Zwei Fragen an Renate Holland, Geschäftsführerin Speedfitness GmbH
BODYMEDIA: Sie haben die Anfänge der deutschen Fitnessbranche miterlebt. Wie wurde die Branche damals von der Gesellschaft wahrgenommen und wie hat sich das Meinungsbild im Verlauf der Jahre entwickelt?
Renate Holland: Als ich 1982 mit dem Bodybuilding angefangen habe, gab es noch nicht so viele Studios wie heute. Albert Busek eröffnete im selben Jahr für die damaligen Verhältnisse ein absolutes Premiumstudio in München mit Aerobic und in der Etage darüber ein Leistungszentrum für Krafttraining.
Der Aerobic-Trend aus den USA, nicht zuletzt dank Jane Fonda, schwappte aus den USA genauso zu uns wie Calisthenics. Muskeln waren verpönt und in keiner Werbung zu finden.
Der Altersdurchschnitt war sehr hoch. Heute wird mit einem muskulösen Körper geworben, denn das Bild von einem gesunden, starken Menschen zeugt von Erfolg, Willen und Durchsetzungskraft. Die Jugend hat das Krafttraining für sich entdeckt und drückt heute den Altersdurchschnitt stark nach unten. Krafttraining, also Bodybuilding, ist seit einiger Zeit der Trend, der die Jugend begeistert.
BODYMEDIA: Was konkret wünschen Sie sich als Clubbetreiberin von der Politik?
Renate Holland: Ich wünsche mir, dass die Politik erkennt, wie wichtig die Fitnessstudios und deren Trainingsmöglichkeiten für die Gesunderhaltung der Menschen sind, welche gute Arbeit sie leisten und dass sie systemrelevant sind. Sie entlasten das Gesundheitssystem und leisten damit einen wichtigen Beitrag.
BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.
Bildquelle: © Speedfitness GmbH
Ihre Einschätzung, Werner Pfitzenmeier, Gründer und Geschäftsführer Unternehmensgruppe Pfitzenmeier
BODYMEDIA: Sie haben die Anfänge der deutschen Fitnessbranche miterlebt. Wie wurde die Branche damals von der Gesellschaft wahrgenommen und wie hat sich das Meinungsbild im Verlauf der Jahre entwickelt?
Werner Pfitzenmeier: Der Wandel von den Anfängen bis heute ist immens. Ich habe damals die ersten Trainingsmöglichkeiten im Keller meines Elternhauses angeboten. Das wäre heute nicht vorstellbar, aber die damalige Zeit hat es zugelassen. Das Interesse der Menschen in meinem Umfeld war da und der Zulauf wurde größer. Es war etwas Neues, etwas Aufregendes.
Doch wie bei allem ist es wichtig, immer am Puls der Zeit zu bleiben. Ich habe mich schon immer für Trends in der Fitnessbranche interessiert und denke, dass der Mut zur Innovation ein Teil der Erfolgsgeschichte von Pfitzenmeier ist.
Heute wird in der breiten Öffentlichkeit viel mehr Wert auf das eigene Wohlbefinden gelegt. Dazu gehören auch unsere drei Säulen: Wellness, Fitness und Gesundheit. Fitness ist nicht mehr für nur ein paar Kraft- und Fitnesspioniere geeignet und wird nicht mehr neugierig beäugt, es ist fester Bestandteil des Alltags.
Das Schöne daran ist, dass jeder Fitness und Wellness betreiben kann und die Möglichkeiten vielfältig sind. Wir bieten z. B. Woche für Woche über 1.300 Kurse und Workouts von Aqua bis Yoga an unseren Standorten an. Es gibt nicht nur einen Kurs, sondern eine ganze Palette, sodass jeder das Richtige findet. Das ist sinnbildlich für die Entwicklung und auch Wahrnehmung der Fitnessbranche.
BODYMEDIA: Was konkret wünschen Sie sich als Clubbetreiber von der Politik?
Werner Pfitzenmeier: Die Entwicklung zeigt ja, wohin die Reise der Fitnessbranche geht. Fitness und Wellness, aber vor allem die eigene Gesundheit werden immer wichtiger. Die Öffentlichkeit, die Menschen nehmen es wahr und verlangen mehr. Die meisten wollen etwas für ihre Gesundheit und das Wohlbefinden tun.
