Physiotherapie

Betriebliche Altersvorsorge in der Physiotherapie: So funktioniert die pauschaldotierte Unterstützungskasse

Bildquelle: © Helmaire-Gruppe

Neue Wege in der Mitarbeiterbindung: Die Physiotherapie-Praxisgruppe Helmaire von Waldemar Andreev aus dem Landkreis Osnabrück sichert ihre 28 Beschäftigten mit einem firmeneigenen Versorgungswerk ab. Dieses Modell der betrieblichen Altersvorsorge (bAV), eine pauschaldotierte Unterstützungskasse, ist in der Physiotherapiebranche bisher noch recht unbekannt. Wir sprachen mit Unternehmensberaterin Julia Pfister von der Oris Real GmbH und Praxis­inhaber Waldemar Andreev über das Modell.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Die pauschaldotierte Unterstützungskasse (pdUK) funktioniert wie ein Mitarbeitersparbuch: Beschäftigte zahlen monatlich ein, das Unternehmen legt das Geld im eigenen Betrieb an und zahlt Zinsen. Zum Renteneintritt erhalten Mitarbeitende ihr Kapital plus Zinsen ausgezahlt.
  • Das Modell eignet sich auch für kleinere Unternehmen ab etwa zehn Beschäftigten und bietet betriebswirtschaftliche Vorteile wie Unabhängigkeit von Banken, Liquiditätsgewinne und steuerliche Vergünstigungen.
  • Für Arbeitgeber entsteht zusätzliche unternehmerische Freiheit, für Mitarbeitende eine attraktive, verzinste und insolvenzgeschützte Altersvorsorge. Gleichzeitig stärkt die pdUK Motivation, Bindung und Identifikation mit dem Unternehmen.

BODYMEDIA: Können Sie das Konzept der pauschaldotierten Unterstützungskasse erläutern?

Julia Pfister: Das Prinzip ist im Grunde genommen ganz einfach. Es gleicht einem Sparbuch bei einer Bank, hier gleichermaßen einem Mitarbeitersparbuch, das bei der Unterstützungskasse geführt wird. Die Mitarbeitenden zahlen jeden Monat ihren Beitrag ein und bekommen darauf Zinsen. Zum Renteneintritt erhalten sie den angesparten Betrag plus Zinsen in einer Summe.

Während eine Bank die Spareinlagen z. B. in die Darlehensvergabe investiert und aus der Zinsdifferenz ihre Margen zieht, investiert der Arbeitgeber bei der U-Kasse die Beiträge in das Unternehmen. Aufgrund dessen erhält der Mitarbeiter auch die Zinszahlung vom Unternehmen. Diesen Effekt erhöhen i. d. R. die Unternehmen, indem sie eine deutlich höhere Arbeitgeberzulage leisten, als der Gesetzgeber vorschreibt.

Ein Kurvendiagramm (Grafik) zur Darstellung der betrieblichen Altersvorsorge (bAV). Die X-Achse zeigt die "Zeit", die Y-Achse den "Rentenanspruch". Vier Kurven veranschaulichen den Vermögensaufbau über die Zeit

Rentabilitätsvergleich einer versicherungsförmigen und einer versicherungsfreien bAV (U-Kasse): Verzinsung vom ersten Euro an (Bildquelle: © Bundesverband Pauschaldotierte Unterstützungskasse e.V.)

BODYMEDIA: Woher kommt das Konzept und für welche Zielgruppe wurde es entwickelt?

Julia Pfister: Das Modell der Unterstützungskasse gibt es schon seit der Zeit, als Bismarck seine Sozialgesetzgebung einführte. Damals waren es die großen Industriekonzerne wie Krupp oder Siemens, die für ihre sozial oft stark benachteiligten Arbeiter derlei Versorgungswerke einrichteten. Später kamen andere hinzu, wie zum Beispiel die Volkswagen AG. Diese Einrichtungen gibt es größtenteils noch
heute.

BODYMEDIA: Herr Andreev, wie sind Sie zum ersten Mal auf das Konzept der pauschaldotierten Unterstützungskasse gestoßen?

Waldemar Andreev: Vor etwa einem Jahr wusste ich, dass ich etwas tun muss, um im Osnabrücker Raum als besonderer Arbeitgeber aufzufallen. Ich wollte expandieren, aber hatte eh schon zu wenig Mitarbeitende. Bestehende Benefits wie Firmenwagen oder andere reichten nicht aus, um die Arbeitsplatzattraktivität sonderlich hervorzuheben. Und betriebliche Altersvorsorge bietet auch jeder an, nichts Besonderes also … und außerdem: Versicherungen?

Bei meiner Recherche stieß ich dann bei dem VW-Werk hier in Osnabrück auf deren Vorsorgeeinrichtung, die pauschaldotierte Unterstützungskasse. Ein Zungenbrecher, aber nach ein paar weiteren Recherchen im Internet erkannte ich: Das kann lukrativ sein. Nicht nur für mein Team, auch für mich als Unternehmer.

