Verkauf

Tipps zur Bestimmung des korrekten Physiopraxiswerts

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Viele hundert Physiotherapiepraxen bundesweit suchen jedes Jahr einen Nachfolger, meistens, weil die Inhaber in den verdienten Ruhestand gehen möchten. Oft wissen die Praxisinhaber jedoch überhaupt nicht, was dafür zu tun ist und wie sie sich darauf vorbereiten können. Unser Gastautor Achim Brüser gibt wertvolle Tipps für die Bestimmung des Praxiswerts.

Nach wie vor herrscht in der Physiobranche Unklarheit darüber, wie der Wert der Praxis und damit der Übernahmepreis ermittelt werden. Der Praxiswert und damit der mögliche Verkaufspreis sind eines der wichtigsten Themen beim geplanten Praxisverkauf – und gleichzeitig der häufigste Grund für das Scheitern von Verhandlungen über den Verkauf und Nachfolgeregelungen im Ganzen.

Gewinn ist wichtiger als Jahresumsatz

Um zunächst einmal mit einem hartnäckigen Vorurteil aufzuräumen: Der Wert einer Praxis hat nichts mit dem Umsatz, also mit der Höhe der jährlichen Honorareinnahmen zu tun. Zentrale Bedeutung hat alleine der regelmäßig ausgewiesene Gewinn, d. h. der Überschuss aus der Gewinnermittlung.

Dass der Jahresumsatz kein Maßstab ist, kann sich jeder vorstellen, der die Zahlen verschiedener Praxen miteinander vergleicht. Bei identischen Honorareinnahmen kann ein stark unterschiedliches Ergebnis entstehen. Denn in der Branche gibt es eine Spanne bzgl. der Gewinne zwischen 15 % und über 30 % vom Jahresumsatz.

Auch interessant: Das sollten Physiounternehmer vor dem Praxisverkauf beachten

Hierzu ein kleines Beispiel: Für einen geplanten Praxiserwerb gibt es zwei Alternativen – beide Praxen erwirtschaften 500.000 € Honorareinnahmen im Jahr. Und eine davon weist einen Gewinn von 90.000 € aus und die zweite verdient 175.000 €. Der Kaufpreis der beiden Praxen wird zwangsläufig unterschiedlich sein. Aber immer noch geistern Vorstellungen durch die Branche, wonach „X Prozent“ oder auch „ein Jahresumsatz“ den Kaufpreis einer Praxis darstellen. Das ist – mit allem Respekt – kompletter Unfug.

Der Preis wird mit dem Ertragswertverfahren ermittelt

Das sollte man für sich festhalten: Primär bezahlt ein Nachfolger einen Kaufpreis für den „Ertragswert“, also den „immateriellen Praxiswert“. Die anerkannte Methode zur Ermittlung dieses Praxiswertes heißt entsprechend auch (modifiziertes) Ertragswertverfahren.

Beispielrechnung zur Ermittlung des Kaufpreises einer Physiopraxis
Beispielrechnung zur Ermittlung des Kaufpreises einer Physiopraxis

Ganz klar: Nur für eine profitabel arbeitende Praxis wird ein guter Übernahmepreis bezahlt – die Höhe des Umsatzes interessiert dabei zunächst nur am Rande. So ganz nebenbei: Nur mit dieser Bewertungsmethode wird ein Interessent für die Praxisübernahme auch seine Bankfinanzierung für die Kaufpreiszahlung erhalten.

Was muss man zu diesem Ertragswertverfahren wissen

Entscheidend ist der ausgewiesene Gewinn über mehrere Jahre. Berücksichtigt werden die letzten 3 Jahre, aber auch die voraussichtlichen nächsten 2–3 Jahre.

Einkalkuliert wird eine angemessene Vergütung für den Praxisinhaber, denn der bezieht ja kein Gehalt (ist daher nicht in den Lohnkosten enthalten), sondern tätigt eine Privatentnahme. Eine Entlohnung für den Inhaber wird also „kalkulatorisch“ einberechnet.

An den korrigierten, durchschnittlichen Praxisgewinn wird dann ein Kapitalisierungszins angelegt, der unterschiedlich ausfallen kann. Geklärt werden hierzu u. a.:

  • Gibt es eine starke Abhängigkeit vom jetzigen Praxisinhaber?
  • Gibt es eine Abhängigkeit von einem oder wenigen Zuweisern?
  • Wie ist die Wettbewerbssituation?
  • Wie hat sich der Standort entwickelt (Demografie, Kaufkraft etc.)?
  • Wie sind die Praxisräume zu bewerten?
  • Besteht langfristig Standortsicherheit?
  • Privatpatientenanteil?

Im Ergebnis steht ein ideeller Wert, der als Gegenwert/Kaufpreis für die laufenden Honorareinnahmen, für den Patientenstamm usw. zu sehen ist.

Ein ganz entscheidender Punkt muss zusätzlich erläutert werden: Die Zahlen der vergangenen Jahre werden von Praxiskäufern (und ihren Beratern) schon deshalb intensiv geprüft, weil sie die Entwicklung der Praxis über die Jahre überblicken möchten.

Mindestens genauso wichtig ist aber die Sicht nach vorne – können die Umsätze und Gewinne (aller Voraussicht nach) nachhaltig weiter eingeplant werden? Und damit sind wir bei den Therapeuten: Nur dann, wenn das Team der Therapeuten auch künftig, also nach dem Verkauf, in gleicher Stärke tätig ist, spielen die ‚guten‘ Zahlen der Vergangenheit eine Rolle. Denn dann kann ein Kaufinteressent für sich eine gesicherte Planung für die Zeit nach der Praxisübernahme anstellen.


