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Gewisse Ausbildungsstandards in der Fitnessbranche sind überfällig: Claus Umbach im Interview

Bildquelle: © Deutsche Berufsakademie Sport und Gesundheit

Warum fällt es Studiobetreibern so schwer, geeignetes Personal zu finden und dieses langfristig zu binden? Und was muss passieren, dass der Stellenwert der Fitnessbranche in der Gesellschaft und Politik steigt? Darüber haben wir mit Fitness-Urgestein Claus Umbach gesprochen.

BODYMEDIA: Was hat sich durch und nach der Coronapandemie im Ausbildungsbereich verändert und wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Claus Umbach: Auch für den Ausbildungsbereich wurden durch die Pandemie die Uhren neu gestellt. Vor allem wurden Onlineausbildungen verstärkt konzipiert. Da sich Menschen nicht begegnen konnten, traf man sich am Bildschirm. Vergleichbare Maßnahmen wurden auch in den Schulen für die Schüler durchgeführt. Dabei zeigt sich nach Corona, auch durch wissenschaftliche Studien untermauert, dass im Nachhinein die Lernleistungen nicht so ergiebig waren, wie in Präsenz. Es zeigte sich einmal mehr, dass wir Menschen nun einmal soziale Wesen sind. So belegen Studien, dass Lerninhalte, die man gemeinsam lernt, gemeinsam diskutiert und in direkter Interaktion mit anderen Menschen erarbeitet, wesentlich besser verstanden und erinnert werden. 

Ein permanentes Feedback durch die Lehrer ist wichtig, um persönliche Erfolgserlebnisse zu bekommen. Wenn man diese dann mit anderen in der Gruppe teilen kann, macht Lernen richtig Spaß. Wenn man dann in der Süddeutschen Zeitung am 10.03.2023 liest, dass der fehlende Präsenzunterricht in der Pandemie den kognitiven Fähigkeiten von Schülern geschadet hat, so kann ich nur für Präsenzunterricht plädieren. Zumal im Sport und der Sportwissenschaft das Erlernen und Vormachen von Bewegungen dazu kommt.

BODYMEDIA: Im Fitness- und Gesundheitsbereich ist es aufgrund der Vielzahl an Aus- und Weiterbildungen sowie Studienmöglichkeiten schwierig, den Überblick zu behalten. Was zeichnet Ihrer Meinung nach ein hochwertiges Angebot aus?

Claus Umbach: Im Fitness- und Gesundheitsbereich fehlen ganz klar strukturelle und auch inhaltliche Vorgaben. Der Staat hat sich hier komplett herausgehalten. Dies ist bereits seit den 80er-Jahren der Fall. Oft werden Lizenzen im Fernunterricht mit wenigen Präsenztagen durchgeführt. Der Fernunterricht mit seinen Materialien entspricht den staatlichen Rahmenbedingungen für Fernunterricht. Dabei ist aber nicht das Alter der Literatur vorgegeben. Jede Ausbildungsinstitution wählt eigene Inhalte. Einen Bundesrahmenplan gibt es nicht. Im organisierten Vereins- und Verbandssport ist es anders. 

Hier werden vom DOSB Rahmenlehrpläne vorgegeben und die Fachverbände erstellen auf dieser Basis ihre Pläne mit der Sportartspezifik. Im organisierten Sport werden auch alle Präsenzen in Stunden vorgegeben. Im Fitnessbereich unterscheiden sich Ausbildungen durch den Preis. Man weiß aber nicht, was dafür direkt eingekauft wurde. Ich kämpfe seit den 80er-Jahren für klare Ausbildungsbedingungen, Inhalte und Umfang. Derzeit ist es z. B. so, dass ein Kunde bei Institution A seine B-Lizenz in drei Tagen und diese bei Institution B in 12 Tagen macht, und beide haben eine B-Lizenz.

BODYMEDIA: Wäre es da nicht wünschenswert, dass es im Sinne der Qualität Ausbildungsstandards gäbe? Wie ließe sich das realisieren?

Claus Umbach: Gerade, weil viele Studios Gesundheitsanbieter sein wollen, ist es mehr als überfällig, gewisse Ausbildungsstandards vorzugeben. Letztendlich haben wir es mit Menschen zu tun, die in ein Studio gehen und dort eine hohe Erwartungshaltung haben. Sie haben in der Regel ein „Zipperlein“ und möchten geholfen bekommen. Da sollen schon gut ausgebildete Trainer vor Ort sein. Ich muss immer wieder feststellen, dass alle Qualität wollen, es aber keinen Maßstab gibt, an dem man Qualität misst.

