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Fitnessstudios als Anti-Stress-Spezialisten

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Stress – ein allgegenwärtiger und längst inflationär verwendeter Begriff. Doch offenbar reicht das noch nicht. Wenn wir wirklich nachhaltig etwas verändern wollen, müssen wir das Thema wieder handhabbarer machen. Dieser Artikel möchte die Bedeutung von Stress erneut ins Bewusstsein rufen – und vor allem Mut machen: das Thema mit mehr Leichtigkeit, Selbstwirksamkeit und einem klaren Blick anzugehen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die Zunahme psychischer Erkrankungen durch Stress bietet Fitnessstudios die Chance, sich als Partner für mentale Gesundheit zu positionieren.
  • Eine Erweiterung des Angebots um Stressbewältigung, Resilienzförderung und Entspannung ergänzt das klassische Trainingsangebot sinnvoll.
  • Zertifizierte Präventionskurse nach § 20 SGB V sind aufgrund steuerlicher Vorteile für Unternehmen und der Möglichkeit der Krankenkassen-Kostenübernahme besonders attraktiv.
  • Mit maßgeschneiderten Angeboten für Unternehmen können sich Fitnessstudios als wichtige Akteure in der betrieblichen Gesundheitsförderung etablieren und einen echten Mehrwert für Arbeitgeber und Arbeitnehmer schaffen.

Die Gesundheitsreports der großen Krankenkassen liefern jedes Jahr Einblicke in das Arbeitsunfähigkeitsgeschehen in Deutschland. Als Datengrundlage dienen die (anonymisierten) Diagnoseschlüssel nach ICD-10 auf Basis der Krankschreibungen. Gerade weil diese Daten auf Millionen Versicherten basieren und langfristig erhoben werden, sind sie eine verlässliche Quelle für die gesundheitlichen Belastungen auch in der Arbeitswelt – und damit auch für den wachsenden Handlungsdruck im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung.

Wenn von psychischen Erkrankungen im Zusammenhang mit Stress die Rede ist, meinen Gesundheitsreports in der Regel bestimmte Diagnosegruppen aus dem Kapitel F der ICD-10-Klassifikation, also der internationalen Klassifikation psychischer Störungen, z. B. depressive Episoden, Anpassungsstörungen, Angststörungen, chronische Erschöpfung, Burn-out.

Besonders die Diagnosegruppe F43 (Anpassungsstörungen und akute Belastungsreaktionen) wird in den Reports regelmäßig mit arbeitsbedingtem Stress und psychischer Überlastung in Verbindung gebracht. Hierunter fallen Symptome wie Antriebslosigkeit, Schlafstörungen, emotionale Erschöpfung, Reizbarkeit und sozialer Rückzug.

Was auf individueller Ebene beginnt, spiegelt sich längst in unserer Gesellschaft wider: Der Krankenstand in Deutschland erreichte im Jahr 2023 mit 5,31 % einen der höchsten Werte seit Jahrzehnten. Besonders auffällig: Psychische Störungen belegen inzwischen den zweiten Platz unter den häufigsten Ursachen (gleich hinter Atemwegserkrankungen).

Muskel-Skelett-Erkrankungen folgen an dritter Stelle. Bereits seit Beginn der 2000er-Jahre verzeichnen Krankenkassen einen kontinuierlichen Anstieg psychisch bedingter Fehltage. Die Zahl der Ausfalltage aufgrund psychischer Diagnosen ist seit 2000 um 146 % gestiegen. Die durchschnittliche Dauer einer Krankschreibung aufgrund psychischer Erkrankungen liegt heute bei fast 30 Tagen pro Fall – deutlich länger als bei anderen Erkrankungsgruppen.

Diese Zahlen sprechen für sich. Sie zeigen nicht nur eine alarmierende Tendenz, sondern machen deutlich: Stress und psychische Belastung sind ein strukturelles Problem.

Wozu also der ganze Stress?

Was heute zu einer unserer größten Herausforderungen geworden ist, war ursprünglich eine überlebensnotwendige Reaktion: eine von der Evolution entwickelte Strategie für den Ernstfall – etwa, wenn plötzlich der Säbelzahntiger vor uns stand. Zwei Optionen: Angriff oder Flucht. Nur sind diese Strategien heutzutage meistens etwas unpassend, wenn man an die Stressreaktionen im Büro, beim Elternabend oder im Projektmeeting denkt.

