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Training im Einklang mit dem weiblichen Zyklus?

Beim Thema Menstruationszyklus & Sport geht es darum, Training und Ernährung an den weiblichen Zyklus anzupassen. Die Praxis zeigt leider, dass Frauen so trainieren wie Männer. Im folgenden Artikel betrachten wir, wie zyklusbasiertes Training im Fitnessstudio umgesetzt werden kann.

Der Menstruationszyklus als das „5. Vitalzeichen“?

Die Vitalzeichen (Vitalwerte) geben Auskunft über die lebenswichtigen Körperfunktionen und werden alltäglich in der Pflege gemessen und beobachtet. In Gesundheits- und Fitnessstudios werden ebenfalls mit teuren Geräten (wie z. B. Körperfettwaagen/ Bioimpedanzmessung, Ergometer etc.) und anderen Tools wichtige Parameter gemessen, um den Mitgliedern aufzuzeigen, wie es um ihren aktuellen Gesundheits- und Fitnesslevel steht.

Doch jede Frau im gebärfähigen Alter hat bereits ein ganz eigenes, wertvolles (und kostenfreies) „Tool“ – den Menstruationszyklus! Denn dieser zeigt uns sehr viel über den aktuellen Gesundheitszustand der Frau.

Die Zykluslänge ist dabei einer der ersten Indikatoren eines gesunden Zyklus. Medizinisch betrachtet sind Zyklen zwischen 25 und 35 Tagen als normal anzusehen und können je nach Lebensphase und Lebensumständen variieren. Sollte der Zyklus einmalig kürzer oder länger sein, besteht also kein Grund zur Besorgnis, allerdings kann man hier schon einiges über die Kundin erfahren.

Denn wie Sie bereits wissen, ist einer der Hauptfaktoren für Zyklusstörungen psychischer und physischer Stress. War das Trainingspensum zu hoch? Welche Umweltfaktoren beeinflussen die Klientin? Beziehungskrise? Prüfungsphase? Bei dauerhaften Unregelmäßigkeiten sollte unbedingt medizinischer Rat eingeholt werden.  

Die Periode – „der monatliche Gesundheitscheck“

Einige Frauen sehen die Menstruation als etwas Lästiges oder Einschränkendes. Zu Recht, wenn diese mit starken Schmerzen oder anderen Beschwerden einhergeht. Dabei ist zu verdeutlichen, dass starke Schmerzen, die so weit gehen, dass man im  Alltag eingeschränkt ist, nicht normal sind! Die Ursachen von Menstruationsschmerzen sind, wie bereits erwähnt, vielfältig und können durch gewisse Lebensstil- und Umweltfaktoren, über Vitalstoffmängel bis hin zu Erkrankungen, ausgelöst werden.

Die Periode sollte also nicht als lästig betrachtet werden, sondern als wertvoller Begleiter, der monatlich einen „Gesundheitscheck“ bereithält. Besonders der Eisprung bzw. das Ausbleiben des Eisprungs kann auf ein hormonelles Ungleichgewicht hindeuten. Findet kein Eisprung statt, kann es trotzdem zur Blutung kommen – die sogenannte „Hormonentzugsblutung“, was aber nicht mit der Periode gleichzusetzen ist. Ohne Eisprung ist eine Frau nicht gebärfähig.  

Was genau ist zyklusbasiertes Training?

Hierbei wird nichts Neues erfunden, sondern bisher bestehende Trainings- und Ernährungsprinzipien an den individuellen Menstruationszyklus der Trainierenden angepasst. Bei dem weiblichen Zyklus handelt es sich nämlich um viel mehr als die  Periode. Der Menstruationszyklus ist ein faszinierender Prozess, der von Hormonen  gesteuert wird, welche mit dem Gehirn und anderen Organen kommunizieren.


Das allgemeine Ziel von zyklusbasiertem Training ist es, die physiologischen Prozesse  des Körpers zu nutzen, ihn optimal zu unterstützen (Bildquelle: © NDABCREATIVITY - stock.adobe.com)

Die Hauptfunktion besteht zwar darin, zur Schwangerschaft zu gelangen, jedoch beeinflusst er, wie bereits erläutert, den gesamten Körper auf unterschiedliche Weise. Um die Auswirkungen der hormonellen Schwankungen besser verstehen zu können, zunächst ein kurzer Einblick in die natürliche Biologie der Frau: Der Menstruationszyklus einer jeden Frau ist sehr individuell, dauert etwa zwischen 25 und 35 Tagen und kann (in der Länge) von Umweltfaktoren (wie z. B. Stress, Ernährung, Krankheit, Training, der Psyche ...) beeinflusst werden.