BODYMEDIA: Viele Betreiber haben Schwierigkeiten, geeignete Mitarbeiter zu finden. Ist dies allein der Situation auf dem Arbeitsmarkt geschuldet oder hat das Ihrer Meinung nach noch andere Gründe? Wenn ja, welche?

Claus Umbach: In der Tat wird heute sehr viel über fehlendes Personal diskutiert. Dabei kann man sich bei neuen Mitarbeitern nur über die Attraktivität und gute Bezahlmodelle in Szene setzen. Wenn dual Studierende bei einer 35-Stunden-Arbeitswoche mit 800 Euro inklusive der Studiengebühren nach Hause gehen, so muss man sich nicht wundern, wenn solche Angebote von jungen Menschen abgelehnt werden. Im Grunde sind wir eine attraktive und zukunftsweisende Branche und somit auch das, was junge Menschen suchen. Wir müssen nur deutlich machen, dass wir die Besten brauchen, natürlich mit entsprechenden Gehältern. Die Mitarbeiter suchen Perspektiven mit Anerkennung. Warum setzen wir es nicht um?

BODYMEDIA: Was müssten Clubbetreiber tun, damit es ihnen häufiger gelingt, junge und gute Mitarbeiter längerfristig zu binden?

Claus Umbach: Ich kann Betreibern nur raten, die Wertschätzung von Mitarbeitern stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Wenn ich z. B. einen Mitarbeiter mit Bachelorabschluss einstelle, so muss zwangsläufig weiterstudiert und der Master gemacht werden. Ich denke, man muss nicht nur die tägliche Arbeit sehen, sondern die Entwicklungsmöglichkeiten betonen. Die Fitness-und Gesundheitsbranche ist ein Markt mit großem Potenzial. Man sollte endlich mit Dumping-Mitgliederpreisen aufhören, ein solides Preisraster installieren und die Trainer leistungsgerecht bezahlen.

BODYMEDIA: Die Fitnessbranche leistet einen wichtigen Beitrag im Gesundheitsmarkt. Woran liegt es, dass dies in der Gesellschaft noch nicht so wahr-genommen und anerkannt wird? Was müsste sich ändern?

Claus Umbach: Die Pandemie hat es an den Tag gebracht. Fitnessstudios waren eingereiht mit dem Rotlichtmilieu usw. Da hat man dann diskutiert, dass wir doch Gesundheitsanbieter sind. Auch von der Verbandsseite wurde das Wort Gesundheit präferiert. Doch bis zum heutigen Tag ist nichts passiert. Alles Gedankengut aus der Zeit vor der Pandemie wird wieder benutzt. Leider. Dabei könnte die Fitnessbranche gerade als Gesundheitsanbieter dafür sorgen, dass die Krankenkassenbeiträge stabil bleiben könnten. Wer kümmert sich um die älter werdende Bevölkerung? Wir reden von den Babyboomern. Diese Menschen hätten Lust, mehr ins Studio zu gehen, aber wer betreut sie? Unsere Branche ist so heterogen. Es gibt Ketten, personallose Studios, inhabergeführte Studios, CrossFit-Boxen usw. Ein bunter Strauß von Möglichkeiten. Leider differenzieren wir uns immer weiter, statt endlich mal mit einer Stimme auch unsere politischen Forderungen zu artikulieren. Warum macht die Branche sich nicht mal auf, um auf Missstände hinzuweisen? Wir haben keine Forderungen an die Parteien zur Bundestagswahl gestellt. Wann wachen wir auf? Aber vielleicht geht es der Branche noch zu gut?

BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.

Bildquelle Header: © Deutsche Berufsakademie Sport und Gesundheit

Der Autor

  • Constantin Wilser

    Constantin Wilser ist seit 2006 in der Fitnessbranche als Redakteur tätig. Davor absolvierte er sein Bachelor-Studium der Sportwissenschaften am KIT in Karlsruhe. Seit 2019 ist er Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktionsteams. Seit Anfang 2023 ist er Chefredakteur. In seiner Freizeit trainiert der Fußball-Fan gerne im Studio, geht laufen oder fiebert im Fußball-Stadion mit.

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