Recht

Arbeitszeiterfassung: Anforderungen und anstehende Neuerungen

In einem Grundsatzurteil zur Arbeitszeiterfassung hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass Arbeitgeber zur Einführung eines Arbeitszeiterfassungs-Systems verpflichtet sind. Welche Auswirkungen diese Entscheidung hat und welche Neuerungen zu erwarten sind, fasst Dr. Hans Geisler für euch zusammen.

Am 13.09.2022 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass Arbeitgeber gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes zur Einführung eines Systems verpflichtet sind, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

Bis zu diesem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Juristen in Rechtsprechung und Literatur einhellig davon ausgegangen, dass es jedenfalls bislang keine grundsätzliche gesetzliche Verpflichtung zur Dokumentation von Arbeitszeiten gibt. Eine solche ist gesetzlich nur nach dem Arbeitszeitgesetz (dort für die über 8 Stunden werktäglich
hinausgehende Arbeitszeit) sowie im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach dem Mindeslohngesetz ausdrücklich geregelt.

Das BAG hat nunmehr entschieden, dass bereits nach der bestehenden Rechtslage eine allgemeine Dokumentationsverpflichtung besteht, und begründet dies mit einer Vorschrift aus dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Insoweit verpflichte § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG den Arbeitgeber bereits unmittelbar, die Arbeitszeiten aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Mitarbeiter zu dokumentieren.

Das BAG legt diese Vorschrift europarechtskonform aus und bezieht sich insoweit auf eine Entscheidung des EuGH vom 14.05.2019 (Az.: C-55/18). Im Rahmen dieser Entscheidung stellte der EuGH fest, dass Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann.

Aus der unionsrechtlichen Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG leitet das BAG nunmehr die in Deutschland bestehende Verpflichtung zur Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit der Arbeitnehmer her.

Explizite gesetzliche Regelung kommt

Da ein Verstoß gegen die Regelung des ArbSchG nicht grundsätzlich bußgeldbewehrt ist, plant die Bundesregierung, die Verpflichtung zur Erfassung von Arbeitszeiten ausdrücklich im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zu regeln. Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat im April dieses Jahres einen Referentenentwurf zur Arbeitszeiterfassung im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) und im Jugendarbeitsschutzgesetz erstellt. Dieser wird zurzeit regierungsintern beraten.

Wenngleich dieser Referentenentwurf noch abzustimmen ist und das förmliche Gesetzgebungsverfahren zu durchlaufen hat, bleibt es jedenfalls dabei, dass unter Berücksichtigung des Beschlusses des BAG bereits jetzt die Verpflichtung zur Erfassung von Arbeitszeiten besteht, Verstöße hiergegen aber in der Regel sanktionslos sind.

Wird die zuständige Aufsichtsbehörde jedoch aufgrund einer sogenannten vollziehbaren Anordnung tätig, drohen Bußgelder.

Anforderungen an die Arbeitszeiterfassung nach aktuellem Gesetzesentwurf

Der Referentenentwurf zur Ergänzung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG-E) sieht einige Neuregelungen vor: § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E sieht eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur täglichen Aufzeichnung von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor.

Damit unterscheidet sich der Referentenentwurf bereits maßgeblich von der Verpflichtung zur Dokumentation der Arbeitszeiten geringfügig Beschäftigter nach dem MiLoG, wonach die Verpflichtung nur wöchentlich besteht. Der Referentenentwurf sieht demnach eine zeitlich stärker reglementierte Arbeitszeiterfassung durch kürzere Intervalle der Zeiterfassung vor.


Die Vielzahl der einzuhaltenden Anforderungen, die das Arbeitszeitgesetz vorgibt, sind ohne digitale Unterstützung und Übersichten nur schwer einzuhalten und zu kontrollieren (Bildquelle: © Ralf Geithe - stock.adobe.com)

Gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG-E soll die Erfassung der Arbeitszeit zwar elektronisch erfolgen, durch oder aufgrund eines Tarifvertrages soll von dieser Regelung jedoch gemäß § 16 Abs. 7 Nr. 1 ArbZG-E abgewichen werden können. Nach § 16 Abs. 3 ArbZG-E soll der Arbeitgeber die Aufzeichnung der Arbeitszeit auf Dritte übertragen dürfen. Darunter ist insbesondere die Übertragung der Aufzeichnungspflicht auf Vorgesetzte, auf externe Dritte oder aber auch auf den Arbeitnehmer selbst zu verstehen.

Bei der Übertragung der Aufzeichnungspflicht auf den Arbeitnehmer wird der Arbeitgeber auf die Überprüfung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verzichten dürfen. Damit er jedoch von Verstößen gegen die gesetzliche Arbeits- und Ruhezeit Kenntnis erlangt, muss er geeignete Maßnahmen sicherstellen. Für die Ordnungsmäßigkeit der Aufzeichnung bleibt der Arbeitgeber weiterhin verantwortlich.

