Das Wichtigste in Kürze:
- Die Ausbildung zum sektoralen Heilpraktiker Physiotherapie ist kurz und kostet zwischen 500 und 800 €.
- Sektorale Heilpraktiker können Privatpatienten ohne ärztliche Verordnung behandeln, müssen aber ihre Diagnosen und Behandlungen gut dokumentieren.
- Eine Berufshaftpflichtversicherung ist essenziell, da sektorale Heilpraktiker selbst für Fehldiagnosen verantwortlich sind.
- Ganzheitliche Heilpraktiker haben ein breiteres Behandlungsspektrum, aber die Ausbildung ist aufwendiger und die Prüfung anspruchsvoll.
- Alleine in Deutschland gab es 2017 etwa 47.000 ganzheitliche Heilpraktiker, sektorale Heilpraktiker Physiotherapie gab es bis zu diesem Zeitpunkt „nur“ etwa 2.000. Seitdem dürften sich die Zahlen, insbesondere bei den sektoralen Heilpraktikern, positiv entwickelt haben, denn sie bieten Physiotherapeuten einige Vorteile bei recht geringen Einstiegshürden.
Kurze Ausbildungszeit für den sektoralen Heilpraktiker
Die Voraussetzungen zur Erlangung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis sind überschaubar. Die Person muss mindestens 25 Jahre alt sein und eine Berufstätigkeit im Bereich der Physiotherapie von vier Jahren nachweisen können (durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 30 Stunden). Zudem braucht sie eine weiße Weste, die durch ein polizeiliches Führungszeugnis nachzuweisen ist, und ein ärztliches Attest über die gesundheitliche Eignung als sektoraler Heilpraktiker.
Da der Physiotherapeut schon eine umfassende Ausbildung genossen hat und als sektoraler Heilpraktiker „nur“ bewährte physiotherapeutische Verfahren einsetzen darf, ist die Ausbildung deutlich kürzer als beim kompletten Heilpraktiker. Es gibt unterschiedliche Modelle, die je nach Ausbildungsschule variieren. Ein beliebtes Modell ist das Absolvieren der Ausbildung an zwei Intensiv-Wochenenden. Aber einige Anbieter verteilen die nötigen Stunden auch über mehrere Tage. Je nach Ausbildungsinstitut variieren auch die Kosten. Grob pendeln sich diese zwischen 500 und 800 € ein.
Mit der bestandenen Prüfung kann der Physiotherapeut Patienten auch ohne ärztliche Weisung behandeln. Dadurch wird er autonomer vom Arzt und kann die Behandlung gleichzeitig besser auf die Bedürfnisse des Patienten abstimmen. So fallen evtl. Rückfragen beim Arzt weg bzw. muss sich nicht an der Indikation und Therapie des Arztes orientiert werden, wenn der Therapeut einen abweichenden Befund feststellt. Das ist auch erst einmal die größte Veränderung durch die absolvierte Zusatzausbildung. Denn auch als sektoraler Heilpraktiker darf man nur Behandlungen anwenden, die man entsprechend seiner physiotherapeutischen Ausbildung und eventuell erworbenen Zusatzqualifikationen ausüben darf. Der Direktzugang ohne Arzt gilt nur für Privatversicherte. Hier entscheidet der sektorale Heilpraktiker dann aber über Behandlung, Häufigkeit und Frequenz.
Etwas mehr Bürokratieaufwand
Als sektoraler Heilpraktiker braucht man keinen eigenen Behandlungsvertrag auszuarbeiten. Man kann einfach auf den zurückgreifen, der in der Physiopraxis benutzt wird. Im Gegensatz zur „üblichen“ Physiotherapie ist vor der Behandlung allerdings noch nicht klar, wie behandelt wird. Daher weiß der Privatpatient nicht, welche Kosten für die Behandlung tatsächlich entstehen und wie viel er davon selbst tragen muss. Eine Lösung dafür kann sein, zuerst eine Honorarvereinbarung für die Untersuchung abzuschließen und in einer weiteren Vereinbarung dann alle weiteren Kosten festzulegen.
Aber nicht nur beim Entgelt wird es etwas aufwendiger als bisher. Auch die Eingangsuntersuchung durch den sektoralen Heilpraktiker ist etwas aufwendiger und muss gut dokumentiert werden. Schließlich ersetzt sie die ärztliche Untersuchung. Die weiteren Termine unterscheiden sich hinsichtlich der Dokumentationspflicht nicht von der üblichen Physiotherapie.
Streng genommen muss der sektorale Heilpraktiker keine Verordnung ausfüllen, wenn er die Behandlung des Patienten übernimmt. Nur die Untersuchung und Behandlung sollten dokumentiert sein. Gibt der sektorale Heilpraktiker die Leistung an einen Heilmittelerbringer in derselben Praxis ab, braucht er ebenfalls keine Verordnung auszufüllen. Zusätzlich zur Untersuchungs- und Behandlungsdokumentation sollte vermerkt werden, an wen die Behandlung weitergegeben wurde. Sollte aber ein Therapeut aus einer anderen Praxis die Leistung erbringen, sollte eine Verordnung ausgestellt werden. Darin müssen das Beschwerdebild, die Therapiewahl sowie die Häufigkeit und Frequenz der Behandlung aufgeführt sein.
