Apropos, waren Sie mit Ihrem letzten Arztbesuch zufrieden? Wie viel Zeit hat sich Ihr Arzt für Ihre Bedürfnisse genommen? Im Bundesdurchschnitt sind es siebeneinhalb Minuten. Hinteres Mittelmaß im globalen Vergleich. Nur so am Rande.
Die zunehmende Ökonomisierung des gesamten Gesundheitswesens verschiebt die ursprüngliche Berufung des Arztes vom einstigen Heiler zum zahlengetriebenen Unternehmer. Kliniken stehen unter einem immer stärker werdenden Druck, Ärzte werden regelrecht gezwungen, betriebswirtschaftliche Aspekte über medizinische Bedürfnisse zu stellen.
Im Jahr 2023 meldeten 61 % der Krankenhäuser Verluste. Für 2024 wurde sogar ein Anstieg auf 79 % prognostiziert.
Eine Analyse des Status quo
Knapp 500 Milliarden Euro kostete im Jahr 2022 die medizinische Versorgung unseres höchsten Gutes. Während der Großteil des Geldes für „reparierende“ Maßnahmen aufgewendet wurde, waren es lediglich 5 % für Gesundheitsvor- und -fürsorge. Eine echte Schieflage, vor allem Indiz, dass wir eher von einem rehabilitativen Krankheits- statt vorbeugendem Gesundheitssystem sprechen sollten.
Die Vision – Die Zukunft unserer Gesundheit neu denken
Die ökonomische Ausrichtung des Gesundheitswesens birgt auch Vorteile. Effizienzsteigerungen, technologische Innovationen und insbesondere der Fitness- und Gesundheitsmarkt haben enormes Potenzial, um zukünftig eine hochwertigere „medizinische“ und gesundheitspräventive Versorgung zu gewährleisten. Ohne wirtschaftlichen Druck gäbe es weniger Innovationen und möglicherweise eine noch kritischere Versorgungslage in der Bundesbevölkerung.
Unsere 3 Ansatzpunkte
- Zertifizierte Fitness- und Gesundheitsanbieter brauchen eine zentralisierte Stellung in der gesundheitlichen Versorgungsbasis als echte Orte der Prävention, der funktionalen Erhaltung und sogar des frühzeitigen Risikoscreenings.
- Gesundheitspräventionsorientierte Einrichtungen, wenn evidenzbasiert und fachkompetent geführt, können eine relevante Lücke im bestehenden Gesundheitssystem schließen – niedrigschwellig, technologieoffen. Digitale Systeme, KI-gestützte Trainingsanalysen, Gesundheitschecks und individuell angepasste Programme zeigen jetzt schon, welches Potenzial besteht.
- Es benötigt die politische Anerkennung und systematische Einbindung in unser Gesundheitssystem. Dabei wäre es angesichts überlasteter Kassen, überfüllter Praxen und einer weiter alternden Bevölkerung längst am Zahn der Zeit, präventive Angebote als das zu behandeln, was sie nun einmal sind: höchst systemrelevant.
Die ökonomische Ausrichtung des Gesundheitswesens birgt auch Vorteile. Effizienzsteigerungen, technologische Innovationen und insbesondere der Fitness- und Gesundheitsmarkt haben enormes Potenzial, um zukünftig eine hochwertigere „medizinische“ und gesundheitspräventive Versorgung zu gewährleisten (Bildquelle: © Weinnie – stock.adobe.com)
Gerade, weil die gesamte Medizinbranche zunehmend stärker unter wirtschaftlichem Druck steht, braucht es dringend erweiternde Strukturen und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsakteuren.
Interview mit Daniel Schoon und Dr. Daniel Schwarzenberger
BODYMEDIA: Was bedeutet Gesundheit für euch?
Daniel Schwarzenberger: Gesundheit ist so viel mehr als ein statischer Zustand. Sie ist unser persönliches Do-it-yourself-Lifetime-Projekt. Gesundheit bedeutet für mich Dynamik, ist herausfordernd, macht Lust auf das Leben, sie braucht Selbstfürsorge, ist nicht selbstverständlich, sie kann ein wahrer Jungbrunnen sein und möchte vor allem gepflegt werden. Jeden Tag.
