Management

Vom Physiotherapeuten zum Unternehmer: Sechs wichtige Tipps für eine nachhaltige Entwicklung

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Lange Wartelisten für Patienten, zu wenig Personal, als Chef selbst noch mit 40 Stunden pro Woche an der Bank stehen und ständig „Feuerwehr“ spielen müssen, sobald mal ein Mitarbeiter ausfällt oder krank wird. Praxisinhaber haben es nicht leicht, vor allem wenn der Schritt vom Praxisinhaber zum Unternehmer noch nicht erfolgt ist. Doch was kann man tun, bevor der alltägliche Stress einen zu sehr auslaugt und an den physischen und psychischen Kräften zehrt?

Der Ursprung des Problems lässt sich auf einen wesentlichen Unterschied zurückführen: Selbstständigkeit vs. Unternehmertum. Für die meisten hat die Reise mit einem Sprung ins kalte Wasser begonnen, denn anfangs ist der Praxisinhaber nicht nur „selbst und ständig“, sondern auch sein bester – und einziger – Mitarbeiter! Dieser kennt und kann vieles sehr gut, denn den Nachweis für seine berufliche Kompetenz hat er meist schon vorher jahrelang als hervorragende Fachkraft erbracht.

In der neu erlangten Selbstständigkeit wird jedes Problem lösungsorientiert angegangen, man kann länger und härter arbeiten als je zuvor. Die Mühe zahlt sich aus und der Erfolg gibt einem recht: Man erzielt mehr Umsatz, macht mehr Gewinn, gewinnt mehr Mitarbeiter, mehr Patienten, mehr Kunden, vergrößert sich räumlich. Und so wächst das Unternehmen.

Unternehmen und Inhaber müssen sich gleichmäßig entwickeln

Aber was ist mit dem Praxisinhaber? Verändert er sich in derselben Geschwindigkeit wie sein Unternehmen? Wird er zur Führungspersönlichkeit? Oder macht er nach wie vor in jedem Bereich mit? Ist er immer noch der beste Therapeut, der beste Rezeptionist, der beste Trainer, der Fähigste für die Abrechnung? Natürlich ist da auch etwas Wahres dran, denn er kann und weiß (vermutlich) viele Dinge am besten – schließlich hat er das Unternehmen zum Erfolg geführt, oder?

Ja, sicher! Das stimmt. Aber mit dem Unternehmenswachstum wachsen auch die Herausforderungen und die Bedürfnisse des Unternehmens, der Mitarbeiter und auch die persönlichen Bedürfnisse. Deshalb ist es nun Zeit, die persönliche Weiterentwicklung genauso voranzutreiben. Daher sollte sich der Praxisinhaber einmal ehrlich die Frage stellen: „Bin ich jetzt ein Unternehmer?“

Physiotherapeut und Patientin an der Bank
Volle Terminbücher und Patienten, die Hilfe brauchen, sind die Hauptgründe, warum viele Praxisinhaber den Großteil ihrer Zeit als Therapeuten arbeiten und nicht als Unternehmer (Bildquelle: © Louis-Photo – stock.adobe.com)

Viele Praxisinhaber trauen sich den Schritt zum Unternehmer leider nicht und bleiben im Hamsterrad aus operativen Tätigkeiten stecken. Gebremst werden sie durch die Angst vor Kontrollverlust, aber auch durch die Unsicherheit, was sie als „Unternehmer“ denn genau zu tun haben. Dabei sollten sie sich helfen lassen, denn niemand wird zum Unternehmer geboren (auch wenn andere einem das gerne weismachen wollen). Was es zum Unternehmertum braucht, dazu habe ich im nächsten Abschnitt ein paar Tipps zusammengestellt.

Was muss ich als Unternehmer tun?

1. Zeit für die Unternehmensführung:

Egal, ob man 5 oder 50 Mitarbeiter beschäftigt, jeder Praxisinhaber muss sich ausreichend Zeit für die Unternehmensführung nehmen, wobei der Umfang nicht unbedingt mit der Anzahl der Beschäftigten zusammenhängt.

Oft fragen mich die Unternehmer, wie viel Zeit denn ausreiche, um ihrer Führungspflicht nachzukommen. Das lässt sich leider nicht pauschalisieren. Eines steht aber fest: Je besser die Strukturen in der Unternehmensführung sind, desto weniger Zeit benötigt man. Dann setzen Automatismen und Routine ein, die den Praxisinhaber effizienter arbeiten lassen.

