Management

MYOKRAFT: Nicht in der Firma, sondern am Unternehmen arbeiten

Eine starke Marke mit hoher Onlinesichtbarkeit, Zuwachs von 1.000 Mitgliedern in weniger als zwei Jahren, Personalüberhang und eine Fluktuation unter 5 %. Dazu die systematische Umsetzung von aktiver Therapie und vollautomatisierte Prozesse für das Mitarbeiter-, Patienten- und Mitgliederonboarding. Wie haben Michael und Nick Bol das geschafft?

Das Wichtigste in Kürze:

  • MYOKRAFT ist eine Lifestyle-Marke, welche die Gesundheit der Gesellschaft positiv beeinflussen und optimieren soll.
  • Zwei besonders wichtige Aspekte bei Myokraft sind die körperliche Aktivität in Form von aktiver Therapie und Training sowie die systematische Lifestyle-Optimierung.
  • Die beiden Geschäftsführer haben sich komplett aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, um sich auf die Prozessoptimierung in allen Abteilungen, die Entwicklung von Marketingstrategien und die Implementierung eines einzigartigen Personalmanagementkonzepts zu fokussieren.
  • Um die Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit zu erhöhen, wird viel Wert auf eine standardisierte Einarbeitung, eine gute Work-Life-Balance und umfangreiche Wachstumsmöglichkeiten gelegt.

Unser ehemaliges Therapiezentrum ist im Jahr 2018 zum Familienunternehmen geworden, als mein Vater, Michael Bol, und ich gemeinsam die Firma MYOKRAFT gegründet haben. Wir waren uns einig, dass wir die in der Branche gängige Arbeits- und Führungsweise überdenken und verändern wollten, um uns stark für die Zukunft aufzustellen. Mit diesem Gedanken und den Erfahrungen meines Vaters in Simbabwe haben wir alle Prozesse bis ins Detail durchdacht und optimiert.

Die Geschichte von MYOKRAFT

Mein Vater wurde in Simbabwe geboren und verbrachte dort die ersten sieben Jahre seines Lebens. Im Jahr 1988 absolvierte er sein Studium zum Physiotherapeuten in Amsterdam und wanderte im Jahr 1992 wieder nach Simbabwe aus. Behandelte er in Deutschland hauptsächlich Patienten mit Rücken-, Nacken- und Gelenkschmerzen, hatte er es in Simbabwe mit Problematiken wie Wachstumsstörungen, Polio und Querschnittslähmungen zu tun.

„Das Leben in Simbabwe war viel schwieriger als in Deutschland. Das tägliche Überleben stand an erster Stelle und Aktivitäten wie schwere Arbeit auf den Feldern oder das Tragen von schweren Gewichten über lange Distanzen war nichts Außergewöhnliches. Trotz der Tatsache, dass so viel schwere Arbeit – oft in gebogener, krummer Haltung – geleistet wurde, sah ich in meinen Jahren als Physiotherapeut in Simbabwe nicht einmal einen Patienten mit Rücken-, Nacken- und Gelenkschmerzen! Geschult als klassischer Physiotherapeut hat mich dies völlig schockiert.“


Michael und Nick Bol (v. l.), Gründer MYOKRAFT (Bildquelle: © MYOKRAFT)

Die Erfahrungen in Simbabwe haben gezeigt, dass eine hohe körperliche Belastung keine körperlichen Beschwerden verursachen muss. Erklären konnte Michael Bol sich dies zu der Zeit aber noch nicht. Nach intensiver Suche fand er Anfang 2000 bei Bert van Wingerden, Physiotherapeut und Professor für Zellbiologie, die Begründung für seine Beobachtung und eine darauf aufbauende Arbeitsweise, die er danach in seiner Physiotherapiepraxis erfolgreich umsetzte.

Nicht nur Patienten waren begeistert

Einige Jahre später kam ich ins Spiel. Der Enthusiasmus und die Leidenschaft meines Vaters waren so ansteckend, dass ich mit 12 Jahren schon wusste, dass ich Physiotherapeut und Geschäftspartner werden wollte.
Diese Entscheidung habe ich seitdem für keine Sekunde mehr angezweifelt. Jedes Wochenende und an jedem freien Tag bin ich mit nach Kevelaer gefahren, um Erfahrung zu sammeln. Als ich selbst Physiotherapie studierte, stellten wir zwei Dinge fest:

Aktive Therapie, wie sie mein Vater in seiner Praxis umsetzte, entsprach nicht dem Standard. Mit der Erwartung, gerade hierüber im Studium noch mehr zu lernen, wurde ich relativ schnell enttäuscht, da wir insgesamt nur zweimal 2,5 Stunden in einem Trainingsraum verbracht haben. Je mehr mein Vater an der Bank stand, desto schlechter ging es dem Unternehmen.

