Management

Unternehmenswert korrekt ermitteln

Die verstärkte Konkurrenzintensität macht Studioübernahmen gegenüber -neueröffnungen zunehmend interessanter. Damit einher gehen allerdings auch ganz neue Fragen, die sich die beteiligten Partner stellen müssen und auf welche diese natürlich auch eine Antwort finden müssen. Zentraler Knackpunkt ist im gesamten Übernahmeprozess meist der Wert, der einem existierenden Fitnessstudio zugrunde liegt.

Der Grund dafür ist recht simpel. Auf der einen Seite hat der Verkäufer und bisherige Inhaber eines Fitnessstudios natürlich das Ziel, einen möglichst hohen Verkaufswert zu erreichen. Nicht selten steckt in diesem Studio häufig das gesamte Lebenswerk, was für den Erschaffer natürlich mit einem besonderen emotionalen Wert verbunden ist. Auf der anderen Seite steht der Käufer. Er möchte ein Fitnessstudio selbstverständlich möglichst günstig kaufen, insbesondere mit Blick auf die notwendigen Investitionen, die er noch zu tätigen hat, um das Studio fit für die Zukunft zu machen. Diese unterschiedlichen Ansätze müssen nun irgendwie zusammenfinden.

Um einen gemeinsamen Wert zu finden, eignet sich daher die Anwendung bestimmter allgemeiner Methoden der Unternehmensbewertung. Die Anwendung solcher Verfahren, insbesondere ohne Erfahrung darin, ist aber immer besonders fehleranfällig. Es ist daher im höchsten Maße empfehlenswert, entsprechende Experten einzuschalten. Nichtsdestotrotz lohnt es sich, selbst ein gewisses Grundverständnis aufzubauen, um die Arbeit dieser Experten auch verstehen zu können. Daher sollen in den folgenden Abschnitten gängige Verfahren zur Unternehmensbewertung vorgestellt werden. Dieser Artikel dient aber nicht der Ermöglichung einer persönlichen Durchführung der Berechnung, sondern soll nur ein Verständnis für die zugrunde liegenden Methoden schaffen.

 


Der Grund, warum ein Unternehmenswert bei verschiedenen Bewertungen unterschiedlich ausfallen kann, sind die unterschiedlichen individuellen Annahmen


Die Bewertungsmethoden
Die Literatur kennt eine Vielfalt an Faktoren, die einen Unternehmenswert beeinflussen können. Nicht jede Methode ist in jedem Fall sinnvoll. Hier muss immer von Fall zu Fall unterschieden werden. Grundsätzlich kann zwischen drei verschiedenen Arten unterschieden werden: substanzorientierte, erfolgsorientierte und marktorientierte Verfahren.

Substanzwert-Methode (substanzorientiertes Verfahren):
Diese Methode stellt eine sehr instinktive Herangehensweise vieler Menschen an das Thema Unternehmensbewertung dar. Danach ist ein Unternehmen das wert, was die Summe der Teile wert ist, aus denen es besteht. Anders ausgedrückt: Würden Sie heute alle Bestandteile Ihres Firmenvermögen verkaufen, wäre das der Wert Ihres Unternehmens. Oder wie es Felden & Klaus (2003) mathematisch ausdrücken:

Eigenkapital laut Bilanz
+ stille Reserven in Bilanzpositionen
nicht verbuchte Schuldenpositionen
= Liquidationswert

Die Schwierigkeit dieser Methode für Fitnessanbieter liegt auf der Hand. Gerade bei den populären Mikroanbietern wie EMS- oder Yoga-Studios (aber auch bei den „klassischen“ Fitnessangeboten) ist der Wert des Inventars nicht besonders hoch. Dies liegt daran, dass das teuerste Inventar (wenn überhaupt) Fitnessgeräte sind. Dies wird aber der potenziellen Ertragslage dieser Studios nicht gerecht. Viele Autoren sehen in diesem Verfahren daher nur die Festlegung eines absoluten Mindestpreises, der aber durch die folgenden Verfahren deutlich verfeinert werden sollte.