Die Hauptakteure im Zyklus sind die weiblichen Sexualhormone Östrogen und Progesteron. Deren Konzentrationen bestimmen die unterschiedlichen Phasen. Genau diese beiden Hormone wirken sich außerdem auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit, den Nährstoffbedarf, das Wohlbefinden, die psychische Verfassung aus.

Menstruationsphase – energielos und müde oder voller Power? Während dieser Phase sind Östrogen und Progesteron auf dem Tiefpunkt. Die Gebärmutterschleimhaut wird abgestoßen und die Periodenblutung setzt für ca. 5–7 Tage ein. Einige Frauen leiden unter (starken) Menstruationsschmerzen und fühlen sich (auch aufgrund der Menge an Blut, die verloren geht) oftmals müde und schlapp, weshalb anstrengende Trainingseinheiten hier nicht sinnvoll sind.

Eine hohe Cortisolausschüttung durch intensives Training kann zudem Krämpfe verstärken. In dieser Phase ist es also besser, die Intensität runterzuschrauben, dafür ggf. den Umfang zu erhöhen (z. B. Grundlagenausdauer, LIT oder Techniktraining). Allerdings gibt es auch Frauen, die sich (meist nach den ersten beiden Tagen der Blutung) fit und energetisch fühlen. Theoretisch eignet sich das niedrige Hormonlevel gut für Trainingseinheiten – jedoch sollten Frauen hier auf ihren Körper hören. 

Follikelphase – der Energiekick!

In der ersten Zyklushälfte bzw. Follikelphase steigt der Östrogenspiegel an, erreicht  seinen Höhepunkt während des Eisprungs (Ovulation) und fällt daraufhin stark ab. Je  mehr die Follikel reifen, desto mehr Östrogen wird produziert. Das Hormon wirkt, ähnlich dem männlichen Testosteron, anabol.

Bei einer erhöhten Konzentration wird der Muskelaufbau gefördert. Außerdem steigen Energielevel und Motivation. In der Follikelphase ist es deshalb sinnvoll, vermehrt Kraft- und Intervalltraining einzubauen.

Einige Untersuchungen belegen, dass vermehrtes Krafttraining in der ersten Zyklushälfte effektiver ist als in der zweiten Zyklushälfte.1 Außerdem regeneriert sich der Körper besser und schneller. Frauen nehmen sich oftmals als fitter und leistungsfähiger wahr, was ebenfalls durch einige Umfragen mit Sportlerinnen2 bestätigt wurde. 

Ovulationsphase – Verletzungsgefahr?

Während der Ovulation platzt der am meisten entwickelte Follikel und gibt seine Eizelle frei. Die hohe Konzentration von Östrogen rund um den Eisprung hat in sportlicher Hinsicht allerdings nicht nur Vorteile. Einige Studien3 zeigen, dass sich Sportlerinnen die meisten Verletzungen (vor allem des Kreuzbandes) genau in dieser Phase zuziehen.

Das hat damit zu tun, dass vor allem Östrogen (und auch Progesteron) für eine Gewebelockerung verantwortlich ist. Deshalb nimmt z. B. die Schlaffheit des Bandapparates im Knie zu, was bedeutet: Die Gelenke sind weniger stabil und knicken beispielsweise beim Laufen leichter ein.

Komplexe, plyometrische und neue Bewegungsabläufe (mit hohen Gewichten) sollten in diesen Tagen daher eher vermieden werden. 

Lutealphase – Zeit für Regeneration?

Die zweite Zyklushälfte (Lutealphase) beginnt nach dem Eisprung. Hierbei wird das Hormon Progesteron produziert, welches katabol wirkt. Es erreicht seinen Höhepunkt erst ein paar Tage nach dem Eisprung. Parallel steigt auch der Östrogenspiegel wieder langsam an. Durch die Hochhormonlage fällt es dem Körper schwerer, Muskulatur aufzubauen.

Zudem steigt die Körperkerntemperatur um ca. 0,5 Grad an, was sich ebenfalls auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Des Weiteren ist in dieser Phase der Grundumsatz erhöht, was bedeutet, dass der tägliche Kalorienbedarf um ca. 100–200 kcal steigt (allgemein kann der Körper durch unterschiedliche Nährstoffe in den verschiedenen Phasen optimal unterstützt werden, was besonders bei Sportlerinnen nicht außer Acht gelassen werden sollte).