Liegen aber noch keine Strukturen und Systeme vor, wird man für den Aufbau, die Implementierung und die kontinuierliche Umsetzung der Unternehmensführung erst einmal mehr Zeit investieren müssen.

Und mit Unternehmensführung meine ich keineswegs Arbeiten wie die Abrechnung, die Buchführung oder das Bearbeiten von E-Mails. Das sind Aufgaben der „Verwaltung“. Vielmehr steht als Unternehmer die Weiterentwicklung der Unternehmensprozesse und Ihrer Mitarbeiter auf dem Tagesplan.

Physiotherapeutin mit Patientin bei der Therapie
Viele Praxisinhaber bleiben lieber bei ihren Patienten, anstatt sich um die Entwicklung ihres Unternehmens und ihrer Persönlichkeit zu kümmern (Bildquelle: © Louis-Photo – stock.adobe.com)

Aber warum nehmen sich viele Praxisinhaber nicht die Zeit, diese Weiterentwicklung in Angriff zu nehmen? Weil die Terminbücher voll sind und die Patienten Hilfe brauchen. Dazu kommt die Angst, dass man ja nur an der Bank „produktiv“ zum Umsatz beiträgt und dies ja dann wegfällt. Aber auch hier gilt: Erst müssen die Helfer sich selbst helfen! Als Inhaber muss man den Wachstumsschmerz aushalten, wenn man sich mehr aus dem operativen Geschäft zurückziehen und sich mehr den Aufgaben als Unternehmer widmen möchte. Sobald die Strukturen und Prozesse stehen, arbeitet es sich wieder mit mehr Freude, Kraft und Leichtigkeit.

2. Vision, Mission, Werte und Leitbild definieren:

Wer nicht weiß, welchen Hafen er ansteuert, für den ist kein Wind günstig, für den ist kein Matrose richtig, für den ist kein Schiff geeignet. Der Praxisinhaber selbst hat das Unternehmen mit seiner unverwechselbaren Persönlichkeit erschaffen. Doch nun müssen andere Menschen in diesem Unternehmen arbeiten. In seinem Unternehmen. Und das nach den Wünschen und Vorstellungen des Praxisinhabers beziehungsweise im Sinne der DNA seines Unternehmens.

Deshalb ist es so entscheidend, dass man seinem Unternehmen sowie allen Akteuren in diesem Unternehmen ein WARUM und ein WIE gibt. Jeder Ihrer Mitarbeiter muss die DNA des Unternehmens verstehen und danach handeln, sodass dies im Miteinander im Unternehmen gelebt wird. Und am besten lässt sich diese DNA – Vision, Mission, Werte, Leitbild – gemeinsam mit dem Team erarbeiten. So bekommen die Mitarbeiter die Chance, mehr Selbstständigkeit und Eigenverantwortung zu übernehmen.

3. Strategische Planung:

Vision, Mission, Leitbild und Werte dienen der Unternehmung jetzt als Fundament für Ihre strategische – und am Ende auch operative – Planung. Die strategische Planung soll also die Vision des Unternehmens wahr werden lassen.

Dabei ist es wichtig, dass der Praxisinhaber in diesem Prozess sein Unternehmen aus allen Blickwinkeln betrachtet: Welche äußeren Einflüsse müssen beachten werden? Welche Interessengruppen – Mitarbeiter, Patienten, Kunden, Partner … – gilt es zu berücksichtigen? Welche Ressourcen in Form von Zeit, Geld, Konzentration stehen zur Verfügung?

Wer diesen Prozess der strategischen Planung professionell durchführen will, sollte auf Hilfe von außen zurückgreifen. Denn Betriebsblindheit und die Limitierung der Vorstellungskraft aufgrund von „lediglich“ eigenen Erfahrungen können diese Aufgabe enorm beeinflussen. Natürlich kostet all das Zeit, Geld und Kraft. Aber damit wird die nächste Etappe auf der Reise zum Unternehmer erreicht. Und ab dann fällt jeder weitere Schritt leichter, weil man nun das Erfolgserlebnis verspürt, das das Unternehmen in die richtige Richtung ausrichtet und zukunftssicher positioniert.

4. Organisation von Energie und Wachstum:

Energie ist all das, was das Unternehmen aufnimmt, um zu wachsen: Begeisterung der Patienten und Kunden, enthusiastische und engagierte Mitarbeiter, starker Kapitalfluss, die öffentliche Aufmerksamkeit und vieles mehr! Ihre Aufgabe als Unternehmer ist es, sich permanent um den Zufluss dieser Energie zu kümmern und diese zu lenken sowie zu steuern.