Als wir nach meinem Studium MYOKRAFT gründeten, war für mich klar, dass ich gemeinsam mit meinem Vater diese beiden Aspekte ändern wollte. Für mich, für die Firma und langfristig auch für die Branche.

Diese Veränderungen haben den Erfolg gebracht

Zwei Jahre vor Firmengründung bestand die Möglichkeit, uns zu erweitern. Wir haben uns aber schnell dagegen entschieden und beschlossen, uns stattdessen komplett neu aufzustellen. Wichtig war uns ein neuer Name, der mit Positivität assoziiert wird. So entstand nach langem Suchen der Name MYOKRAFT.

MYOKRAFT ist kein Therapie- oder Fitnesszentrum, sondern eine Lifestyle-Marke, mit der wir die Gesundheit unserer Gesellschaft positiv beeinflussen. Denn genau das, unser Lifestyle, ist der wichtigste Faktor, um unsere Gesundheit beeinflussen und optimieren zu können. Alle Leistungen, die innerhalb von MYOKRAFT angeboten werden, zahlen hierauf ein. Mit der Entwicklung der Marke glauben wir, dass wir unsere Botschaft schneller und effizienter an die Gesellschaft weitergeben können.


Der Übergang von der Physiotherapie in den Trainingsbereich geschieht nahtlos (Bildquelle: © MYOKRAFT

Darüber hinaus haben wir in den letzten Jahren mehrere tausend Stunden investiert in drei Hauptbereiche, die unserer Meinung nach für das Wachstum und den Erfolg entscheidend waren.

In Deutschland sind die Menschen vor 100 Jahren jeden Tag 18 bis 20 Kilometer gelaufen, heute nur etwa 800 Meter. Die Menschen sind heute so inaktiv, dass sie laut einer englischen Studie pro Woche doppelt so viel Zeit auf der Toilette (3 Stunden) verbringen als beim Sport (1,5 Stunden). In der gleichen Zeit hat sich unsere tägliche Kalorienzufuhr von durchschnittlich 2.100 kcal auf über 3.600 kcal erhöht. Wir passen uns nicht mehr an die Umwelt, sondern unsere Umwelt an unsere Bedürfnisse an. Was unser Leben zwar bequemer, uns allerdings auch kränker macht als je zuvor.

Damit unsere Kunden gesund werden und bis zum Lebensende leistungsfähig bleiben, müssen zwei Aspekte in die Physiotherapie integriert werden:

  • mehr körperliche Aktivität in Form von aktiver Therapie / Training
  • systematische Lifestyle-Optimierung, die alle relevanten Faktoren einbezieht

Die klassische, passive Physiotherapie hat ihren Wert, allerdings ist sie für unsere heutige Gesellschaft unzureichend, um das Ziel zu erreichen. Ein großes Problem ist, dass diese Aspekte in der Ausbildung kaum bis gar nicht geschult werden.

MYOKRAFT-Academy

Um diese beiden Aspekte als Basis in die Therapie zu integrieren, haben wir ein intensives Einarbeitungsprogramm entwickelt. So konnten wir einen Qualitätsstandard definieren und stellen sicher, dass unsere Arbeitsweise von allen Therapeuten gleich umgesetzt wird.

Passive Therapie wird eingesetzt, um die Voraussetzungen für eine aktive Therapie zu schaffen oder eine aktive Therapie zu ergänzen. Dieses Programm, auch die MYOKRAFT-Academy genannt, wird mittlerweile auch für externe Physiotherapeuten angeboten, mit dem Ziel, diese Arbeitsweise nicht nur bei MYOKRAFT, sondern in der gesamten Branche zu integrieren.

Strukturen-, Zeit- & Prozessoptimierung

Das Geschäftsmodell vieler Praxen zwingt die Betreiber dazu, ihre Zeit in Aufgaben zu investieren, die wichtig und dringend sind. Sie sind mitverantwortlich für den generierten Umsatz, ständig damit beschäftigt, Probleme zu lösen. Durch Mitarbeitermangel und Patientenüberschuss werden sie irgendwann zum „Sklaven ihrer Firma“, es fehlt die Zeit, sich um Prozesse und Strukturen zu kümmern. Ist man in der Firma gebunden, hat man nicht die Zeit, am Unternehmen zu arbeiten. Dadurch entsteht noch mehr Chaos, der Betreiber braucht noch mehr Zeit, um die Probleme zu lösen.

