„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – wer hat es nicht schon einmal gedacht oder sogar ausgesprochen, wenn junge Auszubildende wieder mit vermeintlich wirren Ideen oder Forderungen aufgetaucht sind? Es gibt wahrscheinlich keinen Satz, der so viel Motivation aus jungen Menschen heraussaugen kann wie dieser. Das Machtverhältnis ist direkt geklärt – die Führungskraft entscheidet, was gut ist, und der Auszubildende muss sich fügen. Wer das einmal selbst erlebt hat, kann vielleicht nachvollziehen, wie verletzend das sein kann und wie schnell das Motivationslevel des Auszubildenden absinkt.
Andere Generation – andere Bedürfnisse
Aber warum hat dieser Satz so eine starke Wirkung? Um das verstehen zu können, müssen wir uns etwas tiefer mit den Bedürfnissen junger Menschen beschäftigen. Sie haben klare Anforderungen an Führungspersonen und möchten auf Augenhöhe behandelt werden. Das ist für viele Ältere befremdlich, da sie es selbst anders erlebt haben und nun alte Denkmuster ablegen müssen, um sich auf die Führungsbedürfnisse der jüngeren Generationen einlassen zu können.
Um das zu schaffen, muss eine Art Kreislauf durchbrochen werden, der sich über viele Generationen von Auszubildenden eingeschliffen hat. Es war lange klar, dass sich Auszubildende am unteren Teil der Nahrungskette befinden. Aber jetzt kommt die Generation Z und möchte diese Kette durchbrechen, indem sie direkt von Anfang an auf Augenhöhe geführt werden möchte.
Die Umstellung ist gar nicht so einfach. Aber man kann hier im Kleinen schon viel bewirken. Einfache Gesten, die dem Auszubildenden gegenüber Wertschätzung zeigen, aber in vielen Unternehmen nicht selbstverständlich sind, könnten z. B. sein:
- Bitte und Danke sagen
- die Auszubildende nach ihrer Meinung fragen, diese ernst nehmen, darüber nachdenken und den jungen Menschen dann auch Feedback geben
- den Auszubildenden einen gleichberechtigten Anteil an Redezeit geben und keine Unterschiede dabei machen, wie lange man zuhört
- sich für die Werte und Interessen der Auszubildenden interessieren
- den Auszubildenden Möglichkeiten geben, von Anfang an aktiv mitzugestalten, sei es auch nur im Kleinen
- Ziele sollten nicht nur vorgegeben werden, sondern gemeinsam erarbeitet und besprochen werden
Auch wenn sich das alles schnell liest, braucht es doch in der Umsetzung sehr viel mehr Zeit und Energie, die man bereit sein muss aufzubringen. Mit diesen Maßnahmen können Führungskräfte eine gute Vertrauensbasis zu ihren Auszubildenden schaffen und diese ist die Grundlage für die Zusammenarbeit. Führungskräfte tendieren schnell dazu, zu vergessen, dass sie sich ihre heutigen Fähigkeiten auch erst mal erarbeiten mussten und vielleicht ihre damaligen Vorgesetzten viel Geduld mit ihnen hatten. Und auch wenn es Zeit braucht, wird es sich am Ende auszahlen.
Mitbestimmung und soziale Werte
Während die Gesten wie Bitte und Danke recht schnell umsetzbar sind, erfordern das aktive Mitgestalten-Lassen und das Zeigen von Interesse an den Werten der jungen Auszubildenden durchaus etwas mehr Zeit. Aber genau diese beiden Punkte sind so enorm wichtig, denn sie treffen genau das Anforderungsprofil vieler Menschen aus der Generation Z. Junge Menschen möchten ihr Leben aktiv mitgestalten und sich nicht von Normen und Traditionen fremdbestimmen lassen.
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Das gilt natürlich auch für die Arbeit. Dafür kann ein Rahmen geschaffen werden, in dem sich die jungen Menschen ausprobieren können und lernen, ob ihre Ideen funktionieren und dass auch Scheitern dazugehört. Optimalerweise begleitet sie die Führungskraft dabei. Denn auch das ist für die Generation Z wichtig.
Die Generation Z hat gelernt, dass ihre Meinung wichtig ist. Daher lassen sie sich bei ihrer Berufswahl nicht so sehr von Sicherheit und Gehalt leiten, sondern suchen sich gezielt Unternehmen aus, mit deren Werten sie sich identifizieren können. Deshalb erwarten sie, dass diese auch gelebt werden, sowohl was das Umsetzen eigener Projekte im Unternehmen angeht als auch die Übernahme von sozialer Verantwortung. Hier sollten Führungskräfte offen und transparent sein.
Weiterbildungsangebote sind wichtig
Neben den gerade genannten Hauptbedürfnissen wird die Generation Z von verschiedenen Strömungen beeinflusst. Insbesondere Influencer in den sozialen Medien sind wichtig für die Meinungsbildung der Generation Z. Die Darstellungen hier sind nicht immer realitätsgetreu, sondern vermitteln ein für viele junge Menschen nicht erreichbares Ideal, dem sie sich annähern möchten. Wenn man also sieht, dass der Lieblingsinfluencer 8 Monate im Jahr auf einer schönen Südseeinsel verbringt, möchte man das natürlich auch haben.
Dann schaut man aber auf sein Auszubildendengehalt und merkt recht schnell, dass selbst eine kurze Reise ins Paradies eher unwahrscheinlich wird. Das kann zur Entwicklung einer Geld-Dysmorphie führen. Obwohl es ihnen finanziell gesehen nicht schlecht geht, schätzen sie ihre finanzielle Situation falsch ein, da sie die falsche Bezugsgruppe haben.
Bemerkt eine Führungskraft so etwas bei einem seiner Auszubildenden, sollte man versuchen, das bestmöglich aufzufangen, da Geld-Dysmorphie durchaus für Stress, Angstzustände bis hin zur Depression verantwortlich sein kann. Gerade erfahrene Führungskräfte können hier realistische Rahmen setzen und zielführend auf den Betroffenen einwirken.
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Generation Z sind Weiterbildungsangebote. Mehr als 90 % der jungen Menschen wünschen sich diese. Wenn Unternehmen diesem dann einmal nachkommen, wird vor allem in Hard-Skills investiert, die zum Bewältigen des Arbeitsalltags benötigt werden. Nur etwa ein Viertel der Arbeitgeber investieren in Soft-Skills wie Teamarbeit, Kommunikation oder Arbeitsorganisation, die gerade bei Auszubildenden so wichtig wären.
Hinzu kommt, dass dies der Bereich ist, in dem die Generation Z gerne weitergebildet werden möchte. Daher ist es sicherlich sinnvoll, hier zu investieren.
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