Wellness

Fitness und Wellness als perfekte Kombination – Lutz Hertel im Interview

Was ist in Sachen Wellness derzeit angesagt und wie können Fitnessstudios diese Trends für sich nutzen? Darüber haben wir mit Lutz Hertel, dem geschäftsführenden Vorsitzenden des Deutschen Wellness Verbands e. V., gesprochen. Fitness und Wellness sind ein perfektes Team - Lutz Hertel im Interview

Das Wichtigste in Kürze:

  • Wellness entstand ursprünglich in den USA als integratives Gesundheitskonzept, bei dem durch einen klugen Lebensstil und begünstigende Lebensumstände die optimale Gesundheit erreicht werden soll.
  • Die aktuellen Trends in der Spa- und Wellnessbranche zeigen ein wachsendes Interesse an Evidenz, Transformation und sozialem Wohlbefinden durch zwischenmenschliche Begegnungen.
  • Fitness- und Gesundheitsanlagen könnten die Synergien zwischen Fitness und Wellness besser nutzen, indem sie neben Fitnesstrainern auch Wellnesstrainer einsetzen.
  • Die Chance für die Studios liegt darin, ein echtes Wellnesskonzept zu entwickeln, dieses strategisch auszubauen und mit innovativen Dienstleistungen einen neuen Markt zu erschließen.

BODYMEDIA: Massage, Sauna, Entspannung – oder noch mehr? Wie lautet Ihrer Meinung nach die Definition von Wellness?

Lutz Hertel: Darüber gibt es sehr unterschiedliche und teils ganz abstruse Auffassungen. Tatsächlich wurde Wellness von einem amerikanischen Sozialmediziner als integratives Gesundheitskonzept vorgeschlagen. Sein Modell wurde dann von Ärzten und Gesundheitswissenschaftlern in den USA aufgegriffen, weiter ausgearbeitet und für die Anwendung in Kommunen, Schulen, Universitäten, Kliniken und Wirtschaftsunternehmen fortentwickelt.

Wellness bezeichnet demnach eine optimale Gesundheit, die durch einen klugen Lebensstil und begünstigende Lebensumstände erzielt werden kann. Das sind die Fakten. Das weiß aber im deutschsprachigen Raum kaum jemand.

BODYMEDIA: Welche Rolle spielt Wellness im heutigen Gesundheits- und Fitnessbewusstsein der Gesellschaft?

Lutz Hertel: Es ist auf jeden Fall sehr beliebt. Man gönnt sich Wellness, belohnt und beschenkt sich und andere damit. Es wird als Auszeit verstanden, als wohltuender Ausgleich zum stressigen Alltag, und wird vor allem mit Entspannung in Verbindung gebracht.

Sich verwöhnen lassen gehört auch dazu: Körperpflege, Wohlfühlmassagen, Bäder, Düfte, ein bisschen Luxus etc. Ich schätze, die wenigsten erkennen, dass es eigentlich eine fundamentale Verbindung von Wellness zu Gesundheit und Fitness gibt – abgesehen vom Aspekt der Entspannung, nach der sich in unserer überspannten Gesellschaft ja fast jeder sehnt.

BODYMEDIA: Wie hat sich die Bedeutung des Begriffs Wellness im Laufe der Zeit verändert?

Lutz Hertel: Das ist international ganz unterschiedlich und man sollte daran denken, wenn man irgendwo etwas von Trends liest oder hört. Beschränken wir uns mal auf den deutschsprachigen Raum: Wellness wurde Anfang der 1990er-Jahre, insbesondere durch die Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Wellness Verbands, populär. Davor war der Begriff nicht existent.

Ich präsentierte erstmals auf der FIBO 1990 Vorschläge, wie die amerikanische Wellnessbewegung in das Fitnessstudio integriert werden könnte. So wurde Wellness hier interessanterweise zunächst als sanfte, gesundheitsorientierte Fitness verstanden, als Gegenpol zu „no pain no gain“.

Wenig später entwickelten wir das Konzept des „Wellnesshotels“: Es sollte ein Ort für motivierende Wellnesserlebnisse sein, mit Inspirationen und praktischen Erfahrungen für den alltäglichen Lebensstil. Innerhalb von acht Jahren entwickelte sich daraus ein neuer, internationaler Tourismusmarkt, der Wellness allerdings ganz anders definierte, als wir es initiiert hatten: Instant-Erholungsurlaub mit Bade- und Saunalandschaft, Kosmetik- und Massagebehandlung. Dieses Wellnessverständnis setzte sich rasch durch und ist bis heute unverändert.

Neu ist allenfalls, dass sich der Begriff „Spa“ in den letzten Jahren zunehmend etabliert hat und synonym gebraucht wird. Tatsächlich ist das meiste, was hier unter dem Label „Wellness“ läuft, eigentlich nur „Spa“.


Das Interesse, durch Eigen­aktivität Wohlbefinden zu erzeugen,statt sich nur passiv behandeln und verwöhnen zu lassen, steigt (Bildquelle: © sorrapongs - adobe.stock.com)

BODYMEDIA: Welche aktuellen Trends zeichnen sich im Bereich Spa & Wellness ab und wie beeinflussen diese Trends die Entwicklung von Fitnessstudios?

Lutz Hertel: Aktuelle Trends sollte man nicht überbewerten, es werden ja jedes Jahr andere in die Welt gesetzt, über die man nach ein paar Wochen in der Regel nichts mehr hört. Es gibt aber doch Entwicklungen, die man ernster nehmen kann. Dazu gehört das zunehmende Interesse der Wellnesskundschaft an Evidenz und endlich auch Transformation.

