Physiotherapie

Die Grundpfeiler wirtschaftlicher Praxisführung in der Physiotherapie

Bildquelle: © Viktor – stock.adobe.com

Eine moderne Physiotherapiepraxis braucht mehr als gute Behandlungskonzepte und Wohlfühlatmosphäre – sie braucht wirtschaftliche Klarheit, Inhaber, die betriebswirtschaftlich denken und handeln, um so eine stabile Basis für Qualität, Wachstum und Zufriedenheit zu schaffen. Wer die Grundlagen kennt und beherrscht, kann bessere Entscheidungen für das Unternehmen treffen. Hier schauen wir uns im Überblick an, worauf es ankommt.

Viele Physiotherapiepraxen arbeiten mit hohem fachlichem Anspruch – aber ohne klares betriebswirtschaftliches Konzept. Die Folge: Zeitdruck, unklare Einnahmen, (zu) hohe Ausgaben und wenig Spielraum für Innovation oder Expansion. Dabei wird oft vergessen, dass Wirtschaftlichkeit kein Widerspruch zu guter Therapie ist, sondern vielmehr ihr Fundament.

Zahlen kennen – nicht schätzen

Die wichtigste Grundlage jeder wirtschaftlichen Steuerung sind Kennzahlen. Als Praxisinhaber sollte man im Schlaf die folgenden Kennzahlen aufsagen können: 

  • Wie viele Patienten behandle ich pro Woche?
  • Wie hoch ist der Umsatz pro Stunde pro Behandlungsart pro Mitarbeiter?
  • Wie sieht meine Kostenstruktur aus (Personal, Miete, Ausstattung, evtl. Leasing)?

All das lässt sich aus geeigneter Praxissoftware exportieren und kann ggf. in eine separate Excel-Liste übertragen werden, um einen schnellen Überblick zu bekommen. Denn nur, wer seine Zahlen kennt, kann fundierte Entscheidungen treffen. Insbesondere im Hinblick auf Investitionen und die Abschätzung von finanziellem Spielraum z. B. bei der Mitarbeiterbezahlung, Rücklagenbildung oder dem eigenen Gehalt ist die Kenntnis der betriebswirtschaftlichen Zahlen wichtig.

Leistungen und Angebote gezielt auswählen

Nicht jede Leistung bringt denselben Ertrag. Physiotherapie auf Rezept ist wichtig – aber reicht das aus, um alle finanziellen Herausforderungen zu tragen und Investitionen möglich zu machen? Insbesondere bei kleineren Praxen ist das sehr infrage zu stellen, daher sollte jeder Praxisinhaber ein Leistungsangebot zusammenstellen, das für ihn und seine Räumlichkeiten einen hohen finanziellen Vorteil bringt.

Auch interessant: T-RENA, RV-Fit, Rehasport und Funktionstraining in der Praxis

Seien es nun Selbstzahlerleistungen oder das Angebot von KGG, EAP oder einer ambulanten Reha. Dadurch kann eine gewisse Unabhängigkeit von den Krankenkassen erreicht werden bzw. werden diese Leistungen sehr gut vergütet, weil sie höhere Anforderungen an den Leistungserbringer stellen. Können diese Anforderungen noch nicht erfüllt werden, sollte sich die Praxis in diese Richtung entwickeln.

Der Praxisinhaber sollte also ein durchdachtes Leistungsspektrum mit klarer Preispolitik entwickeln. Leistungen mit hohem Aufwand und geringer Vergütung sollten genauestens geprüft werden, ob sie einen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg der Praxis leisten können.

Auslastung optimieren

Jede Lücke im Terminplan kostet Geld. Gleichzeitig darf die hohe Taktung nicht zulasten der Qualität gehen. Daher sollte eine klare Ausfallregelung für nicht wahrgenommene bzw. nicht abgesagte Termine entwickelt werden.

Hierzu gibt es unterschiedliche Meinungen: Es gibt durchaus Inhaber, die jeden ausgefallenen Termin berechnen, andere wiederum haben sich selbst die Maxime „Einmal ist keinmal“ gegeben und berechnen den Ausfall erst ab dem zweiten Mal. Wiederum andere haben Angst um die Beziehung zu den Patienten und stellen gar keine Ausfallrechnungen. Ausfälle muss man sich leisten können. Daher sollte jeder Inhaber prüfen, inwieweit die Praxis das tragen kann, und dann eine klare Lösung im Behandlungsvertrag niederschreiben. Um die Auslastung der Therapeuten zu gewährleisten, kann z. B. eine digitale Online-Terminbuchung mit automatischer Erinnerung eingesetzt werden.