Training, um Fehlbelastungen vorzubeugen oder entgegenzuwirken, aber auch Ruhezeiten und Entspannung, um den Alltag zu entschleunigen, gehören zum Leben dazu. Es wird viel gearbeitet, aber der eigene Körper und die mentale Verfassung geraten immer mehr ins Bewusstsein. Wir helfen aktiv mit, die Gesundheit zu fördern. Deshalb wäre ein Wunsch, die Mehrwertsteuer in der Fitness- und Gesunsheitsbranche auf 7 % zu senken.
BODYMEDIA: Herzlichen Dank für das Interview.
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Nachgefragt bei Markus Rauluk, Inhaber Medical Active Consulting
BODYMEDIA: Wie könnte die Fitness- und Gesundheitsbranche konkret von der politischen Seite stärker gefördert werden?
Markus Rauluk: Die Ansätze sind vielfältig. Allem voran war und ist zunächst die Aufklärung der Politik über die Leistungsfähigkeit qualifizierter Anbieter innerhalb der Fitness- und Gesundheitsbranche eine wichtige Voraussetzung.
Dann gilt es, die Bevölkerung über die Chancen durch eigenverantwortlich motiviertes Training für ein gesünderes Leben aufzuklären und zu sensibilisieren.
Die positiven, medizinischen Auswirkungen von gesteuertem Muskel- und Beweglichkeitstraining auf jedes Lebensalter und natürlich auch die Chance, die zweite Lebenshälfte bis ins hohe Alter bei guter Gesundheit zu erleben, sollten durch Vorbilder, positive Aufrufe und Kampagnen kommuniziert und durch finanzielle Anreize, wie zum Beispiel Mitgliedschaft, Werbekosten, Steuern sparen, unterstützt werden.
Hierbei sollte man zwar nicht vergessen, auch die Krankenkassen einzubinden, gleichzeitig wird es aber in Zukunft für jeden Einzelnen immer stärker darum gehen, eigenverantwortliches Handeln für die Gesundheit losgelöst von sozialen Subventionen ins Leben zu integrieren.
BODYMEDIA: Was stimmt Sie optimistisch, dass die Fitness- und Gesundheitsbranche zukünftig, vor allem von der Politik, mehr Wertschätzung erhält?
Markus Rauluk: Politische Strukturen muss man zunächst kennenlernen und verstehen, um zu wissen, über welche Kontakte, Wege und Kanäle man sich in Berlin Gehör verschaffen kann.
Hier wurden gerade während der Coronazeit verschiedene Weichen gestellt, die hoffen lassen, insbesondere durch die Experten Allianz für Gesundheit e. V., die auch in enger Abstimmung mit dem DSSV und Arbeitgeberverband agiert, um die Branche möglichst mit einer Stimme in Berlin zu vertreten.
Erfreulicherweise gibt es mittlerweile immer mehr durchaus auch sportlich ambitionierte Politiker, die sich für die Themen unserer Branche Schritt für Schritt zunehmend offener zeigen. Dennoch bedarf es eines hohen und ausdauernden Engagements auf der Basis wissenschaftlich fundierten Wissens, um wichtige Branchenziele nachhaltig an der richtigen Adresse zu positionieren.
Ein starker Zusammenhalt der Branche ist hier ein wichtiges Signal. Dieses sollten die Unternehmer bzw. Studiobetreiber unserer Branche auch durch die Unterstützung der Experten Allianz für Gesundheit e. V. zum Ausdruck bringen. Die Branche scheint auf jeden Fall auf einem immer besseren Weg zu sein.
BODYMEDIA: Danke für das Interview.
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Ihre Meinung, Ralph Scholz, 1. Vorsitzender DIFG
BODYMEDIA: Die Fitness- und Gesundheitsbranche ist über die Jahre auch zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor geworden. Wird diese Entwicklung auf politischer Ebene ausreichend honoriert? Woran könnte es Ihrer Meinung nach liegen, dass dies nicht ausreichend der Fall ist?
