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True+ – Künstliche Intelligenz und Mikronährstoffe

Jonathan von Gratkowski zeigt, wie man vom Erfinder der Videosprechstunde zum Entwickler einer selbstlernenden App für Nahrungsergänzungsmittel wird. Nicht nur sein Werdegang ist bemerkenswert, sondern auch die Ziele, die er sich für true+ gesteckt hat. So sind z. B. alle Mikronährstoffe, die er anbietet, „Handmade in Germany“. Im Interview mit ihm und seiner Mikronährstoff-Expertin und Produktentwicklerin Aida Jansson gewährt er uns Einblicke hinter die Kulissen von true+.

BODYMEDIA: Wie können wir uns den Weg vorstellen, den Sie vom Erfinder der Videosprechstunde hin zu einem App-Anbieter für Nahrungsergänzungsmittel gegangen sind?
Jonathan von Gratkowski: Gebürtig komme ich eigentlich aus Bad Tölz, bin dann aber schon recht früh hier nach oben in den Norden gezogen. Ich habe mich dann entschieden, Informatiker zu werden. Angefangen habe ich in der Telekommunikationsbranche. Schon in meinem zweiten Lehrjahr erwachte in mir der Wunsch zur Selbstständigkeit und ich gründete meine erste Firma. Die Idee für eine spezielle Software machte mich relativ früh, mit Anfang 20, zum Unternehmer mit eigenen Angestellten. Bis 2012 hatten wir vor allem Auftragsarbeiten umgesetzt. Von da an wurde der Wunsch nach einer eigenen Software und der eigenen Marke immer größer. Doch bevor das alles richtig starten konnte, erlitt ich einen gesundheitlichen Rückschlag, genauer gesagt bekam ich Krebs. Nach der OP wollte ich zur Weiterbehandlung den besten Arzt an meiner Seite haben. Leider musste ich feststellen, dass Krebs ein „local business“ ist. Man geht zu Ärzten und in Kliniken, die ungefähr in einem Radius 100 km um einen herum sind. Es ist sehr ungewöhnlich, dass man für eine Krebs-OP 5.000 km wegfliegt. Und diese Erfahrung war der Auslöser für meine zündende Idee: die Online-Videosprechstunde. Die Firma, die ich damals gründete, existiert bis heute und heißt Patientus. Die größte Herausforderung jedoch war keine technische, sondern das Ändern des Fernbehandlungsgesetzes. Früher war das, was ich gemacht habe, verboten. Die Behandlung eines Patienten durch einen Arzt via Video war nicht erlaubt. Viele sprechen über den Verkauf meines Unternehmens an den Burda Verlag. Für mich die viel größere Leistung ist die Gesetzesänderung, die wir erreicht haben. 

 

Von der Wirkungsweise bis hin zum Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln wird alles in der true+-App gebündelt

 

BODYMEDIA: Und wie kam es dann zur Entwicklung von true+?
Jonathan von Gratkowski: Im Umgang mit dem Krebs ergaben sich für mich zwei Alternativen – eine Chemotherapie oder der Weg einer alternativen Therapie. Nach dem Entfernen des Karzinoms entschied ich mich für Letzteres. Aber ich schlug keinen homöopathischen Weg ein, sondern eine Therapie im Nahrungsergänzungsmittelbereich, die auf einer wissenschaftlichen Grundlage steht. Das bedeutete: Um wieder fit zu werden, musste ich große Mengen Supplements zu mir nehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Kontakt mit Nahrungsergänzungsmitteln gehabt. Ich wusste also nicht, was mich erwartet. Es hat aber nur zwei Wochen gedauert, bis sich die ersten Effekte einstellten. Plötzlich war ich richtig fit und lebensdurstig. Die Therapie dauerte nur ein Jahr und hat richtig gut funktioniert. Heute sind sechs Jahre vergangen – ich bin kerngesund und habe nach dem Krebs nie irgendwelche Medikamente zu mir genommen. 

BODYMEDIA: Kam der Antrieb, anderen eine Plattform bereitzustellen, auf der sie sich über Mikronährstoffe informieren können, aus dieser Erfahrung heraus?
Jonathan von Gratkowski: Ich kannte mich ja mit den Supplements nicht aus. Natürlich habe ich meine Therapeutin gefragt, warum ich welche Substanz nehme. Die Fülle an Informationen war aber zu groß – ich konnte mir das einfach nicht merken. Es waren zu viele Wirkungen für zu viele Symptome. Nach dem Ende der Therapie nahm ich weiterhin die wichtigsten Supplemente ein, aber in meinem Kopf manifestierte sich die Frage, was ich da eigentlich regelmäßig geschluckt habe. Dann gab es noch ein weiteres Erweckungserlebnis: Ich bin amerikaaffin und habe öfter dort Urlaub gemacht. 2019 stand ich dann in einem Walmart in einer Abteilung für Supplements, die in etwa so groß war wie ein ganzer Supermarkt hier in Deutschland. Für mich war klar, dass niemand die Wirkungsweise all dieser Nahrungsergänzungsmittel kennen konnte. Nach meiner Rückkehr entstand die Idee, eine Datenbank zu erschaffen, in der man recherchieren kann, welcher Wirkstoff bei welchen Symptomen wirkt. Aufgrund der vielen Informationen war schnell klar, dass wir die Plattform App nutzen wollen. Das kombinierten wir dann mit einer selbstlernenden Software, die kostenlos für alle zugänglich ist. Letztlich ist es eine App, die ich schon immer haben wollte. Die nächste Herausforderung, die vor uns stand, war das Wissen über Mikronährstoffe zu sammeln, zu bündeln und vor allem zu verifizieren. 

