Physiotherapie

Was sich chronische Schmerzpatienten von ihren Physiotherapeuten wünschen

Bildquelle: © Frank Coop/peopleimages.com – stock.adobe.com

In einer systematischen Übersichtsarbeit mit dem Titel „How can we help you“ untersuchten Forscher 96 Studien, um die wahrgenommenen Bedürfnisse von Menschen mit chronischen Schmerzen im Hinblick auf physiotherapeutische Versorgung zu erfassen. Hier bieten wir einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse.

Was Menschen mit chronischen Schmerzen von ihren Physiotherapeuten erwarten:

  • Eine empathische, respektvolle und vertrauensvolle Beziehung zum Therapeuten
  • Individuell angepasste Behandlungsprogramme und Berücksichtigung persönlicher Lebensumstände
  • Klare Kommunikation, Aufklärung und regelmäßiges Feedback
  • Zugang zu verständlichen Informationen und Unterstützung beim Selbstmanagement
  • Besser koordinierte Versorgung und kontinuierliche Betreuung
  • Niedrigschwelliger Zugang zu Leistungen (z. B. zeitnah, kostengünstig, wohnortnah)
  • Angemessene Infrastruktur (z. B. barrierefreie Praxen, Telerehabilitation)

Weltweit sind etwa 20 % der Bevölkerung von chronischen Schmerzen betroffen. Definiert werden sie als Schmerzen, die länger als die übliche Heilungsdauer von Gewebe andauern, also ca. drei bis sechs Monate. Neben dem Schmerz selbst sind zahlreiche körperliche, psychische und soziale Faktoren mit dem Erleben chronischer Schmerzen verbunden, die sich negativ auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken.

Hohe Kosten durch chronische Schmerzpatienten

Zusätzlich zu dieser hohen individuellen Belastung der Patienten verursachen chronische Schmerzen auch erhebliche Kosten im Gesundheitswesen. Genaue Zahlen gibt es leider keine, aktuelle Schätzungen gehen von Kosten zwischen 20,5 und 28 Mrd. € aus. Die Deutsche Schmerzgesellschaft nennt sogar Kosten in Höhe von 38 Mrd. €. Der größte Teil der Kosten wird nicht von der reinen Behandlung erzeugt, sondern vielmehr durch Maßnahmen wie Krankengeld, Ausfallzeiten bei der Arbeit und den frühen Eintritt in die Rente.

Neben Medikamenten gehört Physiotherapie zu den häufigsten eingesetzten Mitteln zur Behandlung von chronischen Schmerzpatienten, da ihr Einsatz gute Erfolge erzielt, vor allem hinsichtlich Schmerzreduktion und einer Verbesserung der Lebensqualität. Dementsprechend haben Physiotherapeuten viel mit chronischen Schmerzpatienten zu tun. Aber was erwarten diese Patienten eigentlich von ihrem Therapeuten?

Zwischenmenschliche Beziehungen enorm wichtig

In den meisten Studien wurde die Bedeutung der Beziehung zwischen Therapeuten und Patienten betont. Letztere legen enormen Wert auf Respekt, Verständnis, Empathie, Ehrlichkeit und Kommunikationsfähigkeit. Auf diesen Werten basiert auch das Modell eines „guten Physiotherapeuten“, wie es von Kleiner et al.1 2023 beschrieben wurde. Mit diesen Fähigkeiten können Physiotherapeuten eine gesunde therapeutische Beziehung aufbauen.

Eine lächelnde Physiotherapeutin (dunkle, kurze Locken, dunkles Poloshirt) unterstützt und leitet eine Patientin (helle, mittellange Haare, graues T-Shirt, grüne Leggings) bei einer Kraftübung mit einem Medizinball. Die Patientin sitzt auf einer Behandlungsliege und hält den schwarzen Medizinball vor sich, während die Therapeutin sie von hinten an den Armen festhält und stützt. Im hellen Hintergrund ist ein großes Fenster mit Blick auf eine Stadt zu sehen.
Empathie und aktives Zuhören spielen eine enorm wichtige Rolle im Umgang mit chronischen Schmerzpatienten (Bildquelle: © Frank Coop/peopleimages.com – stock.adobe.com)

Dabei spielen Empathie und aktives Zuhören eine enorm wichtige Rolle, denn chronische Schmerzpatienten haben häufig das Gefühl, im sozialen und medizinischen Umfeld nicht verstanden oder stigmatisiert zu werden. Konkret wünschen sich Patienten, wie Menschen und nicht wie eine Diagnose behandelt zu werden, sie möchten motiviert werden und brauchen Hoffnung, dass sich etwas ändert, ohne dass ihnen ihre tatsächlichen Chancen auf Besserung verschleiert werden.

