Marc Akel, Vorstand des Landesverbands Nordrhein-Westfalen von Physio Deutschland und Gesamtleiter der Physiotherapie der Johanniter-Kliniken Bonn
BODYMEDIA: Wenn ich als Inhaber einen Therapeuten aus dem Ausland auf seinem Weg in meine Praxis unterstützen möchte: Wie würde das optimalerweise ablaufen?
Marc Akel: Der Kandidat muss sich in erster Linie bei seiner zuständigen Behörde melden und seinen Wunsch nach Anerkennung seines ausländischen Berufsabschlusses dort kundtun. Nach Aktenlage wird dort dann überprüft, wie es weitergeht.
Je nach Ausbildung im Ursprungsland ist es möglich, dass die Aufsichtsbehörde erklärt, dass die Ausbildungsinhalte mit denen in Deutschland gleichzusetzen sind und der ausländische Abschluss anerkannt wird. Diese Fälle sind jedoch sehr selten. Das hängt nicht zuletzt mit unserem veralteten Curriculum zusammen, an welchem sich die Aufsichtsbehörden im Vergleich orientieren.
Das zweite mögliche (und wahrscheinliche) Szenario habe ich selbst schon häufig erlebt: Die Behörde erklärt, dass die ausländischen Ausbildungsinhalte gegenüber den deutschen Ausbildungsinhalten abweichend sind, und bietet zwei Optionen an:
- Eine Kenntnisprüfung
- Das Nachholen festgelegter Stunden (Anpassungslehrgang)
Die Wissensüberprüfung wird häufig von grenznah arbeitenden Therapeuten, wie beispielsweise Niederländern und Polen, gewählt. Die meisten Kandidaten entscheiden sich jedoch für den Anpassungslehrgang. Festgelegt werden die Anzahl an theoretischen und praktischen Stunden und das jeweilige Fachgebiet. Es ist auch möglich, dass nur praktische Stunden gefordert werden.
Wichtig ist: Der Kandidat darf jetzt noch nicht als Physiotherapeut eingestellt werden, da er keine deutsche Berufsurkunde hat und hier eben noch kein anerkannter Physiotherapeut ist. Die beste Möglichkeit ist, dass derjenige sich bei einer Schule für Physiotherapie meldet. Dort kann er entweder die theoretischen Stunden absolvieren oder als „Praktikant“ in den geforderten Fachgebieten zu den Kooperationspartnern entsendet werden.
Zurzeit kommen viele Interessenten aus der Türkei, Ägypten oder der Ukraine (Bildquelle: © Africa Studio – stock.adobe.com)
In meiner Klinik werden die Anerkennungskandidaten immer von einer Berufsfachschule geschickt, mit der wir eine Kooperation haben. Der Vorteil ist, dass der Kandidat über die Schule versichert ist. Sind alle geforderten Stunden absolviert, kann der Kandidat sich bei seinem zuständigen Gesundheitsamt vorstellen und die deutsche Berufsurkunde erhalten.
BODYMEDIA: Wie viel Zeit sollte ich einplanen, bis die ausländische Fachkraft vollständig abrechenbar einsetzbar ist?
Marc Akel: Leider ist dies sehr individuell, alleine schon für welche Option der Nachqualifikation sich der Antragsteller entscheidet, stellt einen erheblichen Unterschied in der Verfahrenslänge dar. Für die Prüfung der Unterlagen haben die Behörden ab vollständiger Einreichung maximal vier Monate Zeit. Danach folgt die gewählte Anpassung.
BODYMEDIA: Wie viel Geld muss ich investieren, bis der Therapeut anrechenbar ist.
Marc Akel: Mit solch einer Kalkulation tue ich mir schwer. Natürlich ist die Fachkräftenot derzeit so groß, dass es Praxisinhaber gibt, die einem solchen Kandidaten eine Wohnung und einen Sprachkurs bezahlen und ihn direkt in ihrer Praxis anstellen. Für alle Tätigkeiten, die nichts mit Physiotherapie zu tun haben. Sobald derjenige die deutsche Berufsurkunde hat, wird er dann als Physiotherapeut eingestellt und die lang ersehnte Nachbesetzung ist geglückt.