Diese Erfahrung haben auch wir mehrmals gemacht. Bis wir uns komplett aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen und mitgeteilt haben, dass wir, egal wie viele Mitarbeiter (wegen Urlaub oder Krankheit) nicht da sind, keine Patienten übernehmen oder neu aufnehmen. Kurzfristig kann dies wehtun, denn es geht Umsatz verloren. Langfristig war dies eine der besten Investitionen der letzten Jahre, denn dies hat uns die komplette Freiheit und Unabhängigkeit als Betreiber ermöglicht und unseren Alltag erheblich stressfreier gemacht.


Unternehmer sollten sich auf wichtige, nicht dringende Aufgaben fokussieren (Bildquelle: © MYOKRAFT

Wachstum entsteht, wenn wir unsere Zeit auf Dinge fokussieren, die wichtig, aber nicht dringend sind. Und genau da haben wir in den letzten Jahren unglaublich viel Zeit investiert.

  • Optimieren der Prozesse in allen Abteilungen
  • Digitale und vollautomatisierte Prozesse zur Mitarbeiter-, Patienten- und Mitgliederonboarding und Wissensvermittlung
  • Erfolgreiche Marketingstrategien sowohl online über die sozialen
  • Medien, Landingpages und Homepage als auch offline über hochfrequente Events
  • Hocheffektive Prozesse, um aus Patienten Mitglieder zu generieren und die Therapiezeit zu erweitern
  • Ein einzigartiges Personalmanagementkonzept

Arbeitsbedingungen – wie stellt man sich optimal auf?

30.000 offene Physiostellen und jährlich 7 Millionen Verordnungen, die (hauptsächlich wegen Personalmangel) nicht eingelöst werden können, das ist der Status quo unserer Branche. Macht man sich jetzt immer noch keine Gedanken, wie man sein eigenes Personalmanagement nachhaltig optimieren kann, wird es sehr schwierig, Wachstum zu ermöglichen.

Wie haben wir uns aufgestellt, um monatlich Initiativbewerbungen zu bekommen? Wie macht man das bestehende Personal zu Fans, wie kann man die Fluktuation reduzieren? Nett sein, ein gutes Bruttogehalt oder coole Teamevents reichen hier leider nicht.

Standardisierte Einarbeitung

Nicht nur wir als Betreiber, sondern auch unsere Mitarbeiter lieben Struktur, weil sie uns Ruhe verschafft. Um eine optimale Struktur umzusetzen, haben wir eine eigene digitale Akademie erstellt, wo alle Prozesse jeder Abteilung standardisiert sowohl in Schrift- als auch in Videoform festgelegt worden sind. Jeder Mitarbeiter hat Zugriff und kann sich alle Fragen selbstständig beantworten. Sollten doch noch Fragen entstehen, beantworten wir diese einmalig, indem wir sie direkt in der Akademie mit aufnehmen und das ganze Team hierüber informieren.


Nick Bol ist davon überzeugt, dass die Kombination aus Therapie und Training für Physiotherapeuten das Modell der Zukunft ist (Bildquelle: © MYOKRAFT

Jeder neue Mitarbeiter, egal in welcher Abteilung oder wie viel Berufserfahrung er mitbringt, wird über ein 120-stündiges Einarbeitungsprogramm eingearbeitet. Für ein optimales interdisziplinäres Arbeiten findet die Einarbeitung nicht nur in der eigenen Abteilung statt, sondern in allen.

Kommunikation und Work-Life-Balance

Als Betreiber hat man, egal wie groß oder klein das Team ist, nicht die Möglichkeit, alle Mitarbeiter zu jeder Zeit vollumfänglich zu informieren, deswegen müssen digitale Kommunikationsstrukturen geschaffen werden. Dabei muss das Thema Work-Life-Balance beachtet werden, denn nicht alle Mitarbeiter möchten sich auch außerhalb der Arbeitszeit mit der Arbeit beschäftigen. Arbeitet man mit (wahrscheinlich mehreren) WhatsApp Gruppen, um sein Team zu informieren, wird man seine Mitarbeiter hiermit früher oder später nerven.

Work-Life-Balance ist wichtiger als je zuvor und wird zukünftig immer wichtiger. Deswegen arbeiten wir mit Kommunikationsmedien, die ausschließlich für die Arbeit eingesetzt werden. So schaffen wir eine bessere Trennung zwischen privater und geschäftlicher Kommunikation.