 


Beim Ertragswertverfahren wird der Unternehmenswert anhand des zukünftigen Gewinnpotenzials der Anlage ermittelt


Ertragswertverfahren (ertragsorientiertes Verfahren):
Eines der in Deutschland verbreitetsten Verfahren zur Ermittlung des Unternehmenswertes ist dieses Verfahren, das aufgrund seiner Beliebtheit große Relevanz für den deutschen Rechtsraum aufweist. Hierbei wird die geplante Gewinn- und Verlustrechnung für das Unternehmen herangezogen und anschließend werden über ein Abzinsungsverfahren die berechneten Ertragsüberschüsse für die Zukunft ermittelt. Auf dieser Grundlage lässt sich dann ein Unternehmenswert ermitteln, der sich im Wesentlichen an dem zukünftigen Gewinnpotenzial der Anlage orientiert. Demzufolge soll aus Käufersicht der Kaufpreis der Firma nicht höher sein als die zu erwartenden Gewinne. Somit orientiert sich das Ertragswertverfahren nicht nur rein an Erfahrungswerten der Vergangenheit, sondern legt einen Fokus auf die Zukunftsperspektive.

Mathematisch betrachtet, errechnet sich der Ertragswert somit aus zwei Faktoren:

Ertragswert = zukünftiger Ertragsüberschuss * 100/ Kapitalisierungszins (Betrachtungszeitraum)

Generell liegen jeder Unternehmensbewertung individuelle Annahmen zugrunde, die dazu führen können, dass der Unternehmenswert für ein Unternehmen bei mehreren Bewertungen deutlich unterschiedlich ausfallen kann. Oftmals wird in der Praxis von drei Jahren als Betrachtungszeitraum ausgegangen und darüber hinaus angenommen, dass das Unternehmen eine unbegrenzte Lebensdauer hat. Der zukünftig zu erwartende Ertragsüberschuss wird auf Basis der Vergangenheitswerte geschätzt, um somit über einen Durchschnittswert betriebs- und periodenfremde Einflussfaktoren sowie außerordentliche Ausgaben und Einnahmen zu relativieren. Der Kapitalisierungszins hingegen kann als eine Art zusammengesetzter Zinssatz betrachtet werden, der sich aus einem Basiszins zur Verzinsung einer vergleichbaren risikolosen Geldanlage sowie einem Immobilienzuschlag, einem Inflationsschutz und einem Risikozuschlag zusammensetzt. Letzteren sollte der Käufer bei einer Übernahme trotz fachmännischer Beratung immer einkalkulieren, um sich gegen potenzielle Risikoszenarien abzusichern. Dieser Risikozuschlag liegt in der Praxis oftmals bei 3–4 %. Addiert man die genannten Zinssätze zusammen, so erhält man den Kapitalisierungszinsfuß.


Praxisbeispiel für das Ertragswertverfahren
Schauen wir uns ein Praxisbeispiel an, bei dem der zukünftig zu erwartende Jahresüberschuss mit 100.000 EUR berechnet wurde. Der Verkäufer setzt auf Basis der Annahmen aus seinem Beratungsgespräch einen Zinssatz von 8 % fest, sodass ermittelt werden muss, wie viel Kapital er anlegen müsste, um bei einer Verzinsung von 8 % 100.000 EUR zu erhalten. Legen wir den Betrachtungszeitraum der Einfachheit halber auf ein Jahr fest, so erhalten wir einen errechneten Kaufpreis von 1.250.000 EUR. Hierbei ist allerdings gut zu beobachten, dass weiche Faktoren wie die Wertschöpfung der Mitarbeiter nicht mit einbezogen werden, sondern es um die reine Kapitalverzinsung geht. Addiert man solch weiche Faktoren, sodass sich etwa der Verzinsungssatz zum Beispiel auf 10 % erhöht, so erhalten wir mit 1.000.000 EUR einen geringeren Kaufpreis.

Es lässt sich also festhalten, dass der Kapitalisierungszinssatz einen signifikanten Einfluss auf die Wertermittlung des Objekts hat. Die Faustregel lautet: Je höher der Zinssatz, desto niedriger der Unternehmenswert, und andersherum.

Praxistipp zum Ertragswertverfahren

Wie so oft, findet man im World Wide Web für viele Dinge nützliche Tools, die einen zumindest unterstützen können. Das EMF-Institut der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin stellt für kleinere und mittlere Unternehmen einen Online-Rechner zur Verfügung, der einen Unternehmenswert anhand des Ertragswertverfahrens berechnet. Natürlich ist dieses Tool nur so gut wie die Informationen, mit denen man es füttert. Auch kann es als standardisiertes Tool niemals auf Besonderheiten des einzelnen Unternehmens eingehen. 