BODYMEDIA: War es für Sie direkt klar, dass das ein lohnenswertes Konzept ist?

Waldemar Andreev: Im Grunde ja. Denn letztlich funktioniert die U-Kasse wie ein Mitarbeiter-Sparbuch. Meine Angestellten zahlen ein, ich lege das Geld in der Praxis an, lasse es dort arbeiten und dafür bekommen meine Leute eine anständige Verzinsung. Und weil ich ebenfalls meinen Nutzen habe, lege ich noch 50 % obendrauf.

Aber an sich geht es weniger um mich, sondern um mein Team. Und für das hat meine Unternehmensberatung eine Mischfinanzierung aus Gehaltsumwandlung, Nettolohnoptimierung und meiner Arbeitgeberzulage konzipiert, sodass meine Angestellten Monat für Monat 390 Euro ansparen, bei nur einem eigenen Anteil von 40 Euro netto. Ich bin davon überzeugt, dass sich dies lohnt.

BODYMEDIA: Wie haben Ihre Mitarbeiter auf die Einführung reagiert?

Waldemar Andreev: Sehr positiv! Wir haben mittlerweile zwei Praxen. Aus der ersten Praxis haben alle Mitarbeiter mitgemacht. Manche empfehlen es auch in ihrem privaten Umfeld weiter, weshalb ich vermehrt darauf angesprochen werde. Die zweite Praxis habe ich erst nach Einführung der U-Kasse übernommen. Dort stellen wir das Konzept einzeln vor, die meisten Gespräche sind sehr positiv verlaufen, ich denke, auch dort machen die allermeisten mit.

BODYMEDIA: Frau Pfister, ist die pauschaldotierte Unterstützungskasse denn überhaupt für kleine Unternehmen wie physiotherapeutische Praxen geeignet?

Julia Pfister: Eine Mindestgröße von etwa zehn Beschäftigten sollte ein Unternehmen schon haben. Dann erzielen sie bei medizinischen Praxen oder Fitnesscentern genau die gleichen betriebswirtschaftlichen und personal-politischen Vorteile wie in einem Großkonzern.

BODYMEDIA: Das System hat, zumindest in der Physiobranche, bisher kaum eine Durchdringung erreicht. Wieso ist das Konzept dort bisher so unbekannt?

Julia Pfister: Die pauschaldotierte Unterstützungskasse ist bei kleinen und mittelständischen Unternehmen bis heute eher unbekannt, so auch bei Medienvertretern. Sie ist jedoch der älteste Durchführungsweg in der betrieblichen Altersvorsorge, den vor allem große Konzerne schon lange für sich nutzen.

Mittelständische und kleinere Unternehmen fokussieren sich erst in den letzten Jahren auf diesen versicherungsfreien Durchführungsweg. Dies hat verschiedene Gründe. Die Digitalisierung hat z. B. dafür gesorgt, dass der Verwaltungsaufwand deutlich geringer geworden ist. Darüber hinaus sind Gewinnzusagen von Versicherungsgesellschaften in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. So erreichen Versicherungen oftmals nur noch die Auszahlung der eingezahlten Beiträge, ohne irgendeine Verzinsung.

Ein Ablaufdiagramm in Form eines Dreiecks, das die Funktionsweise der Pauschalldotierten Unterstützungskasse im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) darstellt. Die drei Hauptakteure sind: der ARBEITGEBER (symbolisiert durch ein Fabriksymbol), der ARBEITNEHMER (symbolisiert durch eine Person) und die Pauschalldotierte Unterstützungskasse (im Zentrum).Die Funktionsweise der pauschaldotierten Unterstützungskasse im grafischen Überblick (Bildquelle: © Bundesverband Pauschaldotierte Unterstützungskasse e.V.)

BODYMEDIA: Welche Vorteile bietet das Konzept Unternehmen insgesamt, aber konkret in der Physiotherapiebranche?

Julia Pfister: Das sind die genannten betriebswirtschaftlichen Vorteile durch die Innenfinanzierungseffekte. Diese Form ist grundsätzlich kostengünstiger als eine Bankfinanzierung und befreit die Firma von ihrer bisherigen Bankenabhängigkeit. Das ist ein wichtiger Aspekt, um mit Liquiditätsreserven auf Krisensituationen vorbereitet zu sein, statt mit Kredittilgungen zusätzlich unter Druck zu stehen. 

U-Kassen lassen sich sehr individuell auf die Bedürfnisse der Firma einrichten, damit bleibt die unternehmerische Freiheit erhalten. Hinzu kommen steuerliche Vergünstigungen, ein verbessertes Betriebsklima sowie eine optimierte, vertrauensvolle Mitarbeiterbindung und -findung.

BODYMEDIA: Welche Vorteile bietet das Konzept Ihnen als Praxisinhaber konkret?

Waldemar Andreev: Ich habe sofort in meinem Team bemerkt, dass das soziale Engagement sehr positiv und motivierend aufgenommen wurde, denn unsere Mitarbeiter nutzen für ihre Altersvorsorge ein aufgebautes Betriebsvermögen. Darüber hinaus hatte ich gleich mehr Liquidität, die Gewissheit, über zusätzliches Kapital frei verfügen zu können.