 

Jonathan von Gratkowski geht nach der Erfindung der Videosprechstunde nun seinen Weg in die Supplement-Industrie und Aida Jansson ist die Mikronährstoffexpertin bei true+

 

BODYMEDIA: Hier kamen dann Sie ins Spiel, Frau Jannsson?
Aida Jansson: Genau, ich bin selbst durch meine Ausbildung als Sport- und Fitnesskauffrau tief in der Fitnessbranche verwurzelt. Aktuell befinde ich mich noch in der Ausbildung zur Heilpraktikerin und konnte mir bereits ein enormes Wissen im Bereich Mikronährstoffe aufbauen. Trotzdem wollte ich die Informationen noch einmal verifizieren lassen. Dafür haben wir einen Apotheker im Team, der ebenfalls Mikronährstoffexperte ist, eine Pharmazeutisch-technische Assistentin sowie unseren Mentor, Dr. Markus Müschenich, der ein Gesundheitsunternehmen in Berlin leitet. So konnten wir das Wissen verifizieren. Nach einer intensiven Zeit der dreivierteljährigen Entwicklung haben wir die App bei Apple eingereicht. Unsere App wurde dann aber leider abgelehnt. Wir bekamen die Rückmeldung, dass wir alle medizinischen Aussagen mit einer Studie belegen sollten. Das war gar nicht so einfach zusammenzutragen, aber wir haben das geschafft. 
Jonathan von Gratkowski: Dazu kommt, dass die App einen selbstlernenden Kern hat. Wir nutzen die KI von Google mit dem Namen TensorFlow. Diese bewertet Vorgänge wie Zufriedenheit mit der App und z. B. auch Käufe. Bei einem Stand von angenommenen 1 Mio. Nutzern wird sich der Wissensstand in der App im Vergleich zu heute grundlegend verändern, da sie bei Benutzung immer mitlernt. 

BODMEDIA: Ich gebe also ein Symptom ein und dann sagt mir die App, welche Mikronährstoffe sinnvoll sind?
Jonathan von Gratkowski: Genau, das passiert in 2 Stufen. Zwar kann man in der App Nahrungsergänzungsmittel kaufen, dieser Teil ist mir jedoch nicht so wichtig. Viel relevanter ist, dass der User Informationen darüber erhält, welche Supplemente ihm helfen. Jeder Mikronährstoff wird auf Symptomebene erklärt. Das bedeutet, dass jemand, der nach Schlafstörungen sucht, z. B. zu Magnesium gelangt und darüber keine allgemeinen Informationen über Magnesium erhält, sondern gezielt erfährt, warum Magnesium bei Schlafmangel helfen kann. In der App kann ich dann auch Produktempfehlungen klicken. Hier bieten wir Supplemente in Apothekenqualität an. Und da bin ich auch stolz drauf. Wir produzieren in einer gläsernen Manufaktur in Nürnberg – also geprüfte Qualität in Deutschland

 

true+ ist eine App, in der man recherchieren kann, welcher Wirkstoff bei welchen Symptomen wirkt

 

BODYMEDIA: Wie kann man sich das vorstellen?
Jonathan von Gratkowski: Die Manufaktur ist ein Großhändler, der beinahe ausschließlich Apotheken beliefert. Daher war es für den Produzenten nicht so leicht, diese Zusammenarbeit einzugehen. Aber der Inhaber ist so ein Mikronährstoff-Fan, dass er schnell begeistert war. Das Spannende ist: Die Kapseln werden von Hand eingestrichen und dann zugeschweißt. Eine echte Manufaktur eben. Mir ist die Gefahr zu hoch, dass unterdosierte Qualität mit schlechten Rohstoffen gekauft wird. 
Aida Jansson: Auf hohe Dosierungen und eine gute Bioverfügbarkeit haben wir besonders geachtet. In der Produktion werden ausschließlich Reinstoffe verwendet – Zusatzstoffe wie z. B. Rieselhilfen kommen nicht in unsere Kapseln. Die App achtet darauf, dass Mikronähstoffe in einer positiven Beziehung stehen. Sollten sich einmal zwei oder mehrere Stoffe nicht begünstigen, weist das die App auch aus. 

BODYMEDIA: Gibt es Pläne, die Möglichkeiten der App auch für Fitnessstudios zu öffnen? Ich könnte mir einen Einsatz in der Unterstützung der gesundheitlichen Betreuung gut vorstellen.
Jonathan von Gratkowski: Unsere Pläne in der Hinsicht sind durchaus ambitioniert und wir wollen es den Studios so einfach wie möglich machen. Auf der einen Seite haben wir in unsere App ein Gutschein-System implementiert, das es Partner-Fitnessstudios ermöglicht, attraktive Angebote an ihre Kunden weitergeben. Das zweite Feature, das wir beinahe fertig entwickelt haben, ist die Auswertung der Health-Daten von Google und Apple. Zukünftig kann man also auf Knopfdruck eine Auswertung der eigenen Fitnessdaten starten. Anhand dieser anonymisierten Daten können wir, aufgrund des Sportprofils, Supplement-Vorschläge passend zum Lifestyle der Person machen. Für Fitnessstudios wäre sicherlich auch eine Point-of-Sale-Lösung interessant. Dafür reicht z. B. schon ein Tablet im Studio. Dann können die Mitglieder mit der Mitgliedsnummer des Fitnessstudios ihre Symptome checken und entsprechend Nahrungsergänzungsmittel bestellen. Noch besser wäre es, wenn die Trainer im Fitnessstudio die App aktiv empfehlen und dann auch bei der Nutzung helfen, damit die Mitglieder wissen, welche Mikronährstoffe für sie relevant sind. 

BODYMEDIA: Vielen Dank für das interessante Interview!

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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