BODYMEDIA: Ihr wendet euch stärker dem B2B-Bereich zu. Was ist eure Mission bei dieser Zielgruppe?
Anja Wolf: Als Erfinder der drahtlosen Herzfrequenzmessung liegen unsere Wurzeln im (Leistungs-)Sport – dort, wo es auf Präzision, Verlässlichkeit und Vertrauen ankommt. In über fünf Jahrzehnten Forschung und Entwicklung ging es bei uns aber nie nur um Uhren, sondern immer um Daten, die Menschen helfen, besser zu trainieren, sich besser zu erholen, ihre Balance zu finden – oder einfach gesünder zu leben. Diese Idee bleibt unser Antrieb – aber sie bekommt heute eine neue Dimension. Wir sehen die Verantwortung für Fitness, Gesundheit und Wohlbefinden nicht mehr ausschließlich beim Einzelnen, sondern als gemeinsame Aufgabe. Unternehmen, Organisationen und die Gesellschaft insgesamt spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Themen wie Regeneration, Bewegung, Schlaf oder Stressbewältigung zu fördern. Unsere Mission bleibt also im Kern dieselbe: Wir wollen Menschen dabei helfen, gesünder und leistungsfähiger zu leben. Nur tun wir das heute nicht mehr ausschließlich über den direkten Konsumentenweg – sondern auch gemeinsam mit Partnern, die ihre Zielgruppen in genau diesen Themen stärken wollen.
Polar möchte Menschen dabei helfen, gesünder und leistungsfähiger zu leben. Dazu arbeiten sie jetzt gemeinsam mit Partnern, die ihre Zielgruppen in genau diesen Themen stärken wollen (Bildquelle: © Polar)
Mit Polar 360 öffnen wir unser Know-how und machen es erstmals skalierbar nutzbar für vielfältige professionelle Anwendungen – jenseits des klassischen Sportkontexts. Die Einsatzfelder sind breit gefächert: Versicherungen können Präventionsangebote personalisieren, Fitnessanbieter ihre Betreuung auf ein neues Level heben, Logistikunternehmen das Thema Sicherheit datenbasiert angehen oder Tech-Plattformen Bewegungsdaten in spielerische Erlebnisse übersetzen. Auch Unternehmen, die Verantwortung für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden übernehmen möchten, finden in Polar 360 ein zuverlässiges Werkzeug. Die Vision unseres Gründers Seppo Säynäjäkangas lautete: „One day, everyone will have a health device on their wrist.“ Mit Polar 360 machen wir einen großen Schritt in diese Richtung – gemeinsam mit Partnern, die unsere Überzeugung teilen, dass Gesundheit ein Gemeinschaftsprojekt ist.
BODYMEDIA: Speziell dafür habt ihr ein Wearable entwickelt. Was zeichnet den Polar 360 aus und über welche Funktionen verfügt er?
Anja Wolf: Der Polar 360 ist unser erstes speziell für den B2B-Bereich entwickeltes Wearable – und dabei haben wir nicht einfach ein bestehendes Produkt angepasst, sondern von Grund auf neu gedacht. Er ist screenlos, klein, leicht, robust und vielseitig tragbar – entweder klassisch am Handgelenk, was die angedachte Tragweise ist, oder diskret am Oberarm, womit wir bereits einem speziellen Wunsch eines Kunden nachgekommen sind. Und das aus gutem Grund: In vielen Einsatzbereichen wäre ein Display nicht nur überflüssig, sondern eher störend – zum Beispiel in sicherheitsrelevanten Berufen oder bei körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten.
Im Inneren steckt Polar-Technologie der neuesten Generation: Die Sensorfusion Polar Precision Prime liefert präzise Herzfrequenzdaten – auch bei Bewegung, wechselnden Lichtverhältnissen oder schwierigen Umgebungsbedingungen. Hinzu kommen Aktivität, Schlaf, Erholung und – bei Integration über das SDK – auch Hauttemperatur und weitere Rohdaten. Die gesammelten Werte werden entweder mit unseren validierten Algorithmen analysiert oder direkt im System des Partners verarbeitet.
