Physiotherapie

Studie zur Wirkung von Selbstmanagement in der Lipödem- Schmerztherapie

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Lipödeme sind für viele Patientinnen ein unangenehmer Begleiter im Alltag. Da eine heilende Therapie bislang nicht existiert, rücken Maßnahmen zur Linderung der Beschwerden in den Fokus. Im Rahmen einer Studie wurde untersucht, ob ein gezieltes Heimübungsprogramm mit dem SPINEFITTER by SISSEL® die Schmerz- und Spannungswahrnehmung sowie das Wohlbefinden von Lipödem-Patientinnen positiv beeinflussen kann.

Das Lipödem ist eine chronische, fortschreitende und schmerzhafte Erkrankung des subkutanen Fettgewebes der unteren und/oder oberen Extremitäten. Männer sind extrem selten von Lipödemen betroffen, zu deren Leitsymptomen Schmerzen und Spannungsgefühle, Ödeme, Hämatome nach Bagatelltraumen sowie vielfach psychosoziale Probleme, eine verminderte Lebensqualität und teilweise Begleiterkrankungen wie ein Lymphödem oder eine Adipositas gehören.

Zwar gibt es viele Theorien und Hypothesen, bis heute ist aber nicht abschließend geklärt, wie Lipödeme entstehen und wodurch sie ausgelöst werden. Das gilt auch für die Pathophysiologie, die Gründe für die Symptomvielfalt und die Ursachen für die Unbeeinflussbarkeit des Lipödems. Das macht es für Betroffene wie auch Therapeuten herausfordernd, mit der Erkrankung umzugehen, denn eine kurative Therapie des Lipödems gibt es bisher nicht.

Zur Linderung der Beschwerde-Symptomatik und zur Verzögerung des Fortschreitens des Lipödems sowie zur Verhinderung dermatologischer, lymphatischer und orthopädischer Komplikationen haben sich konservative Maßnahmen wie die kombinierte physikalische Entstauungstherapie (KPE), die unter anderem gezielte bewegungstherapeutische Konzepte beinhaltet, etabliert. Mit dem beginnenden Paradigmenwechsel in der Lipödem-Behandlung rücken zunehmend die Schmerzlinderung, die psychische Belastung der Patientinnen sowie Schulungen zum Selbstmanagement in den Fokus der therapeutischen Maßnahmen.

SPINEFITTER by SISSEL® als therapeutisches Hilfsmittel beim Lipödem

Neben den genannten Maßnahmen sind Bewegung und Training ein wichtiges Element in der Schmerzreduktion der Patientinnen und sollten in ein therapeutisches Gesamtkonzept einbezogen werden. Hier können auch Hilfsmittel und Kleingeräte, wie z. B. der SPINEFITTER by SISSEL®, eingesetzt werden. Ob das Training mit dem SPINEFITTER by SISSEL® positive Wirkungen auf das Schmerzerleben, das Schmerz- und Spannungsgefühl sowie das allgemeine Wohlgefühl bei Lipödem-Patientinnen hat, sollte im Rahmen einer Studie untersucht werden. Daher lautete die konkrete Forschungsfrage: Welche Wirkungen lassen sich bei Lipödem-Patientinnen durch eine sechswöchige Heimübungs-Intervention mit dem Behandlungsinstrument auf die individuelle Schmerz- und Spannungsgefühl-Wahrnehmung, auf das individuelle Schmerzerleben sowie auf die individuell empfundene Lebensqualität erreichen?

Der SPINEFITTER by SISSEL®In der Studie wurde untersucht, ob das Training mit dem SPINEFITTER by SISSEL® positive Wirkungen auf das Schmerzerleben, das Schmerz- und Spannungsgefühl sowie das allgemeine Wohlgefühl bei Lipödem-Patientinnen hat (Bildquelle: © SISSEL)

Das in der Studie eingesetzte Trainingsgerät bietet durch seinen Aufbau, seine Vielseitigkeit und sein umfangreiches Nutzungsspektrum eine Ergänzung und Erweiterung der Behandlungsmöglichkeiten in der Physiotherapie. In Verbindung mit einem besonderen Übungsprogramm können mit dem Behandlungsinstrument Patientinnen im Selbstmanagement ihrer Lipödembedingten Beschwerdesymptome, hier insbesondere der Schmerzwahrnehmung, unterstützt werden.