In der Welt der Spa- und Wellnessangebote wurde bislang viel behauptet und wenig bewiesen. Zumindest ein Teil der Kunden ist inzwischen kritischer und glaubt nicht mehr alles, was man ihnen erzählt.

Darüber hinaus steigt das Interesse an Mehrwert, der über das momentane Wohlfühl- und Entspannungserlebnis hinausreicht. Also genau das, worum es im Wellnesskonzept eigentlich geht. Hierzu gehört auch, durch Eigenaktivität Wohlbefinden zu erzeugen, statt sich nur passiv behandeln und verwöhnen zu lassen.

Aus den USA könnte der Social-Wellness-Trend auf Deutschland überspringen: gesundheitliches Wohlbefinden durch zwischenmenschliche Begegnung, vertraute Gespräche, sozialen und emotionalen Rückhalt in einer temporären Gemeinschaft. Klingt für die typischen Spa-Fans völlig abgefahren, wird aber in ernsthaften Wellnessprogrammen seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt.

BODYMEDIA: Was könnten Betreiber von Fitness- und Gesundheitsstudios Ihrer Meinung nach tun, um die Synergien zwischen Fitness und Wellness noch stärker zu nutzen?

Lutz Hertel: Sie sollten als Erstes erkennen, dass sie viel mehr als Spas die Wellness-Hotspots sein könnten. Echte Wellness hat Transformation zum Ziel. Das passiert nicht an einem Wellnesswochenende oder an einem Nachmittag im Spa, sondern ist ein längerer Prozess, der professionell begleitet und geführt werden sollte.

Es geht um die Ausschöpfung des individuellen Potenzials für die beste Version seiner selbst. Das ist kein Optimierungswahn, sondern der legitime Wunsch nach Selbstverwirklichung. Wellness kann nicht an jemanden und für jemanden gemacht werden. Das ist nicht anders als bei Fitness. Fitness und Wellness sind deshalb, wenn man das einmal richtig versteht, ein perfektes Team. Neben Fitnesstrainern sollten auch Wellnesstrainer bzw. Wellnesscoaches hier arbeiten.

Manche Angebote lassen sich mit digitaler und apparativer Unterstützung weniger personalintensiv realisieren. In Ansätzen findet man diese Synergie bereits, es könnte aber weiter professionalisiert und besser vermarktet werden.

BODYMEDIA: Welchen Mehrwert bietet die Integration von Wellnessangeboten für die Studios und ihre Mitglieder?

Lutz Hertel: Bei Wellness geht es in umfassender Weise um den gesamten Lebensstil. Fitness ist dabei nur ein Faktor. Nicht alle, aber viele Fitnesskunden möchten mehr als ihr Fitnesslevel verändern. Diese Nachfrage eröffnet also eine ganze Reihe weiterer Geschäftsfelder. Das soziale Wohlbefinden kann gezielt in kleineren Wellness-Communitys für die Mitglieder gesteigert werden. Damit wächst auch die Kundenbindung zum Studio. Nicht oder nicht mehr berufstätige Mitglieder könnten ihren Club unter dem Schirm eines integrativen Wellnessangebots für viel mehr als nur das Fitnesstraining nutzen.

BODYMEDIA: Welche Herausforderungen sehen Sie in Bezug auf die Integration von Wellness in Fitnessstudios? Gibt es Hindernisse oder Chancen, die es zu beachten gilt?

Lutz Hertel: Das größte Hindernis ist vermutlich die Blockade im Kopf. Über Jahrzehnte hat „Wellness“ in großen Teilen der Fitnessbranche nur die Bedeutung „Saunabereich“ und gelegentlich noch Sportmassage gehabt. Ich bezweifle, dass sich das jemals ändern wird. Und dann kommt hinzu, dass Wellness hierzulande insgesamt auf etwas reduziert wurde, das es eigentlich nicht ist. Dazu habe ich mich schon geäußert. Diesem Missverständnis unterliegen die Studiobetreiber genauso wie die Studiobesucher.

Man kann ein echtes Wellnesskonzept selbstverständlich auch realisieren, ohne den Begriff überhaupt zu gebrauchen, und damit falschen Vorstellungen vorbeugen. Die Chance für innovationsfreudige Studios liegt doch darin, die Dienstleistung mit einer klugen Strategie in die aufgezeigte Richtung auszubauen und sich mit einer smarten Kommunikationsstrategie einen neuen Markt aufzubauen.

BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.

Bildquelle Header: © Deutscher Wellness Verband e. V.

Die Autoren

  • Dennis Bechtel

    Dennis Bechtel studierte Germanistik und Anglistik an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Er arbeitete als freier Journalist und Texter in NRW und war u.a. als Marketing Specialist mit dem Schwerpunkt PR in einem Konzern tätig. Seit 2023 ist er Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktionsteams. Er verfügt über eine Fitnesstrainer B-Lizenz und spielt leidenschaftlich gern Tennis.

  • Lutz Hertel

    Lutz Hertel, Diplompsychologe mit gesundheitswissenschaftlicher Orientierung, gilt seit mehr als 30 Jahren als führender Wellnessexperte in Deutschland. Er war Initiator des Deutschen Wellness Verbands und Wegbereiter für die Popularisierung der Wellnessbewegung in Europa. Er berät Unternehmen und Organisationen, entwickelt anwendungsorientierte Wellnesskonzepte und erarbeitet Qualitätsstandards.

Themen

Magazin

BODYMEDIA Fitness 1-2024E-Book lesen

BODYMEDIA Fitness 1-2024

Mehr erfahren