Der Gedanke bei der Einführung der geriatrischen Reha war, dass Menschen, die ihren Alltag zu Hause immer schlechter alleine bewältigen können, eine Möglichkeit bekommen, sich wieder fitter für den Alltag zu machen, um so eine drohende Pflegebedürftigkeit hinauszuzögern. Die Realität sieht mittlerweile allerdings komplett anders aus. Meistens kommen die Patienten nach einem Event wie z. B. einem Sturz direkt aus dem Krankenhaus in die Reha. Der eigentliche Sinn des Angebots wird also verfehlt.
Rechtzeitig auf geriatrische Reha hinweisen
Da die meisten Patienten nicht wissen, dass sie selbst im hohen Alter noch eine Reha genehmigt bekommen können, werden sie nicht von sich aus zum Arzt gehen und diesen darauf ansprechen. Außerdem bemerken die meisten Patienten zwar, dass sie älter werden und alles etwas schlechter geht, aber da dieser Prozess mehr oder weniger schleichend ist, wird er von vielen für den natürlichen Alterungsprozess gehalten. Aber es geht ja genau darum, diesen zu verlangsamen und die Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich hinauszuzögern.
Hier kann neben dem Arzt auch der Physiotherapeut ein wichtiger Berater sein. Als Physiotherapeut hat man möglicherweise einen engeren Draht zum Patienten als der Hausarzt, kennt aber die Krankheitsgeschichte mindestens genauso gut. Wenn ein Patient also öfter von Schwindel berichtet, von Sturzangst oder sogar Stürzen ohne Verletzung spricht, ist das eine passende Gelegenheit, ihn auf die Möglichkeit einer geriatrischen Reha hinzuweisen. Natürlich sollten die Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Hausarzt eine Empfehlung aussprechen kann.
Mehr dazu: Geriatrische Reha: Aktueller Stand und Ausblick in die Zukunft
Der Physiotherapeut hat zudem die Möglichkeit, mit dem Patienten über das soziale Umfeld zu sprechen und vorher abzuklären, ob es dem Patienten überhaupt möglich ist, sich von allen Aufgaben dort zu lösen, und ob der Partner oder Angehörige bereit wären, den Patienten in die Reha zu begleiten.
Für den Patienten sprechen
Ein weiterer Grund, warum die bereits beantragten Rehamaßnahmen nicht angetreten werden, sind private Verpflichtungen, die es den Patienten schwer machen, drei Wochen von zu Hause fortzugehen. Sei es nun der pflegebedürftige Partner oder die Haustiere, für die sich keine passende Vertretung findet. Aus einer moralischen Perspektive gibt es für die Patienten hier sicherlich keine andere Möglichkeit, als den Antritt der Reha abzusagen. Und das tun dann auch 50–60 % der Patienten.
Das allerdings eröffnet eine neue Diskussion, in der der Physiotherapeut durchaus als Vermittler und Berater auftreten darf und zum Wohle des Patienten vielleicht sogar sollte. Nehmen wir den Fall an, dass der Partner eines Patienten schon länger ein Pflegefall ist und vor allem im eigenen Heim gepflegt wird. Für den Patienten, der sich tagein und tagaus für seinen Partner einsetzt, ist es nahezu undenkbar, diesen zu verlassen und drei Wochen eine Rehamaßnahme durchzuführen, und damit etwas für sich zu tun.
Physiotherapeuten können ein wichtiger Berater bei der Entscheidung für eine geriatrische Reha sein (Bildquelle: © peopleimages.com – stock.adobe.com)
Der Patient vernachlässigt seine Selbstfürsorge aufgrund äußerer Zwänge und bemerkt nicht, wie viel Kraft die Situation ihm raubt. Je nach Fitnesszustand kann es dann irgendwann zu viel werden und der Körper fordert seine Pause. Ob der Patient nun will oder nicht. Neben dem Arzt kann hier der Physiotherapeut die angesprochene Vermittlerrolle zur Selbstfürsorge einnehmen und dem Patienten die Vorteile der geriatrischen Reha aufzeigen. Möglicherweise kann er sogar Tipps geben, wie mit den Verpflichtungen zu Hause umgegangen werden kann.
Bei der großen Menge an Patienten, die Physiotherapeuten sehen, waren sicherlich schon einmal Menschen dabei, die in einer ähnlichen Situation steckten. Möglicherweise kann eine ambulante Reha helfen, die Bedürfnisse des Patienten mit seinen äußeren Zwängen zu vereinbaren.
An einem weiteren wichtigen Grund für die Nichtteilnahme an der geriatrischen Reha können Physiotherapeuten leider nichts ändern: den verfügbaren Plätzen. Nach wie vor gibt es zu viele Patienten für zu wenige Reha-Plätze. Auch hier könnte der Ausbau der ambulanten Reha oder sogar der mobilen Reha Abhilfe schaffen. Bedauerlicherweise wird diese nur sehr zögerlich ausgebaut.
Fazit
Es ist nicht die Aufgabe von Physiotherapeuten, Menschen eine geriatrische Reha zu empfehlen. Eigentlich. Ohne aktive Mithilfe von Ärzten und Physiotherapeuten wird dieses Angebot allerdings weiterhin vor allem Menschen zugutekommen, für die es eigentlich nicht eingerichtet wurde. Streng genommen ist eine geriatrische Reha eine präventive Maßnahme für Menschen im fortgeschrittenen Alter, die spüren, dass sie den Alltag nicht mehr so gut bewältigen können. In den meisten Fällen wird es derzeit stärker als Nachsorgemaßnahme für gebrechliche Patienten nach einer Verletzung eingesetzt. Und viele Physiotherapiepatienten würden von der geriatrischen Reha profitieren – daher dürfen Physiotherapeuten diese Maßnahme gerne weiterempfehlen.
Bildquelle Header: © peopleimages.com – stock.adobe.com