In der späten Lutealphase leiden, wie bereits erwähnt, auch sehr viele Frauen unter PMS, was sich dementsprechend negativ auf Leistung, Motivation und Wohlbefinden auswirkt. In dieser Phase ist es sinnvoll, die Trainingsintensität runterzuschrauben und vermehrt auf Ausdauer- und Grundlagentraining zu setzen. Die letzten Tage der Lutealphase sowie die ersten Tage der Menstruation eignen sich deshalb z. B. für eine Regenerationswoche.


Beim zyklusbasierten Training geht es darum, bisher bestehende Trainings- und  Ernährungsprinzipien an den individuellen Menstruationszyklus der Trainierenden anzupassen (Bildquelle: © NDABCREATIVITY - stock.adobe.com)

Das allgemeine Ziel von zyklusbasiertem Training ist es, die physiologischen Prozesse des Körpers zu nutzen, ihn optimal zu unterstützen und ihn nicht durch harte Trainingseinheiten zu quälen, wenn er eigentlich Regeneration benötigt. Nach Belastungsphasen erfolgen Phasen der Erholung, nur so kann sich der Körper auch  optimal anpassen und die Reize verarbeiten. Warum also nicht diese Phasen an die des Körpers anpassen?

Das Motto von FEMNETIC lautet: „Don’t train harder, train smarter!“ Es gibt mittlerweile erste Athletinnen und Trainer, die die Auswirkungen des weiblichen Zyklus erkennen und Training und Ernährung entsprechend anpassen.

Laura Philipp, die deutsche Triathletin, mehrfache Ironman-Siegerin und deutsche Meisterin auf der Triathlon-Mitteldistanz, ist bekannt für diese Trainings- und Ernährungsstrategien. Sie führt ihren Erfolg u. a. darauf zurück, dass sie im Einklang mit ihrem Menstruationszyklus trainiert und sich ernährt. Auch die Fußballspielerinnen des 1. FC Chelsea trainieren und ernähren sich abgestimmt auf ihren Menstruationszyklus – und das sehr erfolgreich.

Es geht bei der Thematik „Menstruationszyklus und Sport“ definitiv nicht nur um das  Erreichen einer Leistungssteigerung. Wie schon ausführlich berichtet, spielen die Zyklusgesundheit und damit z. B. die Osteoporose- und Verletzungsprävention und das allgemeine physische und psychische Wohlbefinden eine große Rolle. Warum zyklusbasiertes Training also nicht auch im Breiten- und Freizeitsport etablieren? 

Wie kann zyklusbasiertes Training im Studioalltag integriert werden? 

  1. Grundlagen & Wissen: Zuallererst sollten die Trainer sich mit der weiblichen Physiologie und Anatomie vertraut machen. Da die Wissenschaft zu diesem Thema noch in den Kinderschuhen steckt, sollte hier unbedingt auf die Qualität der Informationsquelle geachtet werden. Auch hier gibt es einige selbsternannte Experten, die falsche Informationen über diese Themen streuen.
     
  2. Aufgeschlossenheit & Fingerspitzengefühl: Wie bereits erwähnt, sind für viele die Themen Menstruationszyklus und Periode noch schambehaftet, weshalb die Trainer sensibel, aber selbstbewusst an die Thematik herangehen sollten. Auch als Mann ist es vollkommen in Ordnung, die Kundinnen zu fragen, in welcher Zyklusphase sie sind und ob sie Probleme mit ihrem Menstruationszyklus haben, da dieser maßgeblich für die sportliche Leistung und das Wohlbefinden ist.

    Natürlich gehören hier ein gutes Wording und Fingerspitzengefühl dazu. Wenn der Menstruationszyklus zum ersten Mal angesprochen wird, sollte auf den Rahmen des Gesprächs und die Aufgeschlossenheit der Kundin geachtet werden. Ein separater Beratungsraum oder eine ruhige Ecke im Studio wären von Vorteil.
     
  3. Anamnese: Der Menstruationszyklus sollte in jeder guten Anamnese (Gesundheitscheck, Leistungsdiagnostik etc.) auftauchen, denn es gibt viele Beschwerdebilder, die die Leistungsfähigkeit sowie das Wohlbefinden beeinträchtigen können.

