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Eine Analyse des Boutique-Studiomarktes

Viele Fitnesstrends kommen bekanntermaßen aus den USA. Das starke Wachstum der Boutique-Studios in Deutschland ist zumindest teilweise auf das amerikanische Vorbild zurückzuführen. Nachfolgend wird der Boutique-Studiomarkt sowohl in den USA als auch in Deutschland analysiert, es wird auf die Besonderheiten einzelner Konzepte eingegangen und hervorgehoben, wie Betreiber mit Boutique-Konzepten erfolgreich sein können.

Auch wenn es keine klare Definition gibt, werden üblicherweise Anlagen als Boutique-Studio bezeichnet, die nicht größer als 500 Quadratmeter sind und einen Fokus auf ein bis zwei Kernangebote richten. Das heißt, dass sich Boutique-Clubs, im Gegensatz zu den meisten klassischen Fitnessstudios, die Kraft, Cardio, Kurse, Wellness und Ernährung anbieten, ein dienstleistungsintensives Angebot wie beispielsweise 
HIIT-Training, Cycling oder Boxing herauspicken.

Der Boutique-Studiomarkt in den USA
Ca. 42 % der Mitglieder in den USA nutzen Boutique-Studios (IHRSA, Profile of Success 2019). Interessant dabei ist, dass davon etwa 50 % auch Mitglied in einem klassischen Fitness-Club sind. Über 60 % der Neu-Mitglieder in den USA entscheiden sich für einen Discounter bzw. Boutique-Studios (PiperJaffray 2018). Am beliebtesten sind dabei HIIT-Konzepte. Aber auch die Themen Yoga, Barre und Pilates erfreuen sich großer Beliebtheit. Dementsprechend zählen Orangetheory Fitness, Core Power Yoga, Pure Barre und Club Pilates zu den Marktführern des US-Marktes. Absoluter Spitzenreiter im Boutique-Segment ist Anytime Fitness. Bereits 2016 gab es in den USA mehr als 3.000 Standorte. Snap Fitness, quasi eine Kopie von Anytime Fitness, zählt immerhin 2.000 Standorte. Bei beiden Anbietern sind die Selbstbedienung-Gyms zwischen 300 und 500 Quadratmeter groß. Von signifikanter Größe sind auch Orangetheory Fitness, hier wurden im Jahr 2017 bereits mehr als 800 Clubs gezählt und Pure Barre mit mehr als 500 Anlagen. Die auch in Deutschland bekannten SoulCycle-Studios mit ca. 100 Clubs und Barry’s Boot Camp mit etwa 50 Studios sind dagegen vergleichsweise klein. Curves, der quasi als der „Urvater“ der Mrs. Sporty Studios bezeichnet werden kann, war einst in den USA mit mehr als 1.000 Clubs die mit Abstand größte Boutique-Studiokette, ist aber zwischenzeitlich stark geschrumpft. Aus Sicht des Autors ist dies auf ein zu schnelles und starkes Wachstum zurückzuführen und dass es versäumt wurde, das Konzept an aktuelle Trainings- und Ernährungstrends anzupassen. Die Standorte und deren Ausstattung waren ebenfalls nicht mehr zeitgemäß.

Fast alle Boutique-Studios in den USA sind Franchisesysteme. Das liegt am Volumen und der starken Abhängigkeit vom jeweiligen Club Manager. Die Investitionskosten sind vergleichsweise gering, die personelle Abhängigkeit ist entsprechend größer. Das heißt, ein im Risiko stehender Franchisenehmer erreicht ein höheres Motivationslevel.
 


