Physiotherapie

Expansionsleitfaden für Physiopraxeninhaber

Bildquelle: © pkproject – stock.adobe.com

Viele Inhaber einer Physiotherapiepraxis stehen irgendwann vor der Frage, ob sie weiter wachsen und weitere Standorte eröffnen sollen. Diese Entscheidung kann aufregend sein, aber sie bringt auch zahlreiche Herausforderungen mit sich. In diesem Artikel schildert Tobias Labermeier seine persönlichen Erfahrungen aus dem Wachstum von seiner Physiotherapiekette Vitova von einem Standort zu einer Gruppe mit acht Standorten.

Bevor ein Praxisinhaber den Schritt zur Expansion wagt, ist es essentiell, dass der erste Standort stabil und profitabel ist. Eine solide Basis ist unerlässlich, da jede Expansion ohne diese Grundlage ein erhebliches Risiko birgt. Es sollte ausreichend Kapital vorhanden sein, das in neue Standorte investiert werden kann, ohne den laufenden Betrieb zu gefährden. Dabei sollten folgende Punkte im Vordergrund stehen:

  • Klares Geschäftskonzept: Dein Praxismodell sollte leicht replizierbar sein. Gibt es standardisierte Prozesse, die an jedem Standort funktionieren können?
  • Mitarbeiterstruktur: Ein starkes und kompetentes Team ist entscheidend. Können die neuen Standorte mit qualifiziertem Personal besetzt werden, ohne die Qualität der Dienstleistungen zu beeinträchtigen?
  • Marktanalyse: Vor der Expansion sollten die Märkte potenzieller neuer Standorte geprüft werden. Gibt es genug Nachfrage? Wie sieht der Wettbewerb aus?

Therapeutin unterstützt Mann bei der Bewegung
Die neuen Standorte mit kompetenten Mitarbeitern besetzen zu können, ist entscheidend (Bildquelle: © StratfordProductions – stock.adobe.com)

Gerade beim Übergang vom ersten zum zweiten Standort kann es schnell passieren, dass man einige dieser Voraussetzungen nicht ausreichend berücksichtigt. Dann findet man sich schnell in der Rolle eines „Feuerwehrmanns“ wieder, der ständig zwischen den Standorten hin- und herpendelt, während wichtige Führungsaufgaben vernachlässigt werden. Diese Situation führte damals bei Vitova zu hoher Mitarbeiterfluktuation und finanziellen Engpässen, was den Stresspegel erheblich erhöhte.

Unterstützung und externe Hilfe

Ein wichtiges Learning auf dem Weg zur Expansion ist, wie wichtig es ist, sich externe Unterstützung zu holen. Dies war einer der Schlüsselfaktoren für den Erfolg von Vitova. Faktoren, die hier an erster Stelle stehen sollten, sind:

  • Berater und Coaches: Ein erfahrener Unternehmensberater oder Coach kann dabei helfen, die Strategie zu schärfen und typische Fehler zu vermeiden.
  • Rechts- und Finanzberatung: Bei der Expansion gibt es viele rechtliche und finanzielle Aspekte zu beachten. Ein guter Steuerberater und Anwalt, der auf Unternehmenswachstum spezialisiert ist, kann viel Kopfzerbrechen ersparen.
  • Netzwerk und Mentoren: Der Austausch mit anderen erfolgreichen Praxisinhabern, die diesen Weg bereits gegangen sind, kann wertvolle Einblicke geben und dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Unerwartete Herausforderungen

Das Wachstum einer Praxis bringt oft unvorhersehbare Herausforderungen mit sich, für deren Bewältigung man sich neue Fähigkeiten aneignen muss. Hier sind einige, die bei der Expansion der Vitova-Gruppe aufgetreten sind:

  • Führungsaufgaben: Mit jedem neuen Standort wächst der Bedarf an Management und Führung. Plötzlich ist man als Inhaber weniger Physiotherapeut und mehr Unternehmer und Manager.
  • Kulturelle Integration: Die Unternehmenskultur an verschiedenen Standorten einheitlich zu halten kann schwierig sein. Ein starker Fokus auf Kommunikation und Mitarbeitereinbindung ist hier entscheidend.