Der Polar 360 ist ein Wearable, das speziell für den B2B-Bereich entwickelt wurde (Bildquelle © Polar)
Unsere Idee war ein Wearable, das im Hintergrund arbeitet, aber maximale Wirkung entfaltet – durch präzise Daten, intuitive Anbindung und echte Skalierbarkeit. Das Besondere am Polar 360 ist nicht nur die Technologie, sondern die Flexibilität, wie man damit arbeitet. Unternehmen können sich entscheiden: Möchte ich auf Polars fertige Gesundheitsmetriken zugreifen? Dann nutze ich die API. Oder will ich mit eigenen Algorithmen auf Rohdaten wie PPG oder Bewegungssignale arbeiten? Dann steht das SDK bereit. Mit dem 360 entstehen unterschiedlichste Lösungen, die punktgenau passen. Sei es ein Versicherungsmodell mit Präventionsanreizen, ein Gesundheitsprogramm im Betrieb oder ein Fitnessangebot mit maßgeschneiderter Betreuung.
Und: Durch das screenlose, modulare Design ist der Sensor dezent, langlebig und angenehm zu tragen – also auch alltagstauglich über längere Zeiträume hinweg. Polar 360 ist nicht das nächste Fitnessarmband, sondern ein professionelles Sensor-Tool, das sich an ganz verschiedene Anforderungen anpassen lässt. Genau das macht es für so viele Branchen interessant.
BODYMEDIA: Welche Anwendungsbereiche gibt es ganz konkret für den Polar 360?
Anja Wolf: Die Einsatzmöglichkeiten für den Polar 360 sind wirklich breit – und genau das macht ihn so spannend. Im Gegensatz zu klassischen Consumer-Wearables ist der 360 nicht auf ein bestimmtes Nutzungsszenario zugeschnitten, sondern lässt sich flexibel und modular an ganz unterschiedliche Anforderungen anpassen.
Schon heute arbeiten wir mit Partnern aus ganz verschiedenen Bereichen zusammen – zum Beispiel in der Herzkreislauf-Prävention, im Schlafcoaching, in der Long-Covid-Therapie, in der Belastungssteuerung im Sport oder bei der Erfassung körperlicher Beanspruchung in sicherheitskritischen Berufen. Das Spektrum reicht also von medizinisch orientierten Anwendungen bis hin zu präventiven Angeboten oder Trainingslösungen. Das Schöne dabei ist: Wir stoßen ständig auf neue Ideen – weil das System offen ist und die Technologie so vielseitig integrierbar. Im Prinzip kann überall dort, wo Menschen in Bewegung sind – oder zu wenig davon haben –, ein sinnvolles, datenbasiertes Angebot entstehen.
Ein klassisches Beispiel ist das betriebliche Gesundheitsmanagement: Hier kann der Polar 360 eingesetzt werden, um Belastungsmuster besser zu erkennen – etwa bei Schichtarbeit oder in körperlich fordernden Berufen. Es geht dabei nicht um Kontrolle, sondern um das frühzeitige Erkennen von Überlastung, Erschöpfung und darum, präventiv gegenzusteuern. Damit geht natürlich auch eine maßgebliche Verbesserung der Sicherheit einher.
In der Logistik wiederum steht die Sicherheit im Fokus. Der Polar 360 hilft dabei, Schlafqualität, Aktivität und Erholung bei Fahrer*innen zu erfassen. Auf dieser Basis können konkrete Empfehlungen gegeben werden – für Pausen, Bewegungsimpulse oder optimierte Schichtplanung. Das senkt das Risiko von Unfällen durch Müdigkeit und unterstützt eine nachhaltige Einsatzfähigkeit. Unsere Kolleg*innen in Japan haben dort gerade ein großes Projekt mit diesem Hintergrund abgeschlossen – mit sehr positiven Rückmeldungen aus der Praxis.