    Hatten Sie schon einmal folgende Situation?: Trainer: „Nehmen Sie irgendwelche Medikamente?“ Darauf die Kundin: „Nein … achso, nur die Pille.“ Worauf der Trainer antwortet: „Kein Problem, die hat ja keinen Einfluss auf das Training.“

    Doch leider ist diese Annahme falsch. Denn die Pille unterdrückt nicht nur den kompletten Menstruationszyklus, sondern ist ein Risikofaktor für Osteoporose und weitere Erkrankungen. Mit diesem Wissen können Sie die Kundin unterstützen und zum Beispiel ein gezieltes Training vorschlagen, um der Osteoporose entgegenzuwirken.
     
  4. Tracking: Es wird empfohlen, die Kundin dazu zu ermutigen, ihr Empfinden, ihre Symptome, wie z. B. PMS-Symptome, Energielevel etc., im Zusammenhang mit ihrem Zyklus möglichst täglich sowie (vor/nach/während des Trainings) zu dokumentieren.

    Hierzu gibt es bereits unzählige Apps oder auch vorgefertigte Ausdrucke, Journale oder Workbooks, die dazu genutzt werden können. Der Sinn und Zweck des Trackings liegt ähnlich wie bei einem Ernährungsprotokoll darin, das Verhalten bzw. die Empfindungen & Symptome zu erkennen (meistens ergibt sich ein wiederkehrendes Muster), um der Kundin individuelle und verbesserte Trainings- und Ernährungsempfehlungen geben zu können.

    Der Kern und die Herausforderung von zyklusbasiertem Training sind, diese individuellen zyklischen Muster zu erkennen und entsprechende Anpassungen vorzunehmen. Denn hierbei gibt es kein „One Size Fits All“-Konzept.
     
  5. „Train like a Woman“: Der Trainingsplan sollte nun anhand der Anamnese, der Trainingsziele und des Wissens über die verschiedenen Hormonlagen während eines Zyklus an die Kundin angepasst werden.

    Da, wie bereits erläutert, sich die Zyklen und Symptome auch von Monat zu Monat verändern können, gilt es – wie bei allen anderen guten Trainings- und Ernährungsplänen auch – immer wieder zu schauen, ob Anpassungen nötig sind und ob sich die Kundin mit dem Konzept wohlfühlt. Somit kann nicht nur eine tolle Trainer-Kunden-Bindung, sondern eine langfristige Betreuung entstehen.

Nur fünf Schritte zur Umsetzung? Theoretisch ja! Praktisch gehören auch hier Übung und Erfahrung dazu! Denn wie bereits erwähnt, ist jede Frau mit ihrem Menstruationszyklus einzigartig.

Stellen Sie sich nur mal vor, wie Sie mit all dem Wissen Ihre Kundinnen noch individueller beraten und betreuen könnten – und das ohne die 500ste Abnehmkampagne schalten zu müssen, die verspricht, 5 kg in 4 Wochen abzunehmen! NEIN! Sie können Ihre Kundinnen „wirklich“ verstehen und sie dabei unterstützen, endlich mit ihrer Physiologie zusammenzuarbeiten und nicht mehr gegen sie. 

Fazit

Zusammengefasst kann man sagen, dass das Training im Einklang mit dem Zyklus und der weiblichen Physiologie nicht nur für die Kundin, sondern auch für die  Gesundheitsbranche und Fitnessstudios einen großen Mehrwert bietet. Für die Integration braucht es keine großen Investitionen und die Kundinnen gewinnen (bzw. erkennen) ein neues „Tool“ – ihren eigenen monatlichen (kostenfreien) Gesundheitscheck – der Menstruationszyklus.

Bildquelle Header: © NDABCREATIVITY - stock.adobe.com

Die Autoren

  • Petra Kuhn

    Petra Kuhn ist eine der Gründerinnen von FEMNETIC. Gemeinsam mit Frances Weber hat sie sich auf die weibliche Physiologie und Anatomie spezialisiert. Gemeinsam mit ihrem Expertenbeirat haben sie den ersten staatlich anerkannten (zertifiziert von der ZFU) Fernlehrgang im deutschsprachigen Raum (DACH) erstellt, der zyklusbasiertes Training und zyklusbasierte Ernährung im Fitnessstudioalltag integriert.
     

  • Frances Weber

    Frances Weber ist eine der Gründerinnen von FEMNETIC. Gemeinsam mit Petra Kuhn hat sie sich auf die weibliche Physiologie und Anatomie spezialisiert. Gemeinsam mit ihrem Expertenbeirat haben sie den ersten staatlich anerkannten (zertifiziert von der ZFU) Fernlehrgang im deutschsprachigen Raum (DACH) erstellt, der zyklusbasiertes Training und zyklusbasierte Ernährung im Fitnessstudioalltag integriert.

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