Physiounternehmer mit Klemmbrett
Es ist die Aufgabe des Inhabers, klare Systeme und Strategien zu erstellen, die das Wachstum vorantreiben (Bildquelle: © Louis-Photo – stock.adobe.com)

Wachstum ist im Grunde etwas, das sich jeder für sein Unternehmen wünscht. Aber Wachstum um des Wachstums willen ist selten gut für ein Unternehmen. Es ist die Aufgabe des Inhabers, klare Systeme und Strategien zu erstellen, innerhalb derer sich das Wachstum entfalten kann. Er kanalisiert es sozusagen.

In unserer Dienstleistungsbranche heißt das, dass insbesondere Mitarbeiter spezielle Konzepte und Spielregeln benötigen, an denen sie sich orientieren können. Tun sie dies nicht, verliert das Unternehmen die Einheitlichkeit sowie Zielorientiertheit und beginnt unkontrolliert „zu wuchern“. Deshalb muss auch Wachstum geplant, strukturiert und organisiert sein.

5. Permanente Gewichtsreduktion:

Bei Unternehmen sammelt sich im Laufe der Zeit viel an: Informationen, Prozesse, Einstellungen, Leistungen, Routinen, Rituale und so weiter. Aber nicht alles, was sich „angehäuft“ hat, dient auch noch dem Zweck des Unternehmens. Wie auch beim menschlichen Körper kostet jedes überflüssige Gramm, das man mit sich herumschleppt, Energie.

Bei Ihnen im Unternehmen verbraucht dieser „Ballast“ auch Ressourcen. Die Ressourcen des Unternehmens, aber auch Ihre persönlichen Ressourcen! Um dies zu begrenzen, benötigen Sie einen Prozess für eine systematische „Gewichtsreduktion“.

Dazu sind Sie als Unternehmer gefragt. Prüfen Sie regelmäßig alte Denkmuster, eingefahrene Ablaufprozesse, einstudierte Kommunikationsleitfäden usw. auf ihre Notwendigkeit, Sinnhaftigkeit und Zielorientiertheit. Ich weiß, je tiefer der Trampelpfad eingetreten ist, desto schwieriger ist es, ihn wieder zu verlassen. Aber dieser neue Pfad lohnt sich für Sie und Ihr Unternehmen!

6. Entwicklung der eigenen Persönlichkeit:

Zur wichtigsten Aufgabe eines Unternehmers gehört die eigene persönliche Entwicklung. Diese wird nach meiner Erfahrung meist am häufigsten vernachlässigt. Denn sie hat sehr viel mit Selbstreflexion zu tun.

Wer bin ich? Wer will ich werden? Was ist mir besonders wichtig? Welche Werte habe ich und will ich leben? In welchem Zusammenhang stehen diese Werte mit meinem Unternehmen und/oder meinem Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Patienten und Kunden?

Oft ist das Unternehmen ein Spiegelbild der Unternehmerpersönlichkeit. Dieser steht im Laufe der Zeit immer wieder vor neuen Herausforderungen: Fachliche sowie soziale Aufgaben beschäftigen ihn genauso wie Fragen nach der Sinnhaftigkeit seines Tuns und nach seinen Werten, Einstellungen und Glaubenssätzen. Diese Fragen und Probleme muss jeder Praxisinhaber für sich genauso zielorientiert angehen wie alle anderen strategischen und organisatorischen Aufgaben.

Wenn das Unternehmen wächst, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder der Inhaber wächst mit und erntet Erfolg, Freude und Freiheit oder das Unternehmen wächst ihm über den Kopf und er gibt jeden Tag ein Stück von sich selbst auf.

Fazit

Im ersten Moment hört sich das Unternehmersein nach viel Arbeit an. Doch sobald man als Praxisinhaber eine klare Vorstellung von dem „Warum“ und „Wie“ im Unternehmen hat, kann man Aufgaben delegieren, Verantwortungen übertragen und die eigene Zeit sinnvoller nutzen.

Dabei sollte man auf automatisierte Systeme, verantwortungsbewusste Mitarbeiter oder spezialisierte Dienstleister sowie Berater zurückgreifen. All das gibt dem Unternehmer wohlverdiente Freiheit zurück.

Ich hoffe, meine Tipps haben die Neugierde und Lust geweckt, sich zu hinterfragen und ins Handeln zu kommen! Um sich konstruktiv und kritisch mit den beschriebenen Inhalten auseinanderzusetzen, betrachten Sie Ihr Unternehmertum einfach als existenzielle Säule Ihrer Gesundheit sowie Ihres Lebens.

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