Auch in der Fitnessbranche bietet Polar 360 neue Möglichkeiten – zum Beispiel für Personal Trainer oder Studios, die ihre Mitglieder nicht nur während des Trainings, sondern auch in deren Alltag begleiten möchten. Dank der kontinuierlichen Datenerfassung können Programme individuell angepasst und Fortschritte besser eingeschätzt werden. Das steigert nicht nur die Trainingseffizienz, sondern auch die Kundenbindung.
Dank der kontinuierlichen Datenerfassung können Trainingsprogramme z. B. im Fitnessstudio individuell angepasst und Fortschritte besser eingeschätzt werden (Bildquelle: © Polar)
Ein weiteres spannendes Feld ist das Versicherungswesen: Hier geht es vor allem um die Analyse langfristiger Verhaltensmuster. Anhand anonymisierter Daten lassen sich gezielte Präventionsangebote gestalten, die wirklich zur jeweiligen Zielgruppe passen – und gesundes Verhalten aktiv fördern, statt es nur zu messen.
Wir erleben, dass der Bedarf an verlässlichen, kontinuierlich erfassbaren Gesundheitsdaten in ganz unterschiedlichen Bereichen wächst. Und mit Polar 360 liefern wir genau die technologische Grundlage, um daraus konkrete, wirksame Lösungen zu entwickeln.
BODYMEDIA: Ihr könnt Unternehmen auch ein SDK mitliefern. Wie profitieren sie davon und welche Möglichkeiten bietet das den Unternehmen?
Anja Wolf: Das SDK ist im Grunde unser Profi-Werkzeugkasten – für alle, die nicht nur mit fertigen Funktionen arbeiten wollen, sondern eigene Ideen haben. Mit dem SDK – also dem Software Development Kit – können Unternehmen direkt auf die Rohdaten des Sensors zugreifen und damit eigene Anwendungen, Auswertungen oder Services entwickeln. Das ist besonders spannend für Unternehmen mit eigenen Entwicklerteams, etwa in den Bereichen Digital Health, Versicherung, Fitness oder Gaming.
Das heißt in der Umsetzung: Partner erhalten Zugriff auf Datensignale wie PPG, Beschleunigung oder – je nach Anwendungsfall – auch Temperatur. Darauf aufbauend lassen sich ganz individuelle Algorithmen bauen: etwa zur Erkennung von Belastung, Schlafmustern, Bewegungsprofilen oder Erholungsphasen. Ein Fitnessanbieter könnte ein eigenes Recovery-Scoring aufbauen, eine Versicherung ihr Präventionsprogramm dynamischer gestalten oder ein Logistikunternehmen Warnsysteme für Übermüdung implementieren.
Mit dem SDK können unsere Partner Polar 360 in ihr eigenes Systemdenken einbauen – egal ob es um Performance, Sicherheit oder Prävention geht. Es gibt keine vorgefertigte Lösung von der Stange – sondern maximale Gestaltungsfreiheit. Und das gilt nicht nur für Großkonzerne. Auch Start-ups oder spezialisierte Anbieter, die etwas Neues ausprobieren wollen, profitieren von diesem offenen Ansatz. Für alle, die lieber mit bestehenden Funktionen arbeiten, gibt es zusätzlich unsere API, mit der man die wissenschaftlich validierten Algorithmen von Polar – z. B. zu Aktivität, Schlaf oder Erholung – direkt nutzen kann.
Wir liefern nicht nur Hardware, sondern ein ganzes Ökosystem – mit offenen Schnittstellen, erprobten Datenmodellen und viel Freiraum zur Umsetzung eigener Ideen. Und genau das macht Polar 360 so besonders: Es passt sich an – nicht umgekehrt.
BODYMEDIA: Wie stellt ihr sicher, dass die mit dem Polar 360 gesammelten Daten verantwortungsvoll genutzt werden?