Um das Stresserleben besser zu verstehen und die Komplexität herunterzubrechen, hilft ein Blick auf das Belastungs-Beanspruchungsmodell: Belastungen sind die äußeren Anforderungen, sogenannte Stressoren, die auf uns einwirken: Termindruck, Lärm, Unterbrechungen oder zwischenmenschliche Konflikte.


Insbesondere Krafttraining, Ausdauertraining und bewegungsbasierte Entspannungsmethoden wirken nachweislich stimmungsaufhellend, stressreduzierend und angstlösend (Bildquelle: © Halfpoint – stock.adobe.com)

Wie stark diese Belastungen uns beanspruchen, hängt jedoch maßgeblich von unserer individuellen Disposition ab – also von genetischen Voraussetzungen, persönlichen Ressourcen und aktuellen Lebensumständen. Gelingt es uns nicht, diese Stressoren zu regulieren oder abzufedern, können sie in unserem Inneren weiterwirken – bis hin zu ernsthaften psychischen oder körperlichen Folgen.

Wenn Stress krank macht

Dauerhafte Überforderung hinterlässt Spuren – körperlich wie psychisch. Wird Stress zur chronischen Beanspruchung, kann er die Entstehung unterschiedlichster Erkrankungen begünstigen.

Zu den häufigsten zählen:

  • Psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Anpassungsstörungen oder burnoutähnliche Erschöpfungssyndrome
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen oder Herzinfarkt
  • Magen-Darm-Beschwerden, etwa Reizdarm oder chronische Gastritis
  • Muskel-Skelett-Erkrankungen durch dauerhafte muskuläre Anspannung
  • Schlafstörungen, die wiederum andere Beschwerden verstärken

Vorbeugen oder Handeln? Beides zählt

Neben dem Erlernen verschiedener Stressmanagementstrategien ist auch Prävention ein entscheidender Hebel – ganz nach dem Motto: „Ein Samen, den du heute säst, wird dir morgen Schatten spenden.“ Das Undankbare bei dem Thema – das haben wir spätestens in der letzten Pandemie erfahren: Erfolgreiche Prävention ist schwer messbar. Wir können nicht nachweisen, was wir verhindert haben. Und gerade deshalb wird sie vielleicht so oft vernachlässigt. Deswegen dieser kleine Appell: Glauben Sie daran – und handeln Sie. Nicht erst, wenn der Körper Alarm schlägt, sondern lange vorher. Denn Prävention schützt, bevor erste Symptome auftreten.

Gesundheitsförderung stärkt aktiv die individuellen Ressourcen im Umgang mit Belastungen. Beide Ansätze sind keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille – und sie wirken am besten, wenn sie sich ergänzen.

Resilienz – mehr als nur Stressmanagement

Wenn der Stress bleibt, müssen sich unsere Strategien verändern. Und wir müssen wach und sensibel bleiben – als Menschen, als Führungskräfte, als Arbeitgeber. Die gute Nachricht? Stressmanagement kann man lernen

Es gibt also noch Hoffnung. Doch es lohnt sich, genau hinzuschauen: Stressmanagement und Resilienz sind nicht dasselbe. Während Stressmanagement meist darauf abzielt, bestehende Belastungen aktiv zu bewältigen, greift Resilienz eine Ebene tiefer: Sie beschreibt die Fähigkeit, mit Belastungen so umzugehen, dass sie uns nicht dauerhaft aus dem Gleichgewicht bringen – oder gar nicht erst zum Stresserleben führen.

Mehr dazu: Resilienz als wichtige Fähigkeit von Führungskräften

Der Begriff Resilienz stammt vom lateinischen „resilire“, was so viel bedeutet wie „zurückspringen“ oder „abprallen“. In seiner ursprünglichen Bedeutung bezog sich der Begriff auf Materialien, die sich nach einer Verformung wieder in ihren Ursprungszustand zurückversetzen konnten – und genau das macht auch die psychologische Resilienz aus: Belastungen prallen nicht einfach ab, aber sie hinterlassen keinen bleibenden Schaden. Resiliente Menschen erleben Stress – aber sie bleiben nicht in ihm stecken. Sie finden schneller in ihre innere Balance zurück, denken lösungsorientiert und können sich flexibel auf Veränderungen einstellen.

