Seit Beginn dieses Jahres hat die DRV ihre Bewertungspraxis bei Betriebsprüfungen zur Statusfeststellung von Trainern in Fitnessstudios erheblich verschärft. So nimmt die DRV seitdem insoweit offenbar grundsätzlich eine abhängige Beschäftigung an. Damit ist das Risiko für Studios, im Rahmen von Betriebsprüfungen durch die DRV verpflichtet zu werden, für diese „Scheinselbstständigen“ Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen zu müssen, erheblich gestiegen.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA) führt zwischenzeitlich Fachgespräche mit dem Bundesarbeitsministerium, mit dem Ziel, die aktuelle Bewertungspraxis zu ändern. Oft werden daher von der DRV laufende Verfahren zumindest bis zum 15. Oktober 2024 ruhend gestellt und auch keine weiteren Betriebsprüfungen hierzu durchgeführt.
Um welche Risiken geht es?
Haftungsrisiko des Arbeitgebers wegen Sozialversicherungspflicht
Gem. § 28e SGB IV ist der Arbeitgeber Alleinschuldner des Gesamtsozialversicherungsbeitrages. Den Arbeitgeber trifft in der Regel die Pflicht zur Abgabe der Sozialversicherungsbeiträge für alle seine Beschäftigten. Weil abhängig Beschäftigte als sozial schutzwürdig eingestuft werden, unterliegen sie dem Schutz der Sozialversicherung und es besteht für sie eine entsprechende Beitragspflicht. Anders verhält es sich bei Selbstständigen, welche selbst für ihren Versicherungsschutz zu sorgen haben.
Eine gesetzliche Beitragspflicht besteht für sie grundsätzlich nicht. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff des Beschäftigten im Sinne der Sozialversicherung sich von dem des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht unterscheiden kann. Auch ein Selbstständiger kann unter Umständen sozialversicherungspflichtig sein. Scheinselbstständig in diesem Sinne meint, dass ein formell selbstständiger Trainer sozialversicherungsrechtlich als beitragspflichtiger Beschäftigter angesehen wird.
Rechtliche Einordnung der Scheinselbstständigkeit
Noch im vergangenen Jahr hatte das Landessozialgericht (LSG) Bayern mit Beschluss vom 18.02.2023 (Az.: L 7 BA 72/23 B ER) die Grundsätze der bestehenden Rechtsprechung angewandt und zulasten des klagenden Fitnessstudios entschieden. Zudem hat es einen sehr deutlich formulierten Leitsatz aufgestellt: In fremden Fitnessstudios tätige Fitnesstrainer sind regelmäßig abhängig beschäftigt.
Weil das Gericht die freien Mitarbeiter des Fitnessstudios, die Kurse, Trainingsflächenbetreuung und Rezeptionstätigkeiten ausgeübt und hierfür einen festen Stundensatz erhalten hatten, sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer eingestuft hat, musste das Fitnessstudio Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.
Ist die Tätigkeit eines selbstständigen bzw. freien Mitarbeiters unter Würdigung aller Umstände tatsächlich als abhängige Beschäftigung einzuordnen, besteht eine sogenannte Scheinselbstständigkeit und der freie Mitarbeiter ist sozialversicherungspflichtig. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Parteien gar kein Beschäftigungsverhältnis gewollt haben. Die Abgrenzung zwischen tatsächlicher Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit geht in der Fitnessbranche meist zugunsten einer Scheinselbstständigkeit aus.
Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Scheinselbstständigkeit sind schon in den letzten Jahren von der Rechtsprechung entwickelt worden und werden in dem Beschluss des LSG Bayern noch einmal bestätigt.
Die Rechtsprechung geht fast immer von abhängiger Beschäftigung aus. Aus den dargestellten Gründen begründet die Kooperation mit freien Mitarbeitern im Kursbereich erhebliche Risiken im Hinblick auf eine Scheinselbstständigkeit (Bildquelle: © luckybusiness – stock.adobe.com)
Beurteilungsmaßstab für Scheinselbstständigkeit
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (vgl. BSG vom 11.11. 2015, B 12 KR 13/14 R). Maßgeblich für eine Einordnung als scheinselbstständig ist demnach eine betriebliche Eingliederung der freien Mitarbeiter bei ausbleibendem unternehmerischen Risiko.
Demnach spricht für eine Beschäftigung – also für eine Scheinselbstständigkeit – zum Beispiel, wenn Arbeitsmittel seitens des Fitnessstudios zur Verfügung gestellt werden, ebenso wenn die Kurszeiten und der entsprechende Kursort durch das Studio vorgegeben werden. Ein entscheidendes Argument ist vor allem das Fehlen eines eigenständigen unternehmerischen Risikos des Trainers.
Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.
In dem oben genannten Beschluss des LSG Bayern hatte das Fitnessstudio zahlreiche, vermeintlich gute Gründe vorgetragen, weshalb es sich bei den freien Mitarbeitern um tatsächlich unabhängig Beschäftigte handele. So zum Beispiel, dass alle als Kursleiter und Trainer eingesetzten Mitarbeiter für eine Vielzahl von Auftraggebern im Bereich der Fitnessbranche und anderen Betriebsfeldern tätig und im Fitnessstudio allesamt nicht weisungsgebunden gewesen seien.
Die Arbeitszeitbestimmung habe nur im Rahmen der Vorgabe eines Kursplanes stattgefunden und die Kurstermine seien mit den Mitarbeitern abgestimmt und nicht einseitig vorgegeben worden. Die freien Mitarbeiter konnten Aufträge ablehnen, sie waren zur höchstpersönlichen Leistungserbringung, zur Anzeige von Verhinderung und zu Berichten nicht verpflichtet. Sie seien im Geschäftsverkehr als Selbstständige aufgetreten und hätten Werbung betrieben.
Sie hätten ein unternehmerisches Risiko getragen, ihre Aus- und Weiterbildung selbst finanziert. Es sei eine Zeitaufwandsvergütung für Trainings- und Kursleitung und eine Provisionsvergütung für die erfolgreiche Kundengewinnung vereinbart gewesen. Die Kursleiter seien frei in der Auswahl der Arbeitsmittel gewesen. All diese Argumente änderten allerdings nichts an der Einordnung des Gerichts der freien Mitarbeiter als scheinselbstständig.
Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG vom 29.08.2012, Az.: B 12 KR 25/10 R). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dies bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Überwiegen mithin die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung, kommt es nicht darauf an, dass die Parteien eine solche nicht gewollt haben.
Fazit
Die Rechtsprechung geht fast immer von abhängiger Beschäftigung aus. Aus den dargestellten Gründen begründet die Kooperation mit freien Mitarbeitern im Kursbereich erhebliche Risiken im Hinblick auf eine Scheinselbstständigkeit. Die Rechtsprechung, welche durch den Beschluss des LSG Bayern noch einmal bestätigt wurde, geht fast immer von einer abhängigen Beschäftigung freier Mitarbeiter in Fitnessstudios aus.
Folglich gilt: Eine Einordnung von freien Mitarbeitern als tatsächlich unabhängig und damit als nicht sozialversicherungspflichtig sollte nur nach Einholung eines qualifizierten rechtlichen Rates getroffen werden, um Nachzahlungen und Bußgelder zu vermeiden.
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