Mitarbeiter als Wirtschaftsfaktor verstehen

So ungern manche die Überschrift lesen, kommt man als Unternehmensführer nicht umhin, auch die Mitarbeiter als Wirtschaftsfaktor zu betrachten. In der Physiotherapie ist die persönliche Ebene zwischen Inhaber und seinen Therapeuten oft deutlich menschlicher geprägt als in anderen Branchen.

Physiotherapeut sitzt auf TherapieliegeBetrachtet man es sehr nüchtern, sind Mitarbeiter ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor, der optimal eingesetzt werden sollte (Bildquelle: © peopleimages.com – stock.adobe.com)

Trotzdem erwarten die Mitarbeiter eine faire, möglicherweise sogar überdurchschnittliche Vergütung für ihre Arbeit, was ein großer Kostenfaktor für die Praxis ist. Daher sollte man die Mittel, die man zur Verfügung hat, optimal positionieren und einsetzen. Sei es nun, um durch Fortbildungen neue Leistungen für Patienten zu ermöglichen oder gewisse Aufgaben abzugeben, sodass sich der Inhaber verstärkt um strategische Aufgaben kümmern kann.

Digitale Mittel nutzen

Der Zustand der Digitalisierung in den Physiopraxen ist sehr breit gefächert: Während einige Praxen noch im reinen Papierzeitalter leben, haben andere schon große Teile ihrer Arbeit digitalisiert. Aus wirtschaftlicher Perspektive bietet die Digitalisierung einige Vorteile für den Unternehmer. Automatisierte Prozesse sparen Zeit, entlasten Mitarbeiter und reduzieren Fehler. Sei es nun bei der Terminvereinbarung, der Dokumentation oder in der Therapie selbst, die digitalen Helfer sind ein von vielen unterschätzter Faktor, den es zu nutzen gilt.

Letztlich muss jeder eine passende Software oder andere digitale Mittel finden, mit denen er arbeiten möchte. Was unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten aber nicht fehlen darf, ist die Offenheit gegenüber der Digitalisierung, die durch KI mehr Möglichkeiten denn je bietet.

Auch Physiopraxen brauchen Marketing

Wer nach wie vor glaubt, kein Marketing machen zu können, weil ihm die Patienten die Türen einrennen, vergisst einen wichtigen Teil für wirtschaftlichen Erfolg, nämlich die Sichtbarkeit nach außen. Eine wirtschaftlich stabile Praxis lebt auch von sichtbarer Qualität. Gutes Marketing stärkt das Image – und ist kein „Luxus“, sondern eine Investition. Gibt es z. B. keinen Online-Auftritt, wird die Praxis nur in Ausnahmefällen von neuen Mitarbeitern entdeckt.

Mehr dazu: Wie Fitnessstudios in der AI-Suche sichtbar bleiben

Eine hochwertige Website kann neben dem Überblick zu den Leistungen und dem Team hilfreiche Funktionen für Patienten bieten, wie z. B. eine Online-Terminbuchung.

Langfristig planen – statt nur reagieren

Wirtschaftlich geführte Praxen werden nicht von äußeren Entwicklungen hin und her geworfen, sondern bieten Raum zur Gestaltung für den Inhaber. Möchte dieser z. B. mehr Freizeit, kann er das ermöglichen. Oder soll weiter an der Umsatzschraube gedreht werden, um Mitarbeitern ein besseres Gehalt zu ermöglichen? Bei Investitionen kann auch mal ein Risiko eingegangen werden, ohne dass man gleich den Untergang der Praxis fürchten muss. Insgesamt arbeitet es sich deutlich entspannter, mit einem kleinen finanziellen Polster im Rücken, als ständig von fehlendem Umsatz gejagt zu werden.

Fazit

Wirtschaftliche Führung heißt für Praxisinhaber nicht, den Fokus von der Therapie zu verlieren. Im Gegenteil: Wer wirtschaftlich denkt, schafft Strukturen, Sicherheit und Freiräume – für bessere Versorgung, ein starkes Team und gesunden Praxiserfolg.

Bildquelle Header: © Viktor – stock.adobe.com

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Er war von 2015 bis 2023 Chefredakteur der BODYMEDIA Fachmagazine. 2017 etablierte er mit der BODYMEDIA Physio ein Business-Magazin im Physio-Bereich. Nach einer etwa einjährigen Pause als Leiter eines therapeutischen Fitnessstudios kehrte er 2024 als Stellver. Chefredakteur zur BODYMEDIA zurück. 

    Mehr zu Jonathan Schneidemesser

Magazin

BODYMEDIA Physio 3-2025 E-Book lesen

BODYMEDIA Physio 3-2025

Mehr erfahren