an der Rezeption.
  2. Gang durch das Studio in die Umkleiden.
  3. Rückkehr ins Studio.
  4. Start mit dem Aufwärmen im Kardio-Bereich.
  5. Weiterführung des Trainings im Beweglichkeitszirkel.
  6. Übergang zum Krafttraining.
  7. Beendigung des Trainings (Cool-down) im Kardio-Bereich.
  8. Rückkehr in den Umkleidebereich.
  9. Check-out und Verlassen des Studios.

Zur Optimierung des Kundendurchlaufs unter Beachtung der Abstandsregeln würde man ein Studio idealerweise wie folgt aufbauen:

  1. Umkleidebereiche direkt im Anschluss an den Check-in.
  2. Kardio-Bereich direkt an den Umkleidebereich anschließend. Um die Begegnungen zu reduzieren, sollte es einen separaten Ausgang aus den Umkleiden geben.
  3. Beweglichkeitszirkel im Anschluss/neben dem Kardio-Bereich platzieren.
  4. Kraftzirkel/-straße im Anschluss/neben dem Beweglichkeitszirkel platzieren.
  5. Kardio-Bereich im Anschuss/neben dem/der Kraftzirkel/-straße platzieren.
  6. Check-out vom Check-in getrennt.

Schematisch könnte das dann wie in Abb. 1 aussehen:


Abb. 1 zeigt wie man den Kundendurchlauf unter Beachtung der Abstandsregeln optimieren könnte

Zur Unterstützung dieses Ablaufes sollten auch die Krafttrainingsgeräte in der „idealen“ Nutzungsreihenfolge aufgestellt werden. In der schematischen Zeichnung ist der Begriff des „Zirkels“ gewählt, dies kann aber auch eine „Straße“ sein. Dabei wird unterstellt, dass im sogenannten „Ein-Satz-Training“ trainiert wird. Dieses Prinzip erfüllt nicht nur die Forderung eines zeiteffektiven Trainings, sondern auch die der Abstandsregeln, denn bei dieser Organisationsform des Trainings überschneiden sich die Laufwege der Kunden nicht.

Welcher „Zirkel“ oder welche „Straße“ gewählt wird, hängt von der Positionierung des Studios ab – hier sind verschiedene Themenschwerpunkte denkbar: Kardiozirkel, Kraft-Ausdauer-Zirkel, Kraftzirkel, Rückenzirkel etc. (siehe Punkt 2).

Der neue Kunde wird sich beim Umsetzen dieser Empfehlungen schneller und besser zurechtfinden, die Wegezeiten durch das Studio und die Verweildauer im Studio würden reduziert,die Kapazität des Studios vergrößert und die Corona-Abstandsregeln wären bestmöglich eingehalten.

2. Verweildauer der Mitglieder an einem Gerät

Neben der Zeit, die die Kunden benötigen, um an ihr Trainingsgerät zu kommen, ist die Zeit, die an einem Gerät verbracht wird, ein weiterer, entscheidender Faktor für die Aufenthaltszeit der Kunden und damit für die Kapazität des Studios.

Nach meiner Beobachtung in den unterschiedlichsten Fitnesscentern trainieren die Mitglieder eines Fitnessclubs seit Bestehen der Studios überwiegend in gleicher Weise. Drei Mal 12 Wiederholungen mit einer Pause von 1–2 Minuten lautet entweder die Anweisung des Trainingsplanes oder die Kunden, aus welchem Grund auch immer, trainieren so. Dabei bleiben sie in der Regel auf dem Gerät sitzen und blockieren dieses auch während ihrer Trainingspause.

Die Aufenthaltsdauer wird zusätzlich dadurch verlängert, dass während der Pausen mit den Trainingskollegen diskutiert wird, manchmal trainieren auch gleich zwei Personen an einem Gerät, blockieren dies mindestens für die doppelte Zeit und oft genug sieht man, wie mehrere Geräte durch das Liegenlassen von Handtüchern auch dann blockiert werden, wenn niemand das Gerät nutzt.


Aufgrund der Abstandsregeln sinkt die Zahl der benutzbaren Geräte – das erfordert neue optimierte Lösungen

Die Folgen dieser Art zu „trainieren“ sind:

  • uneffektive Nutzung der Geräte
  • Demotivierung wartender Kunden
  • uneffektive Betreuung
  • zweifelhafter Trainingserfolg
  • geringe Kunden-Kapazität

Diese Art der Gerätenutzung ist unökonomisch, denn

  • sie erfordert eine große Anzahl an Trainingsgeräten (2 oder mehr von jedem Typ),
  • sie erfordert dementsprechend ein größeres Studio,
  • sie demotiviert v. a. Einsteiger und Personen mit wenig Zeit,
  • sie erfordert einen hohen personellen Einsatz und vor allem
  • bringt es uns in Pandemiezeiten schnell an unsere Kapazitätsgrenze.

Wenn wir weiter so in unseren Studios trainieren, sind die Kapazität und damit die Anzahl möglicher Mitglieder sehr schnell erreicht und der Umsatz stagniert. Die Folge sind Kostensenkungsmaßnahmen, vor allem im Personalbereich, und fehlende Mittel für Investitionen und adäquate Bezahlung der Mitarbeiter.