Das bietet dann wiederum die Grundlage dafür, dass der Patient mitentscheiden kann, wie die Therapie weitergeht. So können die Therapeuten die Therapieziele entsprechend anpassen.

Therapeuten sollen individuell mit den Patienten arbeiten

Neben den zwischenmenschlichen Fähigkeiten ist die fachliche Kompetenz einer der Hauptwünsche der Patienten. Diese ist nötig, um geeignete Übungen zu finden, die dem Patienten helfen und die zu seinen Möglichkeiten passen. Gleichzeitig muss die Ausführung kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass die Übung auch korrekt ausgeführt wird.

Dabei sollte es nicht bei reinen Übungen bleiben. Lifestyle-Modifikationen wie Stressreduktion, Veränderung der Schlafhygiene oder Ernährung können die Therapie unterstützen und sollten Teil der Therapie sein. Auch hier passend zugeschnitten auf die Bedürfnisse des Patienten.

Da Patienten mit chronischen Schmerzen nicht dauerhaft betreut werden können, müssen ihnen Werkzeuge für ein funktionierendes Selbstmanagement an die Hand gegeben werden. Dazu müssen die Aufklärung und auch mögliche Übungen oder Verhaltensweisen in verständlicher Sprache und angepasst an die Alltagsbedürfnisse des Patienten formuliert werden. Hier zeigt sich dann, wie wichtig sowohl die Kommunikationsfähigkeit des Therapeuten ist als auch sein Fachwissen.

Die Rahmenbedingungen müssen ebenfalls passen

Ebenfalls weit vorne auf der Wunschliste der Therapeuten steht die Organisation der Versorgung, also z. B. wie flexibel die Terminvergabe ist und ob eine kontinuierliche Betreuung gewährleistet werden kann. Obwohl diese Faktoren das Therapieerlebnis stark beeinflussen können, spielt es bei den ausgewerteten Studien nur eine untergeordnete Rolle. Die Forscher führen das darauf zurück, dass Patienten diese Aspekte weniger bewusst wahrnehmen oder nicht als beeinflussbar empfinden.

Trotzdem ist es wichtig, dass die Patienten einen Ort finden, den sie gut erreichen können, wo sie sich wohlfühlen und der keine zu hohen finanziellen Anforderungen an sie stellt. Eine Praxis, die gut vernetzt ist und gute Beziehungen zu anderen Experten wie Ärzten pflegt, bietet den Patienten den Vorteil, dass sich die Therapeuten auf dem kleinen Dienstweg fachlich rückversichern können.

Fazit

Die Bedürfnisse von Patienten mit chronischen Schmerzen sind vielfältig und betreffen sowohl zwischenmenschliche als auch strukturelle und organisatorische Aspekte. Therapeuten sollten also sowohl hoch qualifiziert sein als auch gute zwischenmenschliche Fähigkeiten besitzen. Zudem sollten die Rahmenbedingungen so strukturiert sein, dass sie keine Hindernisse für den Patienten bergen.

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Textquelle 1: Kleiner MJ, Kinsella EA, Miciak M, Teachman G, McCabe E, Walton DM. An integrative review of the qualities of a ‘good’physiotherapist. Physiother Theory Pract. 2023;39(1):89–116.
Textquelle 2: Brissette, D., Laliberté, D., Hudon, A., & Deslauriers, S. (2024). “How can we help you?”: Results of a scoping review on the perceived needs of people living with chronic pain regarding physiotherapy. BMC Health Textquelle 3: Services Research, 24, Article 457. doi.org/10.1186/s12913-024-11805-3, abgerufen am 09.07.2025.

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Er war von 2015 bis 2023 Chefredakteur der BODYMEDIA Fachmagazine. 2017 etablierte er mit der BODYMEDIA Physio ein Business-Magazin im Physio-Bereich. Nach einer etwa einjährigen Pause als Leiter eines therapeutischen Fitnessstudios kehrte er 2024 als Stellver. Chefredakteur zur BODYMEDIA zurück. 

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