Ralph Scholz: Die Fitnessbranche hat sich nicht nur zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt, sondern muss zu den größten Dienstleistern im Gesundheitsbereich gezählt werden. Unsere Branche übernimmt und leistet einen positiven Beitrag für eine gesunde und leistungsbereite Gesellschaft.
In den Jahren vor Corona haben wir es allerdings verpasst, die Relevanz und das Ansehen unserer Branche auf politischer Ebene, aber auch in der breiten Öffentlichkeit klar zu positionieren und die Vorteile und den Nutzen von regelmäßigem Fitnesstraining herauszustellen. Erst in den letzten Jahren wandelt sich das Ansehen durch verschiedene öffentlichkeitswirksame Projekte und Kampagnen, wie z. B. der #beactiveday.
Ich sehe es aber nicht so, dass in der Politik die gesellschaftliche und soziale Bedeutung der Fitnesswirtschaft grundsätzlich nicht wahrgenommen wird, wie es ihre zweite Frage unterstellt. Denn die Politik ist ja durchaus bereit, Bewegungsangebote zu fördern. Die Frage ist also eher: Was müssen wir dafür tun, um von diesen Förderungen zu profitieren – an der Beantwortung dieser Frage arbeiten auch wir als DIFG.
BODYMEDIA: Was tut der Verband aktuell, um die Interessen der Fitness- und Gesundheitsbranche auf wirtschaftlicher und politischer Ebene zu vertreten bzw. mehr Wertschätzung zu erlangen?
Ralph Scholz: Der DIFG e. V. hat sich zum Ziel gesetzt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Fitnesswirtschaft zu verbessern. Unsere Leitidee ist es, Fitness für jeden Menschen flächendeckend zugänglich zu machen. Als Fitnesswirtschaft sehen wir neben der Industrie vor allem natürlich die Studiobetreiber, die für das Gelingen der Gesundheitsdienstleistungen direkt am Menschen sind.
Die Clubbetreiber und Trainer übertragen ihr Wissen und ihre Erfahrung für ein gesundes und längeres Leben auf die Trainierenden. Um mehr Wertschätzung auf politischer Ebene zu bekommen, müssen alle Marktteilnehmer gemeinsam die Interessen der Fitnessbranche zielführend vertreten.
Wir legen den Fokus auf eine enge Abstimmung mit unseren Mitgliedern, um weiterführend so mit den anderen Verbänden und Institutionen die gemeinsamen Ziele auf politischer und öffentlicher Ebene voranzubringen. So beteiligt sich der DIFG e. V. an europäischen Projekten zum Thema neue Technologien und Nachhaltigkeit.
BODYMEDIA: Vielen Dank für Ihre Antworten.
Bildquelle: © DIFG
Das sagt Bernd Schranz, 1. Vorsitzender RehaVitalisPlus e. V.
BODYMEDIA: Was muss getan werden, dass die immensen gesundheitsförderlichen und präventiven Aspekte von Fitnesstraining in der Politik und in der Bevölkerung noch stärker anerkannt werden?
Bernd Schranz: Gesundheitstraining ist mehr als nur Sport, Bewegung oder Fitness. Es ist ein präventives als auch rehabilitatives Konzept, das körperliches, geistiges und soziales Wohlergehen vereint. Obwohl seine positiven Auswirkungen auf die Gesundheitsvorsorge bekannt sind, wird es von Politik und Gesellschaft noch zu wenig identifiziert und wahrgenommen. Die Frage ist, wie sich diese Wahrnehmung verstärken lässt.
Das Verständnis für die Bedeutung von Gesundheitstraining sollte bereits in der Schule gelehrt werden. Bildungsprogramme müssen umfassende Informationen über den Zusammenhang von regelmäßigem, fachlich betreutem und terminiertem Training und Gesundheit beinhalten. Eine aufgeklärte Generation kann die Basis für eine gesundheitsbewusste Zukunft schaffen.
BODYMEDIA: Was konkret würden Sie ändern, wenn Sie Einfluss auf die deutsche Gesundheitspolitik hätten?
Bernd Schranz: Die Politik muss erkennen, dass langfristig Geld im Gesundheitssystem eingespart werden kann, wenn in präventives als auch rehabilitatives Gesundheitstraining investiert wird. Steuererleichterungen für Betriebe und oder die Menschen, die in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter oder sich selbst investieren, könnten dies fördern.