Kapazitätsvergleich Mehrsatz-Training vs. Ein-Satz-Training

Die Kapazität eines Fitnessstudios hängt also wesentlich davon ab, wie die Trainingsgeräte ausgelastet sind. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede, ob man im Ein-Satz- oder Mehrsatz-Training trainiert:
Die Trainingskapazität, also die Anzahl möglicher Trainierender pro Stunde eines Trainingsgerätes, kann wie folgt berechnet werden:

Vorbereitungszeit (Einstellen der Gewichte)
+ Anzahl der Wiederholungen x Zeit pro Wiederholung
+ Pause (beim Mehrsatz-Training)
+ Wechselzeit
= Gesamtzeit pro Trainierenden

Beim typischen Mehrsatz-Training, sagen wir 3 x 12 Wiederholungen, könnte das wie folgt aussehen:

Vorbereitungszeit:5 sec
Wiederholungen:12
Zeit pro Wiederholung: 3 sec
Pause:60 sec
Wechselzeit:5 sec
Gesamtzeit pro „Satz“: 36 sec
Gesamtzeit pro Übung:238 sec (ca. 4 min)

Das heißt, ein Trainierender „blockiert“ das Gerät für 4 Minuten. Damit beträgt die Maximale Kapazität an diesem Gerät:    60 min/4 min = 15 Trainierende
Beim typischen Ein-Satz-Training bis zur lokalen Muskelerschöpfung und maximal 12 Wiederholungen sähe das wie folgt aus:

Vorbereitungszeit:5 sec
Wiederholungen:12
Zeit pro Wiederholung: 7 sec (2 sec positiv, 1 sec Pause, 4 sec negativ)
Pause: 0
Wechselzeit:5 sec
Gesamtzeit pro Satz/Übung:94 sec

Hier „blockiert“ der Trainierende das Gerät nur für maximal 1,5 Minuten. Mindestkapazität an diesem Gerät: 3.600 sec/94 sec = 38 Trainierende

Das heißt, allein durch die Umstellung vom Mehrsatz- auf das Ein-Satz-Training lässt sich die Kapazität im Kraftbereich um das 2,5-Fache erhöhen! Wenn wir also in Zirkeln oder im Ein-Satz-Trainingsprinzip trainieren, reduzieren wir die Zeit pro Gerätenutzung, ein Gerät wird schneller frei, der nächste Kunde kann schneller seine Übungen absolvieren, die Pausen werden reduziert, was wiederum zu einem effektiveren Training und einer größeren Kundenzufriedenheit führt. Zudem werden die Abstandsregeln perfekt eingehalten.


„Zirkel“ oder „Straßen“ an denen im Ein-Satz-Training trainiert wird, helfen dabei die Verweildauer des Mitglieds pro Gerät zu optimieren

Die Aufstellung in Zirkeln ist „eine Wissenschaft für sich“. Folgende Aufstellungen sind denkbar:

Reine Kraftzirkel
Funktionszirkel
Kraft-Ausdauer-Zirkel
Reine Ausdauerzirkel

Im Ausdauerbereich wird gerne lange und oft mit zu geringer Intensität trainiert. Variantenreicher, effizienter und auch effektiver ist hier ebenfalls die Einführung eines HIT-Trainings mit wechselnden Geräten (z. B. Start mit Laufband, dann Fahrrad, dann Cross-Trainer jeweils 6 Minuten mit steigender Intensität). Auch hier ist anzuraten, die Geräte im Kreis aufzustellen, um sie schneller wechseln zu können und ggf. eine gewisse Kommunikation mit den anderen Trainierenden zu ermöglichen.

Auch und gerade bei der Geräteplatzierung in Zirkeln müssen sämtliche Kundenströme berücksichtigt werden, also z. B. auch, wie man an/in den Zirkel kommt, wie man ihn verlässt oder wie man von dort in andere Bereiche (z. B. Kardio oder Functional) kommt. Hier sollten sich die Kundenströme möglichst nicht kreuzen, um ein großes Durcheinander, was wiederum zu geringerer Effektivität führt, zu verhindern. Die Kreisform mit definiertem Startgerät oder eine „Doppelstraße“ (z. B. 4 gegenüberstehende Geräte, bei der vorne links begonnen und vorne rechts der Zirkel beendet wird) sind hier die Formen der Wahl.

Sofern nicht mit elektronischen Zirkeln gearbeitet wird, sollte ein Takt-/Zeitgeber den Trainierenden zeigen, wann sie trainieren und wann pausieren sollen. Erfahrungsgemäß halten sich die Menschen nicht an solche Vorgaben, deshalb ist auch bei dieser effizienten Trainingsorganisation der Trainer keinesfalls ersetzbar.

Zusammenfassung

Die Abstandsregeln durch die Corona-Pandemie werden uns voraussichtlich noch lange begleiten. Größere Abstände zwischen den Geräten, Reduktion von Trainingsstationen und limitierte Nutzerzahlen reduzieren jedoch die Kapazität eines Fitnessstudios. Um die gleiche Anzahl von Mitgliedern pro qm unterbringen und gut trainieren zu können, sind die Kundenströme und die Trainingsorganisation zu optimieren.

Ziel ist die Reduzierung der Aufenthaltszeit durch die Anordnung der Trainingsbereiche und Geräte gemäß ihrer Nutzungsreihenfolge sowie die Einführung des Ein-Satz-Trainings nach dem HIT-Prinzip. Durch die intelligente Anordnung der Bereiche und Trainingsgeräte werden zudem die Kundenbegegnungen minimiert und damit die Abstandsregeln bestmöglich eingehalten.

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Der Autor

  • Wolfgang Bahne

    Wolfgang Bahne studierte Sportwissenschaft, Psychologie und BWL. Seit Mitte der 80er-Jahre bewegt er sich im Fitnessmarkt. Seine Tätigkeiten auf Betreiber- und Industrieseite sowie seine Beratertätigkeit geben ihm einen 360-Grad-Blick auf die Fitnessbranche. Er arbeitet bei Actic Fitness als Head of Expansion. Sein Wissen gibt er u. a. an der Deutschen Berufsakademie für Sport und Gesundheit an Studierende weiter. 

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