Das LOOVANZ-Modell

Das LOOVANZ-Modell ist ein etabliertes Resilienzkonzept, das sieben zentrale Faktoren bündeln und systematisch stärken will:

  • Lösungsorientierung – nicht in Problemen wälzen, sondern Lösungen finden
  • Optimismus – raus aus der Negativspirale und einen hoffnungsvollen Blick bewahren
  • Opferrolle verlassen – aktiv werden, statt sich als Opfer der Situation zu sehen
  • Verantwortung (übernehmen) – für das eigene Handeln und Wohlbefinden sorgen
  • Akzeptanz – belastende Situationen und Gefühle zulassen
  • Netzwerke – Unterstützung und Rückhalt durch soziale Beziehungen nutzen
  • Zukunftsorientierung – vergangene Fehler akzeptieren und den Blick nach vorne richten

Praxisbeispiel: YARA – Resilienz im Alltag trainieren

Während Modelle wie LOOVANZ die theoretischen Grundlagen der Resilienz vermitteln, setzt der YARA-Kurs diese Konzepte in die Praxis um. In einem achtwöchigen Onlineprogramm werden die Teilnehmer durch verschiedene Module geführt, die darauf abzielen, die individuelle Stresskompetenz zu stärken und nachhaltige Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

In dem Kurs werden Themen behandelt, wie Verständnis von persönlichen Stressursachen, kognitive Techniken (Unterbrechung von Grübelkreisen und Förderung positiver Denkmuster), Emotionsregulation, Achtsamkeit und Meditation, Integration von Bewegung.

Ein Merkmal des YARA-Kurses ist die Kombination aus theoretischem Wissen und praktischen Übungen, die flexibel in den Alltag integriert werden können. Zudem ist der Kurs gemäß § 20 SGB V zertifiziert, was eine (teilweise) Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen ermöglicht.

Vom Ich zum Wir: Gesundheitsförderung braucht Struktur

Nicht nur Individuen stehen unter Druck – auch Unternehmen selbst stehen unter den Herausforderungen einer zunehmend komplexen und schnelllebigen Arbeitswelt. Führungskräfte, HR-Verantwortliche und betriebliche Entscheidungsträger sind gefordert, gesunde Rahmenbedingungen zu schaffen, die sich wirklich im Alltag der Mitarbeitenden widerspiegeln.

Auch interessant: Fitnessstudiobetreiber, Unternehmer, Mensch –  Stress managen, stark bleiben

In diesem Zusammenhang fällt zunehmend der Begriff der „organisationalen Resilienz“ – also der Fähigkeit von Unternehmen, auch in Zeiten von Unsicherheit und Belastung handlungsfähig, flexibel und zukunftsorientiert zu bleiben. Was es dafür braucht? Ein Zusammenspiel aus Verhaltensprävention (z. B. individuelle Stresskompetenz) und Verhältnisprävention (z. B. gesundheitsförderliche Strukturen und Unternehmenskultur).

Beides lässt sich nicht immer intern stemmen. Als externe Akteure in diesem Feld dürfen (und müssen) wir es Unternehmen immer wieder bewusst machen: Externe Unterstützung ist ein Ausdruck von Verantwortung – und bringt gleichzeitig frische Impulse und neutrale Perspektiven in Veränderungsprozesse.

Mentale Gesundheit im Kontext der Arbeitswelt ist nicht „nur“ ein humanistischer Auftrag, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Gezielte Maßnahmen können Krankheitskosten senken – und gleichzeitig etwas bewirken, das oft unterschätzt wird: Produktivität, Engagement und Leistungsbereitschaft nachhaltig steigern. Und: Sie schaffen Identifikation – mit dem Unternehmen, mit einer modernen Führungskultur, mit dem Gefühl, dass Gesundheit Teil der Unternehmensidentität ist.

Studios als Anti-Stress-Partner

Fitness- und Gesundheitsstudios sind längst mehr als Orte des körperlichen Trainings. Sie können zu kraftvollen Anti-Stress-Zonen werden – wenn wir ihr Potenzial im Kontext psychischer Gesundheit neu denken. Zahlreiche Studien belegen, dass regelmäßige körperliche Aktivität nicht nur die physische, sondern auch die psychische Resilienz stärkt.


Besonders attraktiv für Unternehmen sind dabei zertifizierte Präventionskurse nach § 20 SGB V – sowohl in digitaler als auch in analoger Form (Bildquelle: © Arsenii – stock.adobe.com)

Insbesondere Krafttraining, Ausdauertraining und bewegungsbasierte Entspannungsmethoden wirken nachweislich stimmungsaufhellend, stressreduzierend und angstlösend. So zeigt eine Metaanalyse der Universität Limerick (Gordon et al., 2018), dass moderates Krafttraining signifikant depressive Symptome lindern kann – unabhängig vom Trainingsstatus oder der Intensität. Auch aerobes Training wurde in zahlreichen Studien mit einer besseren Stressbewältigung und reduzierten Angstsymptomen in Verbindung gebracht (z. B. Rebar et al., 2015).