Anja Wolf: Das ist für uns absolut zentral – denn ohne Vertrauen funktioniert so ein Produkt nicht. Wir arbeiten nur mit Partnern zusammen, die unsere Werte teilen. Datenschutz, Transparenz und die Freiwilligkeit der Nutzung sind bei Polar keine Fußnote, sondern Grundvoraussetzung. Es geht beim Polar 360 nie um Kontrolle, sondern um Empowerment. Nutzerinnen und Nutzer sollen sich unterstützt fühlen – nicht überwacht.
Der Polar 360 erfüllt alle Anforderungen der DSGVO, die Datenübertragung ist verschlüsselt, und es wird klar geregelt, wer wann worauf Zugriff hat. Unternehmen erhalten keine personenbezogenen Daten, es sei denn, die betroffene Person hat ausdrücklich zugestimmt. Das bedeutet: Die Hoheit über die eigenen Daten bleibt immer bei der Nutzerin oder dem Nutzer.
Vertrauen ist die Währung in diesem Markt. Deshalb ist für uns klar: Jeder Mensch muss selbst entscheiden können, ob – und in welchem Umfang – Daten genutzt werden dürfen. Wir empfehlen unseren Partnern außerdem eine offene Kommunikation – sowohl intern gegenüber Mitarbeitenden als auch extern gegenüber Kunden. Denn auch die beste Technologie braucht ein glaubwürdiges Umfeld, in dem sie sinnvoll eingesetzt wird. Wir unterstützen unsere Partner hier ganz konkret – mit Leitlinien, Onboarding-Materialien und Best Practices für eine faire und transparente Nutzung.
Der Polar 360 erfüllt alle Anforderungen der DSGVO, die Datenübertragung ist verschlüsselt, und es wird klar geregelt, wer wann worauf Zugriff hat (Bildquelle: © Polar)
BODYMEDIA: Wird Polar 360 auch irgendwann im Consumer-Bereich erhältlich sein?
Anja Wolf: Das ist tatsächlich die meistgestellte Abschlussfrage – und wir freuen uns sehr, dass das Interesse so groß ist. Aktuell liegt der Fokus von Polar 360 ganz klar auf dem B2B-Bereich. Die Technologie und das Konzept dahinter sind bewusst für professionelle Anwendungen entwickelt worden – also für Partner, die den Sensor in ihre eigenen Systeme, Services oder Plattformen integrieren möchten.
Gleichzeitig spüren wir, wie groß das Bedürfnis nach validen, kontinuierlich erfassbaren Gesundheitsdaten auch im Alltag ist – und wie stark dieses Interesse weiter wächst. Nicht nur im Sport, sondern auch in der Arbeitswelt, in der Regeneration oder einfach im täglichen Wohlbefinden. Wenn wir diese Technologie irgendwann auch direkt für Verbraucher zugänglich machen, dann nur in einem Rahmen, der sinnvoll integriert ist – und zu unserem Anspruch passt, Technologien mit Substanz zu entwickeln.
Und natürlich: Polar ist ja seit jeher im Consumer-Bereich zu Hause – mit einem breiten Portfolio an Wearables, die Sport, Gesundheit und Lifestyle verbinden. Der Polar 360 versteht sich in diesem Kontext als professionelles Ergänzungsprodukt – entwickelt für Partner, die datenbasierte Lösungen in größerem Maßstab umsetzen möchten. Ob und wann es eine direkte Consumer-Version des Polar 360 geben wird, steht aktuell noch nicht fest – aber wir nehmen das Interesse sehr ernst und bleiben offen und neugierig, wohin die Reise geht. Wer noch mehr über den Polar 360 erfahren möchte, kann das am Polar-Stand auf der FIBO in Halle 7, Stand B86 tun.
BODYMEDIA: Vielen Dank für das interessante Interview!
Bildquelle: © Polar