Das Wichtigste in Kürze:
- Preis und Wert eines Unternehmens sind nicht dasselbe: Der Preis entsteht am Markt, der tatsächliche Wert ergibt sich aus Ertragskraft, Substanzwert und individuellem Nutzen.
- In Deutschland gilt für kleine und mittlere Unternehmen das modifizierte Ertragswertverfahren als Standard und nicht das oft zitierte Multiplikatorverfahren.
- Der Unternehmenswert setzt sich aus zwei Bausteinen zusammen: dem Substanzwert (Vermögen) und dem ideellen Wert (zukünftige Erträge abzüglich Unternehmerlohn).
- Für eine realistische Bewertung sind saubere Zahlen, vollständige Unterlagen und nachvollziehbare Bereinigungen entscheidend, da einmalige Effekte, private Kosten oder nicht betriebsnotwendiges Vermögen herausgerechnet werden müssen.
Weiterhin muss zwischen dem Preis und dem Wert eines Unternehmens differenziert werden. Während sich der Preis am Markt durch Angebot und Nachfrage bildet, ist der Wert eines Unternehmens abhängig von dem subjektiven Nutzen, der für den Eigentümer daraus resultiert.
Auch wenn es den Anschein erweckt, dass das Multipliktorenverfahren – aufgrund von Private-Equity relevante Investorengruppen – in der Branche als Bewertungsstandard angewendet wird, sieht die Realität der Bewertungspraxis anders aus.
In diesem Fall handelt es sich um Preisfestlegungen für den Kauf von angebotenen Fitnessanlagen, während sich in Deutschland das modifizierte Ertragswertverfahren als Bewertungsverfahren für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) etabliert hat. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat bestätigt, dass dieses Verfahren insbesondere bei inhabergeführten Unternehmen und Praxen Anwendung findet.
Neben dem Einsatz bei Anliegen mit Behörden oder bei Rechtsstreitigkeiten gibt es verschiedene Beispiele, bei denen das modifizierte Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen kann:
- Wenn ein Unternehmer überlegt, sein Unternehmen zu veräußern und eine Wertvorstellung dafür benötigt
- Wenn ein potenzieller Käufer den Wert des Unternehmens kennen möchte
- Wenn das Unternehmen z. B. an einen Mitarbeiter übergeben werden soll und eine unabhängige und neutrale Wertermittlung erfolgen soll
- Bei der gemeinsamen Beauftragung eines Sachverständigen zur Wertermittlung bei Einstieg oder Austritt eines Gesellschafters bzw. aus einer Personengesellschaft
- Im Zugewinnausgleichsverfahren
- Bei der Beantragung von Krediten
Das modifizierte Ertragswertverfahren
Das modifizierte Ertragswertverfahren unterscheidet sich vom klassischen Ertragswertverfahren vornehmlich durch die Begrenzung des Kapitalisierungszeitraums (Ergebniszeitraum) auf wenige Jahre, in der Regel zwischen ein und zehn Jahren. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, zusätzlich den Substanzwert zu berücksichtigen.
Der Wert eines kleinen und mittelständischen Unternehmens, das fortgeführt werden soll (Going-Concern-Prinzip), setzt sich somit nach dem modifizierten Ertragswertverfahren aus zwei wesentlichen Komponenten zusammen:
- Substanzwert (materieller Unternehmenswert)
- ideeller Wert bzw. Ertragswert (immaterieller Unternehmenswert)
Die Ermittlung des ideellen Wertes erfolgt dabei unter Abzug eines kalkulatorischen Unternehmerlohns.
Häufige Fragen aus der Praxis
Häufig fragen sich Studiobetreiber, welche Faktoren den Wert ihres Unternehmens beeinflussen und welche Informationen für die Wertermittlung benötigt und berücksichtigt werden. Die folgenden Ausführungen sollen hierüber Aufschluss geben.
Ausgangsbasis für die Unternehmenswertermittlung sind die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen. Hier gilt der Grundsatz: Je detaillierter die Informationen, desto objektiver kann der Unternehmenswert ermittelt werden (Bildquelle: © MQ-Illustrations – stock.adobe.com)
Was wird benötigt?
Informationen und Unterlagen
Ausgangsbasis für die Unternehmenswertermittlung sind die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Informationen und Unterlagen. Hier gilt der Grundsatz: Je detaillierter die Informationen, desto objektiver kann der Unternehmenswert ermittelt werden.
Da kleine und mittlere Unternehmen in der Regel keine detaillierte Zukunftsplanung vornehmen, stellen die Einnahmenüberschussrechnungen oder Bilanzen sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen der letzten drei bis fünf Jahre die Grundlage für die Wertermittlung dar.
Weiterhin werden im Rahmen einer gesamtorientierten Unternehmensbewertung unter anderem Unterlagen zur Mitgliederentwicklung, Beitrags- und Mitgliederstatistiken, Informationen zu bestehenden Dienstleistungsverträgen, Mietverträgen und ggf. Untervermietungen sowie Personalaufstellungen benötigt.