Mit den Ergebnissen der Studie sollen die bisherigen praktischen Erfahrungen mit dem Behandlungsinstrument und der Nutzen für Lipödem-Patientinnen objektiviert werden. Für Frauen mit einem diagnostizierten Lipödem und daraus resultierenden Schmerz- und Spannungsgefühlen sollte untersucht werden, ob die zielgerichtete Anwendung des Trainingsgeräts diese Beschwerden verbessern oder lindern und das Schmerzerleben verändern kann. Weiterhin sollte die Frage geklärt werden, ob die Anwendung bei den Teilnehmerinnen zu einer Verbesserung der individuell empfundenen Lebensqualität führen kann.

Übungsauswahl

Patient liegt längs auf dem SPINEFITTER vom Hinterkopf bis zum Kreuzbein, die Hände zeigen zur Decke, Ellbogen weich

Arm Circle

Ausgangsposition: Patient liegt längs auf dem SPINEFITTER vom Hinterkopf bis zum Kreuzbein, die Hände zeigen zur Decke, Ellbogen weich
Übung: Kreisen der Arme im weiten Bogen, nach 10 Wdh. Richtungswechsel

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Patient liegt längs auf dem SPINEFITTER, die Füße sind hüftbreit aufgestellt, Hände unter dem Hinterkopf

Chest Lift

Ausgangsposition: Patient liegt längs auf dem SPINEFITTER, die Füße sind hüftbreit aufgestellt, Hände unter dem Hinterkopf
Übung: Ellbogen näher zusammen, Kopf abheben und bis zu den Schulterblattspitzen hochrollen, Wirbel für Wirbel wieder abrollen, im Anschluss direkt Wirbel für Wirbel bis zu den Schulterblättern auf- und wieder abrollen, je 5 x Bridging und Chest Lift, 10 x im Wechsel

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Patientin in Rückenlage, der SPINEFITTER liegt quer unter dem Kreuzbein, die Beine sind aufgestellt, die Arme liegen entspannt neben dem Körper

Sacrum & Gesäßmuskel

Ausgangsposition: Patient in Rückenlage, der SPINEFITTER liegt quer unter dem Kreuzbein, die Beine sind aufgestellt, die Arme liegen entspannt neben dem Körper
Übung: Beine 10 x sanft nach rechts und links führen, der Oberkörper bleibt entspannt

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So sah die Studie aus

Mit dieser prospektiven Längsschnittstudie im Prä-Post-Design wurde mithilfe standardisierter Fragebögen ermittelt, inwieweit eine spezifische Intervention mit dem Trainingsgerät die individuelle Schmerz- und Spannungsgefühl-Wahrnehmung, das individuelle Schmerzerleben sowie die individuell empfundene Lebensqualität beeinflusst. Aus der Patientenpopulation verschiedener physiotherapeutischer Praxen, durch lokale Aufruf-Aushänge sowie über Selbsthilfegruppen und Social-Media-Kanäle konnten 108 weibliche Personen als Studienteilnehmerinnen gewonnen werden. Einschlusskriterien waren ein diagnostiziertes Lipödem mit Schmerz- und Spannungsgefühlen, Ausschlusskriterien waren das Vorliegen schwerwiegender akuter gesundheitlicher Probleme sowie Vorerfahrungen mit dem verwendeten Behandlungsinstrument und/oder dessen Vorgängermodell.

Im Studienzeitraum von sechs Wochen führten die Teilnehmerinnen selbstständig ein spezifisches Heimübungsprogramm (dreimal wöchentlich, je 15 Minuten) mit dem Trainingsgerät durch, in das sie zuvor eingewiesen wurden. Zur Vereinfachung der Nachvollziehbarkeit der einzelnen Übungen wurden bebilderte Trainings-Workbooks sowie Übungsvideos zur Verfügung gestellt. Die Trainingseinheiten orientierten sich an den Inhalten und Prinzipien der Physiotherapie und der manuellen Therapie.

Jede Trainingseinheit begann mit einem kurzen, vorbereitenden Aufwärmprogramm. Der Hauptteil bestand aus einer zuvor festgelegten Folge neun unterschiedlicher Grundübungen, die selbstständig in Rückenlage und im Stehen durchgeführt wurden. Den Abschluss bildete eine Entspannungs- und Wahrnehmungsübung. Vor und nach dem sechswöchigen Trainingsprogramm wurden die individuelle Schmerz- und Spannungsgefühl-Wahrnehmung, das individuelle Schmerzerleben sowie die individuell empfundene Lebensqualität mit standardisierten Fragebögen ermittelt.