Vertrauensarbeitszeit bleibt weiterhin möglich

Der Referentenentwurf sieht zudem vor, dass ein Gebrauch der Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich bleibt. Die Vertrauensarbeitszeit ist ein flexibles Arbeitszeitmodell, bei dem der Arbeitnehmer in Eigenverantwortung über den Beginn und das Ende der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit bestimmen kann, sofern er seiner vertraglichen Arbeitsverpflichtung nachkommt.

Gemäß § 16 Abs. 4 ArbZG-E soll der Arbeitgeber hierbei jedoch sicherstellen müssen, dass ihm sämtliche Verstöße gegen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes zur Dauer und zur Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden.

Für die weitere Nutzung des Arbeitszeitmodells der Vertrauensarbeit bedeutet dies in der Praxis, dass die Vertrauensarbeitszeit durch eine entsprechende Meldung des elektronischen Systems der Arbeitszeiterfassung dargelegt werden muss. Das heißt, auch bei Vertrauensarbeit besteht die Pflicht zur Aufzeichnung. Der Arbeitgeber soll im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes jedoch nicht verpflichtet werden, die vertraglich vereinbarte Vertrauensarbeitszeit zu prüfen.

Gemäß § 16 Abs. 5 ArbZG-E soll der Arbeitgeber zur Darlegung der aufgezeichneten Arbeitszeit auf Verlangen des Arbeitnehmers verpflichtet sein. Diese Verpflichtung hat insbesondere im Rahmen der Geltendmachung von Überstundenvergütung eine beachtliche Konsequenz.

Macht der Arbeitnehmer Vergütungsansprüche für geleistete Überstunden geltend, ist er im Hinblick auf die Anordnung und den Anfall der Überstunden darlegungs- und beweisbelastet.

Jedenfalls was das Anfallen der Überstunden betrifft, wird es zukünftig für Arbeitnehmer leichter, dieses zu beweisen, da der Arbeitgeber zur Auskunft und Herausgabe verpflichtet ist. Allerdings bleibt es dabei, dass die Anordnung der Überstunden nach wie vor vom Arbeitnehmer bewiesen werden muss.

Unterschiedliche Regelungen, je nach Unternehmensgröße

Für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten dieser gesetzlichen Neufassung normiert § 16 Abs. 8 S. 1 f. ArbZG-E, dass das Formerfordernis der Aufzeichnungspflicht (Aufzeichnung in elektronischer Form) ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten wird.

Für Arbeitgeber mit weniger als 250 Arbeitnehmern soll die Übergangsregelung zwei Jahre gelten, mit weniger als 50 Arbeitnehmern ganze fünf Jahre. Im Rahmen der Übergangsregelung ist es ausreichend, wenn die Arbeitszeiterfassung bis zum Inkrafttreten der Neufassung in handschriftlicher Form erfolgt.

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung in elektronischer Form soll hingegen nicht für jene Arbeitgeber gelten, die zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen. Dies ergibt sich aus § 16 Abs. 8 Satz 3 ArbZG-E. Hiervon unberührt bleibt aber die Verpflichtung, die Arbeitszeit täglich gleichwohl zu dokumentieren.

Fazit

Unternehmen sollten – wenn Arbeitnehmer beschäftigt werden – sich spätestens jetzt mit Maßnahmen und Systemen zur Einhaltung der elektronischen Form auseinandersetzen, falls dies nicht schon erfolgt ist.

Verstöße gegen diese Regelungen sollen in Zukunft, anders als bislang nach dem ArbSchG, zu Sanktionen führen können, mithin insbesondere Bußgelder nach sich ziehen. Gerade aus diesem Grund sollten Arbeitgeber sich möglichst früh mit den Anforderungen der gesetzlichen Neufassung des Arbeitszeitgesetzes auseinandersetzen und geeignete Maßnahmen zur Einhaltung dieser Anforderungen ergreifen.

Die Vielzahl der einzuhaltenden Anforderungen, die das Zeitarbeitsgesetz vorgibt, sind ohne digitale Unterstützung und Übersichten nur schwer einzuhalten und zu kontrollieren.

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Der Autor

  • Dr. Hans Geisler

    Dr. Geisler, Dr. Franke Rechtsanwälte PartmbB steht für kompetente, zielorientierte und effektive Beratung von Unternehmen. Zu der Kanzlei gehören aktuell 12 Rechtsanwälte/innen und über 30 Mitarbeiter/innen. Schwerpunkt ist die bundesweite Beratung mittelständischer und großer Unternehmen in nahezu allen Rechtsfragen. Sämtliche Rechtsanwälte / innen haben sich auf verschiedene Fachgebiete spezialisiert, oftmals bis zur Erlangung eines Fachanwaltstitels. Bezüglich aller denkbaren Rechtsfragen in der Fitness- und Freizeitbranche verfügt die Kanzlei über ein einzigartiges Know-how. Speziell für die Fitnessbranche hat die Kanzlei verschiedene Rechtsberatungskonzepte entwickelt, die den Studiobetreiber entlasten und ihm Zeit für sein Kerngeschäft verschaffen.

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