BODYMEDIA: Herr Kühne, das Gesundheitsbewusstsein in den Menschen wird – nicht nur COVID-bedingt – kontinuierlich und unaufhaltsam stärker. Das Gesundheitssystem hält den Anforderungen kaum mehr stand. Wie sieht Ihre Einschätzung bzgl. des Gesundheitssystems aus?
Roy Kühne: Wir haben nach wie vor generell ein gutes System – viele Menschen kommen nach Deutschland (zurück), um sich hier operieren zu lassen– oder die Nachsorge durchzuführen. Wir haben auch immens viel Geld im System. Es sind die Details, die nicht stimmen, u. a. Wartezeiten beim Arzt, Personalmangel, Effektivität, Bonus-Malus-System, Bürokratismus.
BODYMEDIA: Die positiven Effekte von Training, insbesondere des Muskeltrainings, sind mittlerweile unbestritten. Dennoch spielt Training in der Gesellschaft und vor allem in der Gesundheitspolitik noch immer eine untergeordnete Rolle. Warum glauben Sie, sind das Standing von Muskeltraining und das Standing der Fitness- und Gesundheitsbranche noch nicht stärker?
Roy Kühne: Wir müssen sicherlich die Begriffe sauber definieren. Was ist Training, wie sieht es aus, was passiert da genau? Generell muss aber leider gesagt werden, dass das muskuloskelettale Training im Mindset des Gesundheitssystems noch immer untergeordnet ist. Nachweislich ist ein regelmäßiges Training die beste Prävention gegen viele Gesellschaftserkrankungen – angefangen bei Osteoporose oder Diabetes. Um aber meinen Anfang aufzugreifen – „Training“ sollte aber qualitativ betreut werden. Auch beim Training mit Gewichten können Fehler auftreten, die sich dann eher negativ auf das Gesundheitssystem des Menschen auswirken.
BODYMEDIA: Was müsste bzw. kann unsere Branche nach dem, was die Verbände bereits unternehmen, Ihrer Ansicht nach noch tun, um ihr Standing in der Gesellschaft und Politik zu verbessern?
Roy Kühne: Weiter dicke Bretter bohren! Politik ist ein zähes Verfahren – das durfte ich jahrelang erleben. Wie oft habe ich Kollegen die Vorteile erklärt, auf wissenschaftliche Publikationen hingewiesen. Deshalb weiter am Ball bleiben. Es müssen aber vor allen Dingen konkrete Vorschläge kommen – mit entsprechenden Thesen hinterlegt. In Abstimmung mit den Krankenkassen kann dann an die Politik herangetreten werden und konkrete Vorgehen angegangen werden. Viele Krankenkassen sind dankbar für gute Modellvorschläge.
BODYMEDIA: Die Fitness- und Therapiebranche wächst immer stärker zusammen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung und welche Chancen sehen Sie darin?
Roy Kühne: Einigkeit macht stark! Ein alter, aber richtiger Satz. Niemandem ist geholfen, wenn mehrere Verbände auf die Politik zugehen und die – vielleicht sogar unterschiedlichsten – Vorschläge unterbreiten. Ich habe es in der Vergangenheit als Politiker immer geschätzt, wenn im Vorfeld die Vorschläge gemeinsam abgestimmt wurden. Nur so geht es übrigens.
BODYMEDIA: Vermissen Sie die Politik und zieht es Sie gfs. dort hin zurück?
Roy Kühne: In Deutschland kommt man um Politik nicht herum. Sie beeinflusst und begegnet einem täglich. Ich vermisse manchmal das „Mittun“, möchte „mitreden“, Vorschläge machen – diese auch streitbar diskutieren. Aber nein, ich werde nicht wieder kandidieren. Ich führe nach wie vor Gespräche in Berlin, diskutiere mit Wirtschaft und Politik und fühle mich in der Rolle des Vermittlers wohler, da ich nicht an parteiliche Rahmen und Grenzen gebunden bin.
BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.
Bildquelle Header: © Roy Kühne