Optimierung des Nettogehalts

Durch hohe Steuer- und Sozialversicherungsabgaben in Kombination mit Arbeitgeberbeiträgen landet nur ungefähr die Hälfte unserer Mitarbeiterausgaben im Portemonnaie des Mitarbeiters. Wir haben hohe Kosten und beim Mitarbeiter bleibt wenig hängen.

Wir sind uns oft nicht bewusst, dass es staatlich geförderte Maßnahmen gibt, für die der Mitarbeiter keine Steuern und/oder Sozialabgaben zahlt und durch die wir uns Arbeitgeberbeiträge sparen können. Mit diesen staatlich geförderten Maßnahmen, auch steuerfreie Lohnbestandteile genannt, haben wir die Nettogehälter unserer Mitarbeiter auf eine für uns kostengünstige Art um 600-1.000 € erhöht.

Gehalts- und Bonusstruktur: Win-win-Prinzip

Traditionell sind die Gehälter in unserer Branche zum einen abhängig davon, wie viel Berufserfahrung ein Mitarbeiter hat, zum anderen, wie gut oder schlecht der Mitarbeiter oder der Arbeitgeber verhandeln kann. Ist dies wirklich fair? Stimulieren wir hiermit das gewünschte Mindset?

Unserer Meinung nach ist dies nicht der Fall und führt sogar zu Unruhe und Stress, denn früher oder später kommt dieses Thema im Team ans Licht. Wie argumentiert man dann als Arbeitgeber, wenn ein Mitarbeiter 300 € mehr verdient als sein Kollege, nur weil er besser verhandeln konnte?

Die MYOKRAFT-Karriere-Roadmap

Es gibt Mitarbeiter, die zufrieden damit sind, ihren Patienten zu mehr Lebensqualität zu verhelfen. Es gibt allerdings auch Mitarbeiter, die auf der Suche sind nach mehr als „nur“ Kundenterminen. Meist sind dies Mitarbeiter mit unternehmerischen Ambitionen und Qualitäten, die für die Weiterentwicklung der Firma ebenfalls eine wichtige Rolle spielen können. Wenn wir hier keine passenden Arbeitsmöglichkeiten anbieten können, sind wir nicht in der Lage, diese Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden.


Die beiden Geschäftsführer wollten beim Design einen Kontrast zu anderen Physiotherapiepraxen schaffen und neue Maßstäbe setzen (Bildquelle: © MYOKRAFT

Genau aus diesem Grund haben wir unsere sogenannte MYOKRAFT-Karriere-Roadmap außerhalb der normalen Gehaltsstruktur entwickelt. Acht zusätzliche Aufgabenbereiche (bestehend aus Community Manager,
Research Team, Qualitätsmanager, Social-Media-Team, dem Social-Media-Manager, Projektteam, Projektmanager und Guest-Experience-Manager) bieten Wachstumsmöglichkeiten. Interessierte Mitarbeiter können sich intern bewerben, für die Umsetzung der jeweiligen Aufgabe werden dann feste Bürozeiten eingetragen.

Mit MYO Performance die Branche verändern

Es war immer schon mein Ziel, MYOKRAFT skalierbar zu machen. Genau an diesem Punkt sind wir jetzt gelandet und wir werden im nächsten Jahr damit anfangen. Wir wollen die Gesundheit unserer Gesellschaft nachhaltig fördern und zur ersten Priorität machen. Hierfür ist ein Umdenken notwendig. Nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Branche. Mit MYO Performance stellen wir genau die Prozesse, die uns zum Erfolg gebracht haben, der Branche zur Verfügung. MYO Performance ist keine Unternehmensberatung, sondern ein konzeptionelles Ökosystem, das es ermöglicht, diese Prozesse einfach, schnell und effizient zu implementieren.

Das übergeordnete Ziel ist, unsere Branche zu revolutionieren. Unser Berufsstand und dessen Bedingungen, unsere Arbeitsweise und unser Ruf müssen auf einen neuen Stand gebracht werden. Mit MYOKRAFT erreichen wir dies auf lokaler, mit MYO Performance auf globaler Ebene.

Bildquelle Header: © MYOKRAFT

Der Autor

  • Nick Bol

    Nick Bol, Physiotherapeut BSc (NL), zusammen mit seinem Vater Michael Inhaber von Myokraft in Kevelaer. Referent für „Smart Therapieren“ bei der EGYM-Physio-Erfolgstour

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