Teilweise ist noch eine Vermittlungsagentur zwischengeschaltet, die einen hohen Preis aufruft. Selbstverständlich kann das alles funktionieren. Aber ein großer Faktor sind Sprache und Integration.
In der Pflege werden beispielsweise große Anstrengungen unternommen, um ausländische Pflegekräfte zu motivieren, nach Deutschland zu kommen. Beispielsweise aus Mexiko. Dort soll es mehr Pflegekräfte geben als Stellen. Es wird Geld gezahlt für Sprach- und Integrationskurse. Es werden Reisen unternommen und Wohnungen angemietet. Am Ende entscheiden sich dann nur wenige der Kandidaten für den Umzug nach Deutschland. Und von den paar Kandidaten gehen dann viele nach kurzer Zeit wieder zurück, weil sie sich nicht wohlfühlen und die Auswanderung doch härter war, als ursprünglich geahnt. Zurzeit kommen viele Interessenten aus der Türkei, Ägypten oder der Ukraine.
BODYMEDIA: In welchen Ländern ist nach Ihrer Erfahrung der Ausbildungsstand der aktuell beste?
Marc Akel: Was die Weiterentwicklung unseres Berufsstandes angeht, so orientieren wir uns an den umliegenden akademisierten europäischen Ländern. Was das wissenschaftliche Niveau angeht, sind sicherlich die Niederlande, Norwegen, Großbritannien und auch Australien und Neuseeland weit vorne.
BODYMEDIA: Wie kann der Deutsche Verband für Physiotherapie bei Integration ausländischer Fachkräfte unterstützen?
Marc Akel: Wir haben ein kostenfreies E-Book erstellt, in welchem wir alle Schritte der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse erklären. Das findet man unter physio-deutschland.de. Unsere Geschäftsstellen in den jeweiligen Regionen beraten zudem auch zu jedem Fall individuell.
BODYMEDIA: Wie viele Therapeuten aus dem Ausland haben Sie schon auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt in NRW begleitet?
Marc Akel: In meiner Klinik werden hin und wieder Anerkennungspraktikanten aufgenommen, die von der Aufsichtsbehörde auferlegt bekommen haben, dass sie eine bestimmte Anzahl von Stunden in festgelegten Fachbereichen arbeiten müssen. Da unsere Klinik über eine große Menge an Fachabteilungen verfügt, werden diese Anerkennungskandidaten häufig zu uns entsendet.
BODYMEDIA: Vielen Dank für das interessante Interview!
Thomas Wecker, Dipl.-Physiotherapeut, Lehrer der Gesundheitsfachberufe und Leiter der Schule für Physiotherapie am Bildungscampus Koblenz
BODYMEDIA: Herr Wecker, was hat eine Schule für Physiotherapie mit der Integration ausländischer Fachkräfte zu tun?
Thomas Wecker: Grundsätzlich ist eine Schule für Physiotherapie daran interessiert, Fachkräfte auszubilden und so dem aktuellen Fachkräftebedarf gerecht zu werden. Physiotherapeuten gehören in Deutschland zu den Berufen mit einer gesetzlich geschützten Berufsbezeichnung. Das bedeutet, dass eine staatliche Erlaubnis erforderlich ist, um in Deutschland die Berufsbezeichnung Physiotherapeut/-in führen zu dürfen und als solcher zu arbeiten.
In Rheinland-Pfalz, aber auch in anderen Bundesländern unterstützen Physiotherapieschulen in Verbindung mit den jeweiligen Aufsichtsbehörden dieses Anerkennungsverfahren. Gesetzlich festgelegt ist das im sogenannten Landesgesetz über die Gesundheitsfachberufe.