Der Premiumanbieter David Lloyd Leisure hat auf den Boutique-Studio-Trend reagiert und ein eigenes Inhouse-HIIT-Boutique-Konzept namens BLAZE entwickelt


Der deutsche Boutique-Studiomarkt 
In Anlehnung an das Curves-Konzept aus den USA wurde 2005 Mrs. Sporty gegründet. Das Angebot der ca. 100–200 Quadratmeter großen Frauenstudios konzentriert sich auf Zirkeltraining und stellt das Trainingsziel Abnehmen in den Fokus. Mit der Beteiligung der Tennislegende Steffi Graf wurde damals eine für Fitness-Clubs neue Zielgruppe angesprochen, nämlich Frauen, die keine Sportfreaks sind und die sich in einem Kleingruppentraining unter Gleichgesinnten wohlfühlen. Ein weiterer Vorreiter des deutschen Boutique-Studiomarktes ist Bodystreet. Mit dem systematischen Einsatz des EMS-Trainings war das Unternehmen, zu dem heute mehr als 300 Standorte zählen, weltweiter Innovator dieser Trainingsform und hat damit einen Markttrend insbesondere in Deutschland und dem angrenzenden Ausland kreiert. Kernzielgruppe von Bodystreet sind Menschen, die ihre Trainingsergebnisse in kurzer Zeit erreichen möchten. Das heißt, sowohl Mrs. Sporty als auch Bodystreet sprechen Zielgruppen an, die bis dato wenig fitnessstudio-affin waren, bzw. Personen, für die eine Mitgliedschaft in einem klassischen Fitness-Club nicht infrage kommt.

Die bestehenden Marktführer im Boutique-Studiosegment Mrs. Sporty und Bodystreet haben mit Zirkeltraining und EMS-Training zum damaligen Zeitpunkt neue Trainingsformen auf den Markt gebracht und mit dem Abonnement ein für ihr Angebot klassisches Preismodell gewählt. Während die Frauenstudiokette sich mit einem durchschnittlichen Monatsbeitrag von 50 Euro im mittleren Preissegment positioniert, ist der EMS-Anbieter mit einem Monatsbeitrag, der zwischen 80 und 100 Euro liegt, im Premiumbereich angesiedelt und setzt dabei auf die beiden Punkte Zeiteffizienz und Personal Training. Die amerikanischen Boutique-Studio-
konzepte Orangetheory Fitness, Barry’s Bootcamp und SoulCycle basieren auf einem anderen Preismodell. Hier bezahlen die Trainierenden pro Besuch des Studios oder weit teurere monatliche Mitgliedsbeiträge. Es ist noch nicht erwiesen, ob das so auch in Deutschland flächendeckend funktioniert. Wahrscheinlich wird hier die Zusammenarbeit mit Aggregatoren notwendig bzw. hilfreich sein.   

Wie hoch ist das Gesamtinvest für Existenzgründer?
Für Neugründer empfiehlt ich in jedem Fall der Anschluss an ein bewährtes Franchisesystem. Auch wenn das auf den ersten Blick etwas langweilig erscheint, ist gerade der Start in die Selbstständigkeit aufregend genug, um nicht mit einem bewährten Konzept anzufangen. Möglich wäre auch eine sogenannte MeToo-Strategie, das heißt die Kopie eines bewährten Konzeptes. So haben zum Beispiel Urban Heroes in Hamburg oder Classy in Frankfurt a. M. deutliche Anleihen bei Orangetheory Fitness bzw. Barry’s Bootcamp genommen. Eines der zahlreichen EMS-Franchisesysteme und Mrs. Sporty sind sicherlich die vergleichsweise günstigste Form, um sich am Fitnessmarkt selbstständig zu machen. Wenn der Vermieter der jeweiligen Immobilie die Ausbauleistung finanziell unterstützt, ist ein Investitionsvolumen von kaum mehr als 50.000–100.000 Euro erforderlich. Bei kleinerem Budget sind personallose Konzepte, für die ein Gesamtinvest von ca. 100.000 Euro ausreichend ist, eine Alternative.