Öffentliche Investitionen oder besser noch die Befreiung von der Umsatzsteuer in Gesundheitssporteinrichtungen sind entscheidend für eine breitenwirksame Implementierung.
Würde ich die Politik beeinflussen können, so würde ich auf die stärkere Förderung des Gesundheitstrainings als gesetzlich anerkannte Maßnahme hinwirken.
Eine Verbindung von medizinischer Versorgung, maßgeschneiderten sowie systemischen Trainingsprogrammen, wie solche von Anbietern wie Rehabox und andere, muss Standard werden.
Die Integration von Gesundheitstraining in den Alltag der Menschen sollte ein vorrangiges Ziel von Bildung und Politik sein. Mit einer gezielten Strategie, die Bildung, ökonomische Anreize und politische Unterstützung vereint, kann das Gesundheitstraining als grundlegender Aspekt der Gesundheitsvorsorge etabliert werden. Nur so kann die Gesellschaft sowohl gesundheitlich als auch wirtschaftlich auf lange Sicht profitieren.
BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.
Bildquelle: © RehaVitalisPlus e. V.
Ihre Meinung, Prof. Dr. Theodor Stemper und Botond Mezey, Vorsitzende BVGSD e. V.
BODYMEDIA: Was sind auf politischer Ebene die größten Erfolge, die die Fitnessbranche in den vergangenen Jahren verzeichnen konnte?
Prof. Dr. Theodor Stemper, Botond Mezey: Der BVGSD e. V. hat sich seit seiner Gründung für die verbands- und gesundheitspolitische Vertretung der gesundheitsorientierten Studios eingesetzt. Das bedeutet eine klare Fokussierung auf qualitätsgesichertes, betreutes Training in professionell geführten Anlagen. Diese Ausrichtung wird sowohl in die Branche hinein als auch nach außen stets deutlich akzentuiert und kommuniziert.
Speziell in und nach der Coronakrise hat sich die politische Aktivität fast aller Verbandsvertreter aus Sicht des BVGSD e. V. deutlich verbessert, wenngleich unsere Kooperationsangebote nicht wahrgenommen wurden.
Als Schwerpunkte und Erfolge der „politischen Arbeit“ im engeren Sinne sind aber dennoch für die Gesamtbranche, speziell aber auch für den BVGSD e. V., die vermehrten und vertieften Kontakte zur Legislative (Parteipolitik) und Exekutive (Ministerien) zu nennen.
Damit dieses gesetzeskonform geschehen kann, war für den BVGSD e. V. z. B. die Eintragung in das Lobbyregister des Bundestages erforderlich und wurde erfolgreich durchgeführt.
BODYMEDIA: Was tut Ihr Verband aktuell, um die Interessen der Fitness- und Gesundheitsbranche auf wirtschaftlicher und politischer Ebene zu vertreten bzw. mehr Wertschätzung zu erlangen?
Prof. Dr. Theodor Stemper, Botond Mezey: Politische Arbeit mit Legislative und Exekutive geschieht seitens des BVGSD e. V. in den letzten Jahren sowohl im Sinne intensiver Korrespondenz zu Fragen der Prävention und Rehabilitationsleistungen in Gesundheitsstudios als auch zur Gesellschaftspolitik insgesamt.
Der BVGSD e. V. war beispielsweise auf seinen Antrag hin als Vertretung der gesundheitsorientierten Fitnessbranche in 2023 beim „Runden Tisch Bewegung und Gesundheit“ des BMI und BMG beteiligt sowie beim sog. „Bewegungsgipfel 2“ in Berlin 2024. Und im Land NRW war die Expertise des BVGSD e. V. 2023 bei der Vergabe von Fördermitteln des Landes gefragt.
Mit zahlreichen Krankenversicherungen ist der BVGSD e. V. zudem derzeit im intensiven Austausch über die weitere Qualifizierung und Qualitätsoptimierung der Gesundheitsstudios als wichtige Player für Gesundheitsvorsorge, Prävention und Rehabilitation.
BODYMEDIA: Vielen Dank.
Bildquelle: © BVGSD e. V.
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