Link zum Online-Rechner der HWR

 



Insbesondere bei kleinen Unternehmen gestaltet sich die Suche nach den Kennzahlen für die Unternehmensbewertung schwierig 


Multiplikatorenverfahren (marktorientiertes Verfahren):
Dieses Verfahren wird als simple, da einfach zu berechnende Methode für die Ermittlung des Unternehmenswertes betrachtet. Hierbei wird lediglich eine Betriebskennzahl wie etwa der Gewinn, Umsatz oder EBITDA herangezogen und mit einem branchenüblichen Multiplikator verrechnet, um das Ergebnis zu erhalten. Dieser Multiplikator beruht dabei auf einem Durchschnittswert bestehend aus Branchenerfahrung sowie den Zahlen bereits umgesetzter Unternehmensübernahmen von vergleichbaren Firmen.

Insbesondere bei Kleinunternehmen gestaltet sich die Suche nach den Kennzahlen jedoch schwierig, da solche Werte nach dem deutschen Handelsgesetz unter einer bestimmten Umsatzgrenze nicht publiziert werden müssen. Hier kann alternativ auf Erfahrungswerte aus vergangenen Übernahmen sowie auf typische Branchenmultiplikatoren zurückgegriffen werden. Für größere, vielleicht sogar börsennotierte Unternehmen ergibt sich dieses Problem nicht, da hier in der Regel die Pflicht zur Veröffentlichung der Bilanz besteht und somit der Einblick in unternehmerische Zahlen gewährleistet wird.

Im folgenden Praxisbeispiel sind sowohl die Betriebskennzahlen als auch typische Branchenmultiplikatoren bekannt. Eine Firma mit einem Umsatz von 2.500.000 EUR und einem EBIT von 125.000 EUR soll veräußert werden. Hierzu werden Verkaufspreise von ähnlichen Firmen mit folgendem Ergebnis herangezogen: Im Durchschnitt wird für die Unternehmenskategorie das 0,32-Fache des Umsatzes sowie das 5,5-Fache des EBIT bezahlt. Somit erhalten wir eine Preisspanne von 687.500 EUR (EBIT-Multiplikator) bis 800.000 EUR (Umsatz-Multiplikator). Innerhalb dieses Rahmens können Käufer und Verkäufer nun verhandeln.

Es lässt sich festhalten, dass das Multiplikatorverfahren durch den Fokus auf echte Zahlen und reale Übernahmereferenzen einen starken Praxisbezug hat. Die Berechnung ist in der Regel sehr einfach, setzt aber die Verfügbarkeit von beispielsweise Betriebskennzahlen oder Referenzwerten voraus. Dies kann sich insbesondere bei Kleinunternehmen schwierig gestalten, sodass die Datenmenge unzureichend sein kann. Es lohnt sich also, auch hier einen Experten einzuschalten.

Fazit
Natürlich können auch die hier angeführten Standardverfahren und die daraus ermittelten Werte nicht den einen und einzig richtigen Unternehmenswert ermitteln. Kein Verfahren ist perfekt. Es lohnt sich daher immer, wie bereits erwähnt, eine spezialisierte Beratung mit fundierten Branchenkenntnissen und Erfahrungswerten hinzuzuziehen.

 

Quellen
Die vollständigen Literaturangaben erhalten Sie auf Nachfrage bei den Autoren
E-Mail: andreas@hashtag-fitnessindustrie.de
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Die Autoren

  • Andreas M. Bechler

    Andreas M. Bechler ist Autor, Berater, Dozent und Podcaster in der Fitnessbranche. Mit seinem Podcast ‚Hashtag Fitnessindustrie‘  verfolgt er das Ziel, einen Wissenstransfer zwischen den Interviewgästen und dem Zuhörer zum Nutzen der ganzen Branche zu ermöglichen. Aktuelle Trends und Entwicklungen sind ebenso Teil des Podcasts wie grundsätzliche strategische Fragen aus dem Tagesgeschäft von Fitnessanbietern. Weitere Informationen finden Sie hier.
     

  • Stefan Rauch

    Stefan Rauch ist Sport- und Wirtschaftswissenschaftler und hat sich auf die Fitness- und Gesundheitsbranche spezialisiert. Hauptberuflich ist er als Vertriebsmanager für SaaS („Software as a Service“) bei EGYM tätig. Sein Fokus liegt dabei auf dem deutschen, österreichischen sowie auf dem Schweizer Markt. Hier betreut Stefan Rauch unter anderem Studiobetreiber und Praxisinhaber bei der Einrichtung einer digitalen Mitgliederbetreuung.

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