HIIT-Konzepte mit entsprechender Technologie oder Studios mit hochwertiger Geräteausstattung erfordern bereits eine Gesamtinvestitionssumme, die eher bei um die 200.000 bis 300.000 Euro liegt. In diesem Investitionsbereich liegen auch, vermieterseitige Leistungen vorausgesetzt, HIIT-Konzepte wie beispielsweise Orangetheory Fitness und Barry’s Bootcamp. Bei größeren Boutique-Club-Konzepten wie Anytime Fitness, aber auch PRIME TIME fitness sind Gesamtinvestitionen von eher 500.000 Euro notwendig. Wie das finanziert werden kann, hängt von der Kredibilität des jeweiligen Existenzgründers ab. Einen entsprechenden „Track Record“ vorausgesetzt, kann ein erfahrenerer Betreiber mit Vermieter und Leasing weitgehend fremdfinanzieren. Ein weiterer Weg kann sein, mit einem von der Investitionssumme her günstigeren Konzept wie EMS oder Mrs. Sporty zu starten und dann ein weiteres Studio mit anderem Konzept und höherem Investitionsvolumen zu eröffnen. Denn natürlich gibt es auch bei Mrs. Sporty und Bodystreet Multi-Franchisenehmer, das heißt Franchisenehmer, die ihrerseits wiederum mehrere Filialen betreiben. Geht man davon aus, dass ein Franchisenehmer dieser Konzepte durchschnittlich zwischen 10.000 und 20.000 Euro pro Monat umsetzt, müssen alle Filialen erfolgreich sein, denn es bleibt nicht viel finanzieller Spielraum, um schlechter laufende Standorte auszugleichen. Fitnessketten leben vom sogenannten „Operating Leverage“. Der Leverage-Effekt ist ein Begriff aus der Finanzanalyse. Es geht um das Verhältnis von Fremdkapitalzins (FkZ) und Gesamtkapitalrendite (GkR). Ist die GkR deutlich höher als der FkZ, finanzieren Unternehmen Ihr Wachstum durch Fremdkapital, um die Eigenkapitalrendite zu optimieren ohne jedoch den Verschuldungsgrad und das damit verbundene Risiko zu stark anwachsen zu lassen. Der „operating Leverage“ bedeutet, dass bei im Fitnessbereich üblicher fixer Kostenstruktur und damit abnehmender Grenzkosten, durch gutes Marketing und effizienten Betrieb mehrere zehntausend Euro Cash-Flow pro Club generiert werden. Das ist bei Boutique-Clubs schwieriger. Konzepte wie Anytime Fitness, Elbgym oder PRIME TIME fitness erfordern höhere Investitionen aber können damit höhere Cash-Flows pro Standort erzielen und somit „von innen heraus“ wachsen.
 


Bodystreet, mit mittlerweile über 300 Studios, ist ein Vorreiter des deutschen Boutique-Studiomarktes
 

Wie reagieren Premiumanbieter auf den Boutique-Studio-Trend?
Die Premiumfitnesskette EQUINOX aus den USA hat vor einigen Jahren das Boutique-Konzept SoulCycle und alle Filialen gekauft. Die LifeFit Group, zu der unter anderem Fitness First gehört, hat die Lizenz von Barry’s Bootcamp erworben und verfolgt damit in Deutschland Expansionspläne. Beide zielen darauf ab, diese Boutique-Fitnessmarken separat vom Stammgeschäft zu betreiben, sozusagen ohne Marketingsynergien. Einen anderen Weg verfolgt David Lloyd Leisure, die nach der Akquisition und dem Rebranding des ehemaligen Health City Studios in Bad Homburg nun auch die acht Clubs von Meridian Spa in Hamburg, Kiel, Spandau und Frankfurt erworben haben. Das Unternehmen aus UK hat ein eigenes Inhouse-HIIT-Boutique-Konzept namens BLAZE entwickelt. Dies zeigt, dass die Integration von Boutique-Konzepten in bestehende Clubs möglich ist. Aber auch bestehende regionale Fitness-Clubs oder Club-Ketten können Ihr Angebot durch Boutique-Konzepte erweitern oder durch Stand-Alone-Varianten ergänzen.

 

Quellen
Header: EQUINOX SoulCycle
Bild 2: David Lloyd
Bild 3: Kzenon - stock.abobe.com

Der Autor

  • Henrik Gockel

    Henrik Gockel ist Branchenexperte, Inhaber der Boutique-Studiokette PRIME TIME fitness und Dozent der DHfPG/BSA-Akademie. Zudem ist er als Referent tätig. Beim FIBO CONGRESS beispielsweise spricht er über Chancen und Risiken von und durch den Boutique-Trend.

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