Das sind die Ergebnisse

Die Ergebnisse bestätigen die bisherigen Erfahrungen, dass sich die gezielte Nutzung des Trainingsgerätes mit einem spezifischen Heimübungsprogramm positiv auf die subjektive Schmerz- und Spannungswahrnehmung, auf das affektive Schmerzerleben und auf das allgemeine Wohlbefinden von Lipödem-Patientinnen auswirkt. Insbesondere konnte eine deutliche Verbesserung der individuell empfundenen Lebensqualität festgestellt werden. Die Teilnehmerinnen berichteten nicht über Nebenwirkungen der Interventionen wie bspw. Schmerzen, Bewegungseinschränkungen oder Verspannungen.

Diese Ergebnisse decken sich in vollem Umfang mit den Beobachtungen von Oliver Gültig bei Lipödempatientinnen. Er ist Mitglied der International Society of Lymphology seit 1984 und CEO der GUELTIG LYMPHOLOGY training and consulting GmbH sowie Mitglied und wissenschaftlicher Beirat der Dt. Ges. für Phlebologie und Lymphologie und sagt:

“Die Beschwerden dieser Patientinnengruppe beschränken sich keineswegs nur auf die lokal druckempfindlichen Areale im Bereich der Beine und Hüften. Vielmehr treten häufig zusätzlich haltungsbedingte, orthopädisch relevante Schmerzsyndrome auf – insbesondere im Bereich der Kniegelenke und der Wirbelsäule. Durch den täglichen Einsatz des Spinefitters lässt sich das allgemeine Schmerzniveau spürbar reduzieren. Auf diese Weise können die Betroffenen – ergänzend zu eventuell erforderlichen physiotherapeutischen Maßnahmen – ihre körperliche Befindlichkeit nachhaltig verbessern und aktiv im Sinne eines gezielten Selbstmanagements zu ihrer Lebensqualität beitragen.”

Oliver Gültig

Fazit

Die gezielte Anwendung des Trainingsgeräts „SPINEFITTER by SISSEL®“ stellt für Lipödem-Patientinnen im Rahmen des Selbstmanagements bei der Behandlung der lipödembedingten Beschwerdesymptomatik eine Möglichkeit dar, zur Linderung der Schmerz- und Spannungswahrnehmung, zur Reduktion des affektiven Schmerzerlebens und zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens beizutragen.

Der Gebrauch des Trainingsgeräts eröffnet demnach Möglichkeiten zur Beeinflussung der Lipödem-Beschwerdesymptomatik auf Basis eines einfach und selbstständig durchzuführenden Heimübungsprogramms. Zur Verallgemeinerung der Ergebnisse sind Kontrollgruppen-Studien, eine Erhöhung der Probandenzahl und weitere Untersuchungen mit spezifischen Ziel- und Anwendergruppen (beispielsweise Krankheitsbilder oder Sportarten) notwendig.

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Textquelle 1: AWMF: Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie: S2k Leitlinie 037/12: Lipödem. Version 5: 01/2024
Textquelle 2: Kruppa P et al. (2020): Lipedema – Pathogenesis, Diagnosis and Treatment. Dtsch Arztebl Int 117: 396–403.
Textquelle 3: Bauer AT, von Lukowicz D, Lossagk K et al. (2019): New Insights on Lipedema: The Enigmatic Disease of the Peripheral Fat. Plast Reconstr Surg 144:1475–1484.
Textquelle 4: West-Leuer B (2023): Schmerzempfinden bei der Lipohyperplasia dolorosa-Patientin. Überlegungen zur Psychodynamik. In: Cornely, M. E., Marsch, W. C., Brenner, E. (eds): Angewandte Lymphologie:419–432. Springer Verlag.
Textquelle 5: Jandali Z, Merwart B, Jiga L (2021): Das Lipödem. Springer Verlag
Textquelle 6: Hesse U, Hesse A, Hesse L, Schultz E, Kaiser M (2021): Lipödem heute: Zwischen konservativer Therapie, Liposuktion und Adipositaschirurgie, Akt Dermatol 47: 441–450 Thieme Verlag.

Die Autoren

  • Dr. Uwe Mehrmann

    Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der SISSEL GmbH und wissenschaftlicher Beirat der SISSEL® Academy war Dr. Uwe Mehrmann für das Studiendesign, die Ergebnisauswertung sowie die wissenschaftliche Einordnung der Ergebnisse verantwortlich.

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