BODYMEDIA: Wie ist der rechtlich einwandfreie Weg, wenn ich als Inhaber einen Therapeuten aus dem Ausland auf seinem Weg in meine Praxis unterstützen möchte?
Thomas Wecker: Wie gesagt, benötigt ein ausländischer Physiotherapeut eine Berufszulassung vom Staat, wenn er oder sie in Deutschland als Physiotherapeut arbeiten möchte. Jedes Bundesland hat eine eigene zuständige Behörde, bei der ein Antrag auf die Anerkennung des Abschlusses des Heimatlandes zu stellen ist. Hier gibt es auch Unterschiede zwischen Berufsabschlüssen aus anderen europäischen Ländern oder sogenannten Drittstaaten-Ländern.
Wichtig ist, dass der Antrag in dem Bundesland gestellt wird, in dem der oder die Interessentin wohnt oder nach der Einreise leben will. Nach der Feststellung der Gleichwertigkeit einer ausländischen Ausbildung kann die Person dann in ganz Deutschland arbeiten.
Das Ankommen auf dem Arbeitsmarkt ist für ausländische Fachkräfte kein Selbstläufer (Bildquelle: © Africa Studio – stock.adobe.com)
BODYMEDIA: Welche Probleme können bei dem Weg in die Praxis entstehen?
Thomas Wecker: Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage. Grundsätzlich kann natürlich eine Menge passieren. Die fachliche, soziale und kulturelle Integration ist natürlich für alle beteiligten Gremien und Personen eine Herausforderung, die man gemeinsam angehen muss. Daher ist es hier schwierig, global zu antworten, da es sich in der Regel bei jedem Interessenten um individuelle Themen und Problemstellungen handelt.
Sicherlich ist die Sprache eine grundsätzliche Hürde, die zu bewältigen ist. Für die Anerkennung ist ein Sprachnachweis auf Qualifikationsniveau B2 erforderlich – dieser kann allerdings parallel zu einem Anpassungslehrgang erworben werden, ist also nicht Voraussetzung für einen solchen.
Und letztendlich ist eine B2-Qualifikation erst mal eine formale Qualifikation, die nach meiner Erfahrung auch sehr unterschiedlich ausfällt und nicht automatisch eine Garantie dafür ist, dass der physiotherapeutische „Sprachbedarf“ in der Tätigkeit (z. B. Kommunikation mit Patienten und Umsetzung des Clinical Reasonings) gelingt.
BODYMEDIA: Welches Feedback erhalten Sie von Praxisinhabern und Physiotherapeuten, die den Weg mit den ausländischen Fachkräften gegangen sind?
Thomas Wecker: Wir haben noch Kontakt mit einigen ausländischen Physiotherapeuten, die ihren Anpassungslehrgang bei uns im Bildungscampus gemacht haben. Alle, die eine physiotherapeutische Tätigkeit hier in Deutschland angestrebt haben, sind im Beruf unterwegs tätig. Einige mittlerweile sogar in der Selbstständigkeit – also in einer eigenen Praxis. Mit den Arbeitgebern der Personen sind wir nur in einem geringen Austausch, aber auch hier sind die Rückmeldungen durchweg positiv.
Dennoch ist das Ankommen auf dem deutschen Arbeitsmarkt kein Selbstläufer und die Absolventen benötigen, insbesondere in der ersten Phase ihrer Tätigkeit, eine gute Einarbeitung und Unterstützung!
BODYMEDIA: Wohin können sich Praxisinhaber wenden, wenn sie einen Bewerber haben und wissen möchten, wie das Prozedere im jeweiligen Bundesland vonstattengeht?
Thomas Wecker: Da sind zum einen die Aufsichtsbehörden, die für die Anerkennung verantwortlich sind, und speziell in Rheinland-Pfalz gibt es eine unterstützende Behörde, das „ism Institut“ für Sozialpädagogische Forschung Mainz. Dieses berät sowohl Bewerber als auch Arbeitgeber.
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