Nur dann, wenn das Therapeutenteam auch nach dem Verkauf in gleicher Stärke tätig ist, spielen die positiven Zahlen der Vergangenheit eine Rolle (Bildquelle: © Krakenimages.com – stock.adobe.com)

Um es deutlich zu sagen: Wer als Praxisinhaber in dem Moment den Praxisverkauf plant, wenn sich die Zahl der Therapeuten und damit die Anzahl der möglichen Therapiestunden reduziert hat, wird das beim Praxiswert und beim Verkaufspreis sehr schmerzhaft spüren: Der künftige Umsatz sinkt und damit natürlich auch der Überschuss – und das berücksichtigen dann auch die möglichen Käufer.

Zum bestmöglichen Zeitpunkt verkaufen

Leider ist es so, dass sich zahlreiche Praxisinhaber wirklich erst mit ihrer Nachfolge beschäftigen, wenn der Kreis der Therapeuten (z. T. erheblich) zurückgegangen ist. Klarer Tipp: Verkaufen Sie dann, wenn die Praxis erstklassig gut aufgestellt ist, und nicht erst dann, wenn Sie – wegen Therapeutenabgängen – die guten Umsatz- und Ergebniszahlen der vergangenen Jahre schwinden sehen.

Schließlich noch ein Wort zur Methodik und Herangehensweise bei der Praxisbewertung: Wie eingangs schon erläutert, funktioniert eine Wertermittlung über den Jahresumsatz keinesfalls.

Aber es gibt noch weitere ,Methoden‘, die für große Enttäuschungen und Ärger sorgen können: so wie z. B. die uralte und mittlerweile längst überholte „Ärztekammerformel“, aber auch das „Bewertungsgesetz“, das von Steuerberatern manchmal herangezogen wird, aber für völlig andere Aufgaben geschaffen wurde und für eine Vermarktung völlig ungeeignet ist.

Wie grandios ein Verkauf mit einem falschen Wertansatz scheitern kann, soll dieses Beispiel zeigen: Ein Praxisinhaber lässt sich von einem Rechtsanwalt ausrechnen, was er für seine Praxis bekommt. Dieser ermittelt ein Ergebnis von 240.000 €. Ein ganzes Jahr lang versucht er auf dieser Basis daraufhin, ohne jeden Erfolg einen Käufer zu finden.

Was war passiert: Der Anwalt hatte diese „Ärztekammerformel“ als Wertermittlungsverfahren gewählt, die früher Anwendung fand, aber längst keine Bedeutung mehr hat. Dabei wird der Jahresumsatz + ein Wert für die Einrichtung berücksichtigt. Fakt war in diesem Fall jedoch: Die Praxis erwirtschaftete durchschnittlich etwa 105.000 € als Gewinn (wovon noch das kalkulatorische Gehalt für den Praxisinhaber abzuziehen war), damit lag der realistische Verkaufspreis aber nur bei etwa 110.000 €, nicht jedoch bei 240.000 €.

Auf der anderen Seite dieser konkrete Fall aus dem Jahr 2024: Ein Praxisinhaber stellte sich im Rahmen seiner Nachfolgersuche selbst „eine Ablöse von vielleicht 100.000 €“ vor. Eine genaue Wertermittlung dieser profitablen Praxis brachte ein Ergebnis von 230.000 € – und zu diesem Preis wurde die Einrichtung dann auch innerhalb von 6 Wochen verkauft. Wenn alles passt, kann es also auch mal ganz schnell gehen.

Therapeuten sind wichtiger als das Mobiliar

Bisher haben wir nicht über die Einrichtung und Ausstattung der Praxis gesprochen – die spielt jedoch bei der Wertermittlung tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle. Meistens ist es so, dass die Behandlungsbänke, Geräte usw. längst abgeschrieben sind, und auch wenn man das alles noch für „prima in Schuss“ hält, sollte man das nicht überbewerten.

Viel wichtiger ist es, dass die Einrichtung und der gesamte Praxiszustand rundum gut und einwandfrei sein sollten: problemlos funktionierende Liegen, keine Risse, Schäden oder Verschmutzungen in den Bezügen, die Böden und Wände der Praxis frisch und sauber etc.

Ein abgewirtschafteter, verschlissener Zustand signalisiert jedem Interessenten bei der ersten Besichtigung: „Hoher zusätzlicher Investitionsbedarf“ – das ist dann ganz schnell ein K.O.-Kriterium.

Zusatztipp: Es ist sinnvoll, den Praxisverkauf mit einer vollständigen Kaufpreiszahlung abzuwickeln. Wer als Verkäufer 55 Jahre oder älter ist, profitiert von einem großen Vorteil bei der Versteuerung des Verkaufserlöses – der sogenannte „hälftige Steuersatz“. Über eine Verrentung sollte man nicht nachdenken: Damit ist man komplett abhängig von dem Käufer und dessen Geschäftstätigkeit in den nächsten langen Jahren. Und auch, wenn die Praxis weiter gut läuft, muss die Rente unter Umständen voll versteuert werden.

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Der Autor

  • Achim Brüser

    Achim Brüser ist seit 30 Jahren als Unternehmensberater im BDU selbstständig. Er berät die Inhaber von mittelständischen Unternehmen und freiberuflichen Praxen. Sein Schwerpunkt liegt dabei in der Begleitung der Praxisinhaber bei der Regelung ihrer Nachfolge. 
    Kontakt: info@brueser.de

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