Motiviert ausehender mann mit Klemmbrett
Die Rollenveränderung vom Physiotherapeut hin zum Manager kann herausfordern sein, wenn man sich nicht darauf vorbereitet hat (Bildquelle: © Louis-Photo – stock.adobe.com)

Insbesondere das Zeitmanagement wird wichtiger. Die Anforderungen an die Zeit und Aufmerksamkeit des Inhabers nehmen mit jedem Standort zu. Dieser muss lernen, zu delegieren und Prioritäten zu setzen, um nicht auszubrennen.

Vorteile des Wachstums

Trotz der Herausforderungen bietet das Wachstum viele Vorteile, die das Unternehmen als auch das persönliche Leben des Inhabers bereichern können:

  • Wirtschaftliche Stabilität: Mehr Standorte bedeuten in der Regel eine höhere wirtschaftliche Sicherheit und eine breitere Einkommensbasis.
  • Skaleneffekte: Durch mehrere Standorte können Kosten gesenkt werden, zum Beispiel beim Einkauf oder im Marketing.
  • Professionalisierung: Die Expansion zwingt einen zur Professionalisierung. Man wird gezwungen, Prozesse zu optimieren und das Geschäftsmodell zu verfeinern.

Dank des Wachstums von Vitova hat es der Autor geschafft, seine Arbeitsbelastung als Physiotherapeut zu reduzieren und mehr Zeit für unternehmerische Themen zu gewinnen.

Was tun, wenn es nicht läuft?

Nicht jede Expansion verläuft reibungslos. Es ist wichtig, rechtzeitig zu erkennen, wenn etwas nicht funktioniert, und entsprechend zu handeln:

  • Analysieren und Anpassen: Anstatt sofort aufzugeben, sollten die Probleme genau analysiert werden. Liegt es am Standort, am Team, an den Prozessen?
  • Externe Hilfe nutzen: In schwierigen Phasen ist es besonders wertvoll, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen.
  • Rückschritte akzeptieren: Manchmal ist es besser, einen Schritt zurückzugehen, anstatt an einem erfolglosen Standort festzuhalten.

Fazit

Die Expansion einer Physiotherapiepraxis kann eine lohnende Herausforderung sein, die die Möglichkeit bietet, das Geschäft zu vergrößern und die eigene Vision weiter zu verwirklichen. Doch dieser Schritt erfordert sorgfältige Planung, die Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen, und den Mut, sich externe Unterstützung zu holen.

Bildquelle Header: © pkproject – stock.adobe.com

Der Autor

  • Tobias Labermeier

    Tobias Labermeier ist 43 Jahre alt, zweifacher Familienvater und Physiotherapeut von Beruf. Zusammen mit seiner Frau und einem weiteren Partner hat er die Vitova-Gruppe, bestehend aus acht Standorten, darunter fünf Physiopraxen und drei gesundheitsorientierte Studios im Rhein-Main-Gebiet, aufgebaut. Dort sind knapp 100 Mitarbeiter beschäftigt. Die praxis­erprobten Konzepte, Teamführung, Prozesse und Digitalisierung ­werden in einer Unternehmensberatung ­POSITION health business consulting an andere Praxis- und Clubbetreiber vermittelt. Alles kommt aus den eigenen Anlagen, von Therapeuten für Therapeuten. Derzeit werden knapp 400 Kunden im Physio- und Fitnessmarkt in ganz Deutschland betreut.

    Mehr zu Tobias Labermeier

Magazin

BODYMEDIA Physio 3-2024 E-Book lesen

BODYMEDIA Physio 3-2024

Mehr erfahren