Gleichzeitig bin ich als Unternehmer frei in meinen Entscheidungen und nicht von dem guten Willen einer Bank abhängig. Für meine Expansionspläne war das ideal. Außerdem wächst der Teamgeist, wir sitzen alle im gleichen Boot. Und als Gemeinschaft fühlt sich jede und jeder Einzelne sicherer.

Julia Pfister: Die Betriebsangehörigen sehen jeden Tag, wie ihre betriebliche Altersvorsorge im Unternehmen arbeitet. Die U-Kasse lässt sich mit einer indirekten Mitarbeiterbeteiligung vergleichen. Das verbindet, das steigert die Motivation und fördert die Identifikation mit dem Arbeitgeber ungemein. Mit der Einrichtung eines firmeneigenen Versorgungswerkes präsentiert sich ein Unternehmer als verantwortungsvoller, fürsorglicher Arbeitgeber im besten konservativen Sinne – und das spricht sich auch am lokalen Arbeitsmarkt herum.

BODYMEDIA: Tragen Sie nun noch eine größere Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, da Sie die Altersvorsorge verwalten?

Waldemar Andreev: Ich finde, jeder Arbeitgeber trägt Verantwortung für seine gesamte Belegschaft, und das während der gesamten Dauer der Betriebszugehörigkeit. Ein großer Teil der Verantwortung besteht darin, die Firma erfolgreich zu führen, um alle Arbeitsplätze zu erhalten. Das bedeutet auch sicherzustellen, dass die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge stets erwirtschaftet werden.

BODYMEDIA: Aber besitzen Sie denn auch das Know-how, neben der Lohnbuchhaltung auch noch die Unterstützungskasse zu managen?

Waldemar Andreev: Die eigentliche Verwaltung der Unterstützungskasse liegt zum Glück nicht bei mir, dafür fehlt mir das Fachwissen, sondern bei meiner Unternehmensberaterin, die darüber hinaus auch noch in Nürnberg eine renommierte, spezialisierte Gesellschaft für die Wirtschaftsprüfung sowie Steuer- und Rechtsberatung als Kooperationspartner im Rücken hat.

BODYMEDIA: Was passiert mit dem Geld, wenn der Unternehmer keine Investitionen plant oder Bankkredite tilgt?

Julia Pfister: Grundsätzlich gibt es hier zwei Möglichkeiten: Das Unternehmen entscheidet, ob einerseits die Kapitalanlage, das Parken in jederzeit veräußerbare, sichere und vor allem kostengünstige Finanzprodukte wie zum Beispiel Exchange Traded Funds, bekannt als ETFs, oder Termingelder genutzt wird. Oder andererseits die Ablösung von laufenden Bankkrediten, deren Zinskosten weit höher sind als die Zinsversprechen für die Beschäftigten. Eine schöne betriebswirtschaftliche Kostenersparnis.

BODYMEDIA: Kann es zu Schwierigkeiten mit dem Finanzamt kommen?

Julia Pfister: Verankert in der Gesetzgebung ist die pdUK im § 4d EstG. Bei der Einrichtung einer Unterstützungskasse für ein Unternehmen arbeiten wir mit der Authent-Gruppe in Nürnberg zusammen. Diese deckt als Kooperationspartner der Oris die steuerliche, rechtliche und wirtschaftliche Beratung und Betreuung der jeweiligen Mandanten ab. So können mögliche Fragen vom Finanzamt professionell beantwortet und ggf. Schwierigkeiten von vornherein vermieden werden.

BODYMEDIA: Was würde passieren, wenn das Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann, z. B. wegen einer Insolvenz?

Julia Pfister: Diese Frage steht aus Sicht des Arbeitnehmers fast immer im Mittelpunkt, denn er investiert seine Altersversorgung ja bis zum Eintritt des Rentenalters in das Unternehmen. Es ist vom Gesetzgeber geregelt und auch Pflicht, dass jedes Unternehmen bei diesem Durchführungsweg dem Pensionssicherungsverein beitreten muss.

D. h., dass im Falle einer Insolvenz die eingezahlten Beiträge des Arbeitnehmers und sogar die vertraglich versprochenen Zinsen auf diese Beiträge insolvenzgeschützt sind. Somit ist es für den Arbeitnehmer, aus wirtschaftlicher Sicht betrachtet, zweitrangig, ob das Unternehmen zum Zeitpunkt des Leistungsfalles noch existiert.

Bildquelle Header: © Helmaire-Gruppe

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Er war von 2015 bis 2023 Chefredakteur der BODYMEDIA Fachmagazine. 2017 etablierte er mit der BODYMEDIA Physio ein Business-Magazin im Physio-Bereich. Nach einer etwa einjährigen Pause als Leiter eines therapeutischen Fitnessstudios kehrte er 2024 als Stellver. Chefredakteur zur BODYMEDIA zurück. 

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