Sektorale Heilpraktiker brauchen eine gute Berufshaftpflicht
Sektorale Heilpraktiker gehen aber auch ein bestimmtes Risiko ein. Sie können entscheiden, ob ein Patient physiotherapeutisch behandelt werden soll. Sie haben also keinen Arzt als Sicherungsnetz, der das Risiko einer Fehldiagnose trägt. Es liegt also am sektoralen Heilpraktiker, Kontraindikationen zu erkennen oder festzustellen, wenn sein Kompetenzbereich ausgeschöpft ist.
Der VPT empfiehlt allen Physiotherapeuten, die als sektorale Heilpraktiker tätig sind, ihre Berufshaftpflichtversicherung aufzustocken. Praxen, die sektorale Heilpraktiker beschäftigen und für diese die Haftpflichtversicherung unterhalten, sollten das ebenfalls tun. Damit das auch funktioniert, sollte intensiv geprüft werden, ob die gewählte Versicherung auch für den sektoralen Heilpraktiker Physiotherapie gilt.
Ganzheitlicher Heilpraktiker darf deutlich mehr als der sektorale Heilpraktiker
Auch wenn der Name es suggeriert, stehen dem sektoralen Heilpraktiker Physiotherapie viele Möglichkeiten des Heilpraktikers nicht offen. Er muss sich auf die Physiotherapie beschränken und kann z. B. keine Behandlungen aus der Homöopathie, Akupunktur, Phytotherapie oder Chiropraktik verordnen oder anwenden. Dafür ist die Ausbildung zum ganzheitlichen Heilpraktiker deutlich umfangreicher und zeitintensiver.
Doch trotz der sehr intensiven Ausbildung sind auch ihnen Grenzen bei der Behandlung gesetzt. So dürfen sie bspw. keine verschreibungspflichtigen Medikamente und Betäubungsmittel verordnen, Zähne untersuchen oder behandeln und auch von der Geburtshilfe sind sie ausgeschlossen. Ein Blickwinkel, der die Arbeit als Heilpraktiker für viele interessant macht, ist der ganzheitliche Ansatz. Dem Heilpraktiker stehen deutlich mehr Möglichkeiten zur Verfügung, einen Patienten zu behandeln. Er kann zusätzlich naturheilkundliche Methoden einsetzen. Zudem entscheidet er, welche Behandlung er für die erfolgversprechendste hält.
Auch wenn der Name es suggeriert, stehen dem sektoralen Heilpraktiker Physiotherapie viele Möglichkeiten des ganzen Heilpraktikers nicht offen (Bildquelle: © photophonie – stock.adobe.com)
Bevor Heilpraktiker ihr Wissen dann für die Gesundheit ihrer Patienten einsetzen können, muss die, häufig als sehr anspruchsvoll beschriebene, Prüfung gemeistert werden. Die Prüfung wird vom Gesundheitsamt abgenommen und ist äußerst streng. Wie streng, zeigen die Durchfallquoten, die sich zwar von Bundesland zu Bundesland unterscheiden, aber durchschnittlich bei etwa 50 bis 80 % liegen. Es gibt gute Gründe, warum so streng bewertet wird. Einer davon sind sicherlich die geringen Einstiegshürden für die Profession. Diese sind identisch zu denen für den sektoralen Heilpraktiker und damit äußerst gering.
Je nach Vorkenntnissen oder Lebenssituation kann die Heilpraktiker-Ausbildung auf unterschiedlichen Wegen absolviert werden. In der Regel dauert sie 1 bis 3 Jahre und wird entweder als Voll- oder Teilzeit-Ausbildung absolviert. Anwärtern mit medizinischen Vorkenntnissen, also z. B. Hebammen oder Krankenschwestern, reichen unter Umständen auch Intensivkurse, um die Prüfung am Ende zu bestehen. Bis dahin können zwischen 1.800 und 3.000 Unterrichtsstunden vergangen sein. Im Vergleich zum sektoralen Heilpraktiker also ein deutlich höherer Aufwand.
Welcher Weg sollte gewählt werden?
Nun stellt sich die Frage, welchen Weg man gehen möchte. Reicht der sektorale Heilpraktiker Physiotherapie für die Arbeit in der Praxis aus oder geht man den Weg zum Voll-Heilpraktiker? Wie so oft im Leben kommt es darauf an. Wer sein Behandlungsspektrum um naturheilkundliche Behandlungsmethoden ergänzen möchte, kommt um den vollen Heilpraktiker sowieso nicht herum. Es gibt immer wieder Patienten, die für diesen Weg offen sind und Leistungen in diesem Bereich in Anspruch nehmen möchten.
Der Vorteil für die Physiopraxis, einen ganzheitlichen Heilpraktiker in den eigenen Reihen zu haben, ist es dann, die Geschichte des Patienten zu kennen und keine komplett neue Befundung machen zu müssen, bzw. zu wissen, worauf geachtet werden muss. Zudem besteht bereits ein Vertrauensverhältnis zum Patienten.
Für Physiopraxen, die einen Direktzugang zu ihren Privatpatienten möchten, um z. B. unabhängiger von den Ärzten zu sein, was ihre Behandlungen angeht, oder von den möglichen steuerlichen Vergünstigungen, reicht der sektorale Heilpraktiker vollkommen aus. Aber unabhängig vom Einsatzzweck können beide Formen des Heilpraktikers die Arbeit in der Praxis auf ihre Art unterstützen und ergänzen.
Bildquelle Header: © schwede-photodesign – stock.adobe.com