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Roy Kühne im Interview über die Stärken und Schwächen unseres Gesundheitssystems

Bildquelle: © Roy Kühne

Roy Kühne ist Physiotherapeut und leitet ein Gesundheitszentrum in Northeim. Von 2013 bis 2021 war er Bundestagsabgeordneter der CDU. Nach wie vor ist er bestens vernetzt in der Gesundheitspolitik. Wo er die Stärken und Schwächen des Gesundheitssystems sieht, darüber haben wir mit ihm im Interview gesprochen.

BODYMEDIA: Herr Kühne, das Gesundheits­bewusstsein in den Menschen wird – nicht nur COVID-bedingt – konti­nuierlich und unaufhaltsam stärker. Das Gesundheits­system hält den Anforder­ungen kaum mehr stand. Wie sieht Ihre Ein­schätzung bzgl. des Gesundheits­systems aus?

Roy Kühne: Wir haben nach wie vor generell ein gutes System – viele Menschen kommen nach Deutschland (zurück), um sich hier operieren zu lassen– oder die Nachsorge durchzu­führen. Wir haben auch immens viel Geld im System. Es sind die Details, die nicht stimmen, u. a. Warte­zeiten beim Arzt, Personal­mangel, Effektivität, Bonus-Malus-System, Bürokratismus.

BODYMEDIA: Die positiven ­Effekte von Training, insbesondere des Muskel­trainings, sind mittler­weile unbe­stritten. Dennoch spielt Training in der Gesellschaft und vor allem in der Gesundheits­politik noch immer eine unter­geordnete Rolle. Warum glauben Sie, sind das Standing von Muskel­training und das Standing der Fitness- und Gesundheits­branche noch nicht stärker?

Roy Kühne: Wir müssen sicherlich die Begriffe sauber definieren. Was ist Training, wie sieht es aus, was passiert da genau? Generell muss aber leider gesagt werden, dass das muskuloskelettale Training im Mindset des Gesundheitssystems noch immer un­tergeordnet ist. Nachweislich ist ein regelmäßiges Training die beste Prävention gegen viele Gesellschafts­erkrankungen – angefangen bei Osteoporose oder Diabetes. Um aber meinen Anfang aufzugreifen – „Training“ sollte aber qualitativ betreut werden. Auch beim Training mit Gewichten können Fehler auftreten, die sich dann eher negativ auf das Gesundheits­system des Menschen auswirken.

BODYMEDIA: Was müsste bzw. kann unsere Branche nach dem, was die Verbände bereits unternehmen, Ihrer Ansicht nach noch tun, um ihr Standing in der Gesell­schaft und Politik zu verbessern?

Roy Kühne: Weiter dicke Bretter bohren! Politik ist ein zähes Ver­fahren – das durfte ich jahre­lang erleben. Wie oft habe ich Kollegen die Vor­teile erklärt, auf wissen­schaftliche Publi­katio­nen hingewiesen. Deshalb ­weiter am Ball bleiben. Es müssen aber vor allen Dingen konkrete Vor­schläge kommen – mit entsprechenden Thesen hinterlegt. In Ab­stimmung mit den Krankenkassen kann dann an die Politik heran­getreten werden und konkrete Vor­gehen angegangen werden. Viele Kranken­kassen sind dankbar für gute Modell­vorschläge.

BODYMEDIA: Die Fitness- und Therapie­branche wächst immer stärker zusammen. Wie be­urteilen Sie diese Ent­wicklung und welche Chancen sehen Sie darin?

Roy Kühne: Einigkeit macht stark! Ein alter, aber richtiger Satz. Niemandem ist ge­holfen, wenn mehrere Verbände auf die Politik zugehen und die – vielleicht sogar unter­schiedlichsten – Vorschläge unter­breiten. Ich habe es in der Ver­gangenheit als Politiker immer geschätzt, wenn im Vor­feld die Vor­schläge gemeinsam abgestimmt wurden. Nur so geht es übrigens.

BODYMEDIA: Vermissen Sie die Politik und zieht es Sie gfs. dort hin zurück?

Roy Kühne: In Deutschland kommt man um Politik nicht herum. Sie beeinflusst und begegnet einem täglich. Ich vermisse manchmal das „Mittun“, möchte „mitreden“, Vorschläge machen – diese auch streitbar dis­kutieren. Aber nein, ich werde nicht wieder kandidieren. Ich führe nach wie vor Gespräche in Berlin, diskutiere mit Wirtschaft und Politik und fühle mich in der Rolle des Ver­mittlers wohler, da ich nicht an parteiliche Rahmen und Grenzen gebunden bin.

BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.

Bildquelle Header: © Roy Kühne

Der Autor

  • Constantin Wilser

    Constantin Wilser ist seit 2006 in der Fitnessbranche als Redakteur tätig. Davor absolvierte er sein Bachelor-Studium der Sportwissenschaften am KIT in Karlsruhe. Seit 2019 ist er Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktionsteams. Seit Anfang 2023 ist er Chefredakteur. In seiner Freizeit trainiert der Fußball-Fan gerne im Studio, geht laufen oder fiebert im Fußball-Stadion mit.

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