„Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Physiotherapie und Ergotherapie?“ Eine Frage, die viele Therapeuten schon einmal gestellt bekommen haben. Und das nicht ganz zu Unrecht, denn es gibt durchaus einige Überschneidungen in der Therapie – besonders bei Patienten mit körperlichen Beschwerden.
Die Unterschiede beider Professionen liegen vor allem in der Zielsetzung der Therapie. Mithilfe der ergotherapeutischen Behandlung soll dem Patienten die größtmögliche Selbstständigkeit im Alltag ermöglicht werden. Es geht in der Ergotherapie also vor allem um die Erweiterung der Handlungsfähigkeit eines Patienten.
Anders als die Physiotherapie beschränken sich die Therapeuten in der Ergotherapie aber nicht auf körperliche Beschwerden, sondern behandeln auch psychische, wahrnehmungszentrierte und kognitive Probleme. Zwar wenden Ergotherapeuten, wie Therapeuten in der Physiotherapie, auch manuelle Techniken bei Patienten mit körperlichen Beschwerden an, der Hauptfokus liegt allerdings auf der Alltagshandlungsfähigkeit.
Dazu gehören dann auch Trainings von Tätigkeiten des täglichen Lebens. In der Physiotherapie stehen mehr die Verbesserung der motorischen Grundeigenschaften und das Lindern von Schmerzen im Mittelpunkt. Bei erfolgreicher Therapie und optimalerweise parallel durchgeführtem Training können die Physio-Patienten durchaus auch ihre Selbstständigkeit im Alltag verbessern. Dies ist jedoch nicht das Hauptziel der Physiotherapie.
Räumliche Anforderungen für eine Ergotherapiepraxis
Sowohl die Überschneidungen als auch die Unterschiede machen beide Professionen zur optimalen Ergänzung in der therapeutischen Arbeit. Für Praxisinhaber, die mit dem Gedanken spielen, eine Ergotherapie in ihre bestehende Physiopraxis zu integrieren und die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen können, sollte das also kein großes Problem sein.
Ähnlich wie in der Logopädie sind die Anforderungen an die Räumlichkeiten relativ überschaubar. Eine Therapiefläche von mindestens 20 m2 ist Pflicht. Wenn sich diese auf mehr Räume verteilen, muss mindestens einer 12 m2 groß sein. Für jeden Therapeuten muss ein Raum vorhanden sein, es sei denn, ihre Arbeitszeiten überschneiden sich nicht. Sollten es jedoch zwei therapierende Praxisinhaber geben, müssen mindestens zwei Räume à 12 m2 bereitgestellt werden. Wer reine Hausbesuchstherapeuten beschäftigt, muss für diese keinen eigenen Raum bereitstellen.
Die Pflichtausstattung in der Ergotherapie ist recht umfangreich, aber trotzdem problemlos in eine bestehende Praxis integrierbar (Bildquelle: © Svitlana – stock.adobe.com)
An sich überschneiden sich die Anforderungen an die Räume mit den Anforderungen aus der Physiotherapie und Logopädie. Die Räume dürfen keine Durchgangszimmer sein, müssen beheizt, beleuchtet und be- und entlüftbar sein. Eine Mindestdeckenhöhe von 2,40 m darf nicht unterschritten werden. Dabei dürfen die Räume nicht einsehbar sein, brauchen feste Wände und müssen über eine Tür zugänglich sein. Die Anmeldung, der Wartebereich sowie die Sanitäranlagen dürfen bei interdisziplinären Praxen gemeinsam genutzt werden. Wer GKV-Patienten behandelt, muss seine Praxis an mindestens drei Tagen pro Woche für mindestens 25 Stunden für diese öffnen.
Viel spannender ist die Ausstattung einer ergotherapeutischen Praxis. Denn hier gibt es, logischerweise, einige Unterschiede zum Equipment in der Physiotherapie bzw. der Logopädie. Neben einer Therapiematte oder -liege, einem adaptierbaren Arbeitstisch sowie einem adaptierbaren Arbeitsstuhl braucht es einen Tisch für Handwerk, einen Spiegel, therapeutisches Material für alle Altersstufen, Material für Aktivitäten des täglichen Lebens oder zumindest zur Herstellung von Alltagshilfen, Therapiematerial für Wahrnehmungstraining sowie Werkzeug bzw. Materialien für verschiedene Handwerkstechniken und psychomotorisches und graphomotorisches Übungsmaterial.
Alles andere Material wie z. B. Computerausstattung, Schienenmaterial oder Geräte zur Durchführung von Screeningverfahren sind optional. Hinzu kommen jede Menge bürokratische Anforderungen, wie z. B. die Bestätigung der ARGE IK und eine Betriebshaftpflichtversicherung.
Starker Fachkräfteengpass in der Ergotherapie
Die Bundesagentur für Arbeit bewertet den Beruf des Ergotherapeuten in ihrer Engpassanalyse mit 2,7 von 3 Punkten, womit die Ergotherapie zu den Berufen mit dem größten Fachkräfteengpass zählt. Die durchschnittliche Vakanzzeit für eine Ergotherapie-Stelle beträgt 106 Tage. Etwas kürzer als in der Logopädie und Physiotherapie, aber immer noch recht lange.
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Die unternehmerische Entscheidung wird also weniger von den räumlichen Anforderungen oder den Patientenanfragen abhängen als vielmehr von der Frage, wie gut die Recruiting-Strukturen ausgebaut sind. Wem es leicht fällt, Physio-Mitarbeiter zu finden, wird sehr wahrscheinlich wenig Schwierigkeiten haben, geeignete Ergotherapeuten einzustellen. Aber jedem Praxisinhaber muss bewusst sein, dass die Mitarbeiterfrage der Knackpunkt bei der Integration einer Ergotherapie ist.
Fazit
Aus Patientensicht gibt es kaum etwas Sinnvolleres, als möglichst viele Heilmittelerbringer unter einem Dach zu vereinen. Durch die Überschneidungen der Physiotherapie mit der Ergotherapie liegt es sehr nahe, zumindest diese beiden in einer Praxis zu kombinieren. Während die räumlichen und bürokratischen Voraussetzungen leicht zu schaffen sind, hängt wie derzeit vieles in der Heilmittelbranche von der Fähigkeit ab, neue Mitarbeiter für die eigene Praxis zu gewinnen. Wer diesen Engpass überwindet, kann seinen Patienten eine umfassendere Behandlung bieten.
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