Doch Fitnessstudios können noch mehr: Sie bieten einen geschützten Raum, der nicht nur Training, sondern auch soziale Interaktion und emotionale Stabilität ermöglicht – ein zentraler Faktor im Aufbau von Resilienz. Kombiniert mit Angeboten wie Yoga, Meditation oder Achtsamkeitstraining entsteht ein wirksames Bündel zur Förderung mentaler Gesundheit.

Diese Form der multimodalen Prävention trägt dazu bei, das autonome Nervensystem zu regulieren, den Schlaf zu verbessern und die Selbstwahrnehmung zu schulen. Auch passive Regenerationsangebote wie Massageliegen, Infrarotkabinen oder Saunen können das Stresslevel signifikant senken. Studien zeigen, dass regelmäßige Wärmeanwendungen den Parasympathikus aktivieren und das subjektive Wohlbefinden erhöhen (z. B. Hussain & Cohen, 2018, über regelmäßiges Saunieren).

Wie Studios Unternehmen gezielt unterstützen können

Gerade im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) können Fitnessstudios maßgeschneiderte Anti-Stress-Angebote für Unternehmen entwickeln. Hierbei lohnt es sich, auf modulare Konzepte zu setzen: Kombinationen aus aktiven Pausenformaten (z. B. kurze Rückenfit- oder Mobilisationssessions), digital begleiteten Resilienztrainings oder regelmäßigen After-Work-Yoga-Angeboten lassen sich leicht in den Arbeitsalltag integrieren.

Besonders attraktiv für Unternehmen sind dabei zertifizierte Präventionskurse nach § 20 SGB V – sowohl in digitaler als auch in analoger Form. Diese Kurse sind nicht nur wissenschaftlich fundiert und qualitätsgesichert, sondern auch steuer- und sozialabgabenfrei nach § 3 Nr. 34 EStG – bis zu einem Freibetrag von 600 Euro pro Mitarbeitendem und Jahr. Das macht sie zu einem wirkungsvollen und zugleich wirtschaftlich sinnvollen Baustein betrieblicher Gesundheitsstrategien.

Ob als Onlinekurs zur Stressbewältigung, als Yoga-Programm vor Ort oder als Rückentraining in der Mittagspause – §-20-Kurse bieten maximale Flexibilität bei gleichzeitig hoher Qualität. Studios, die solche Kurse anbieten oder vermitteln, positionieren sich damit als kompetente Partner für moderne Unternehmen – und schaffen niederschwellige Zugänge zur Gesundheitsförderung.

Auch Events wie „Achtsamkeitstage“, Impulsvorträge oder Schnupperaktionen mit Entspannungstechniken zeigen Wirkung – vor allem, wenn sie nicht als einmalige Alibi-Maßnahme, sondern als Startpunkt für eine echte Gesundheitskultur verstanden werden.

Für Unternehmen bietet die Zusammenarbeit mit einem Studio nicht nur eine externe Entlastung, sondern auch einen Imagegewinn: Sie signalisieren damit nach innen wie außen, dass die mentale Gesundheit der Mitarbeitenden einen zentralen Stellenwert einnimmt – und dass Prävention mehr ist als ein Obstkorb in der Teeküche. Fitness- und Gesundheitsstudios können so zu relevanten Partnern im Wandel werden: mit Haltung, Expertise und Angeboten, die nicht nur Kraft, sondern auch innere Balance trainieren.

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Die Autoren

  • Claudia Towae-Kelbling

    Claudia Towae-Kelbling ist Studiomanagerin des Campus Wellness & Sports in Pirmasens und Geschäftsführerin der CTK - Training, Coaching und Konzepte GbR. Zudem ist sie Mitbegründerin der Initiative Gesundheit und Fitness in regionalen Betrieben.

    Mehr zu Claudia Towae-Kelbling
  • Nadja Schleif

    Nach ihrem Studium der Medien- und Wirtschaftspsychologie in Berlin zog es Nadja Schleif direkt in den Bereich Betriebliches Gesundheitsmanagement. In einer kleinen Firma für Unternehmensberatung agierte sie als offizieller Partner der AOK Nordost in Unternehmen aller Art. Im November 2024 zog es sie zur CTK, wo sie speziell als Ansprechpartnerin sowie für die Weiterentwicklung des BGF-Tools verantwortlich ist. 

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