Zusätzlich sollten zum Bewertungsstichtag bereits bekannte Änderungen oder Informationen zu einmaligen Aufwendungen angegeben werden, beispielsweise Ausgaben, die mit dem eigentlichen Geschäft nichts zu tun haben oder nur einmalig angefallen sind.
Bewertungsstichtag
Vor der Durchführung einer Bewertung muss der konkrete Bewertungsstichtag definiert werden, da dieser die Grundlage für alle in die Bewertung einbezogenen Faktoren darstellt. Das bedeutet: Alle Informationen, Änderungen und Kenntnisse, die zum Bewertungsstichtag noch nicht bekannt waren, können bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden.
Was wird berücksichtigt?
Hierbei ist der Fokus auf Vorgänge zu legen, die individuell oder einmalig geprägt sind und bei einer Unternehmensfortführung durch eine andere Person nicht relevant sind.
Betriebsvermögen
Bei einer gesamtorientierten Unternehmensbewertung wird zwischen betriebsnotwendigem und nicht betriebsnotwendigem Vermögen differenziert. Das Vermögen, das zur Erreichung des Unternehmenszwecks nicht notwendig ist, fließt nicht in die Bewertung ein, sondern wird bereinigt und separat ausgewiesen. Dazu können z. B. Geräte gehören, die sich noch im Anlagevermögen befinden, aber im Studio nicht mehr eingesetzt werden oder keinen Umsatz mehr generieren.
Bereinigungen
Für die Ermittlung der zukünftigen Ertragslage müssen Geschäftsvorgänge korrigiert werden, die einmalig, atypisch oder aperiodisch sind. Das bedeutet, dass Einnahmen und Ausgaben analysiert und zum Beispiel einmalige Versicherungszahlungen, erhöhte Anwaltskosten oder außergewöhnliche Instandhaltungsmaßnahmen zusammengetragen und bereinigt werden müssen.
Personalkosten
Bei der Analyse der Personalkosten wird überprüft, ob die aktuellen Gehälter als Grundlage für eine Zukunftsprognose herangezogen werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, ob Verträge auslaufen, Neuanstellungen oder Gehaltsanpassungen bekannt sind. Ebenso sollte überprüft werden, ob Familienangehörige im Unternehmen tätig sind, die nicht zu einem marktgerechten Stundenlohn vergütet werden.
Raumkosten
Die Raumkosten müssen auf eine neutrale Basis korrigiert werden. Das bedeutet: Bei eigenen Räumlichkeiten ist eine marktübliche Miete anzusetzen.
Pkw-Kosten
Auch die Pkw-Kosten müssen im Rahmen einer objektivierten Bewertung analysiert werden – insbesondere, ob alle Fahrzeuge für die Leistungserbringung notwendig sind und ob es sich um durchschnittliche Fahrzeugmodelle handelt.
Unternehmerlohn
Für die Ermittlung des ideellen Werts ist ein adäquater Unternehmerlohn von der Ertragsprognose abzuziehen. Dieser soll die individuellen Gegebenheiten sowie die Qualifikation und den Tätigkeitsumfang des Inhabers realistisch abbilden.
Substanzwert
Im Rahmen des modifizierten Ertragswertverfahrens wird zusätzlich zum Goodwill bzw. Firmenwert auch der Substanzwert des Unternehmens ermittelt. Der Substanzwert wird mitunter durch den Bewertungszweck definiert, berücksichtigt jedoch häufig die materiellen Sachanlagen des Anlagevermögens sowie immaterielle Vermögensgegenstände wie Lizenzen oder Patente und in manchen Fällen auch Warenbestände im Umlaufvermögen.
Für die konkrete Ermittlung dieser Sachanlagen müssen alle für den Studiobetrieb notwendigen Güter, Ein- und Umbauten sowie Kleingeräte und geringwertigen Wirtschaftsgüter erfasst und bewertet werden. Dabei spielen Alter, technische Nutzungsdauer und der Zustand des Geräteparks eine wesentliche Rolle. Diese Faktoren können den Unternehmenswert – abhängig vom betriebswirtschaftlichen Ergebnis – erheblich beeinflussen.
Ergebniszeitraum
Der beschränkte Ergebniszeitraum ist einer der wichtigsten Parameter bei der Anwendung des modifizierten Ertragswertverfahrens. Deshalb ist eine Objektivierung des angemessenen Ergebniszeitraumes anhand nachvollziehbarer Kriterien notwendig.
Hierfür müssen die zentralen Einflussfaktoren individuell analysiert und bewertet werden. Dazu zählen sowohl mikroökonomische Aspekte, also innerbetriebliche Faktoren wie Betriebsstruktur, Spezialisierung, Stabilität des Kundenstamms und Abhängigkeit vom Inhaber oder Personal, als auch makro-ökonomische Faktoren, wie die allgemeine Markt- und Wettbewerbsentwicklung in der Fitnessbranche.
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