Ein Leben lang. Durch meine Tätigkeiten in den letzten 20 Jahren, insbesondere mit jungen wie auch älteren Menschen, ist mein Herzensthema „Mehr Gesundheit für jeden von uns“ geworden. Beim Sport hatte ich bereits als Kind meine ersten Berührungspunkte mit unserem höchsten Gut. Verletzungen haben mir erstmalig gezeigt, was es bedeutet, „nicht gesund“ zu sein.
Daniel Schoon: Mit 17 habe ich als schwerst Übergewichtiger angefangen zu trainieren. Ich habe selbst erlebt, was passiert, wenn man anfängt, sich um seinen Körper zu sorgen, vor allem, was sich auf allen Ebenen, mental, körperlich und für das ganze Leben verändern kann. Mein Brennen für Fitness- und Gesundheitstraining kommt genau daher. Mit 20 habe ich im Fitnessclub angefangen zu arbeiten.
Heute leite ich selbst nicht nur einen Club und bilde mich weiter, sondern schreibe und begleite Menschen, weil ich weiß, wie viel Muskulatur, Bewegung und gezieltes Training bewirken können. Ich habe bei meiner Uroma gesehen, wie es ist, wenn die Kraft und Muskulatur verschwinden, und damit die Selbstständigkeit. Gesundheit bedeutet deshalb für mich: unabhängig bleiben, handlungsfähig sein, nicht irgendwann, sondern im Hier und Jetzt. Und mit genau dieser Motivation will ich Menschen anstecken und helfen, für mehr Gesundheit in der Gesellschaft.
BODYMEDIA: Wie seht ihr beiden die Entwicklung der Gesundheits- bzw. Fitnessbranche in den vergangenen 40 Jahren?
Daniel Schwarzenberger: Es gibt in den letzten 40 Jahren eine Vielzahl an „Einflüssen“, die auf die heutige Fitness- und Gesundheitsbranche eingewirkt haben. Neben der Bodybuilding- und Aerobicbewegung können hier der Gesundheits- und Wellnesstrend genannt werden. Darüber hinaus wurden im Jahr 2015 Fitnessstudios erstmalig im neuen Präventionsgesetz berücksichtigt.
Daniel Schoon: Digitalisierung, KI und smarte Geräte haben vieles effizienter, präziser und dabei auch beeindruckender gemacht. Aber eine Sache ist mir dabei immer klar geblieben: Es geht nicht nur um perfekte Anlagen oder Maschinen, sondern es geht um Menschen. Fitness darf kein technisch gesteuertes Durchschleusen werden.
Was zählt, ist das, was zwischen den Geräten im Club passiert: Begegnung, Motivation, persönliche Entwicklung. Wenn wir das vergessen, verlieren wir den Kern dessen, was diese Branche ausmacht. Die gute Nachricht: Die Fitness- und Gesundheitsbranche steht heute stärker denn je da. Trends wie Longevity, Prävention und Selfness zeigen, dass wir am Anfang eines ganz neuen Verständnisses für Gesundheit stehen.
Und wenn wir es schaffen, Menschlichkeit und Fortschritt zusammenzubringen, dann wird diese Branche nicht nur wachsen, sie wird relevant bleiben. Denn echte Gesundheit entsteht nicht nur durch Technik, sondern durch Synergie: zwischen Mensch und Körper, zwischen Trainer und Mitglied, zwischen Haltung und echter Handlung. Und genau darin liegt die große Chance: Fitness- und Gesundheitsanbieter systemrelevant zu machen, eben als feste Säule der Versorgung, nicht als freiwillige Option.
BODYMEDIA: Wie seid ihr auf das Thema „Gesundheit im Wandel“ gekommen?
Daniel Schwarzenberger: Die zunehmende Ökonomisierung des gesamten Gesundheitswesens verschiebt einen großen Teil der ursprünglichen Heil- und Gesundheitsberufe. So gesehen vom einstigen „Gesundmachen“ zu zahlengetriebenen Unternehmen. Ärzte und Kliniken stehen unter einem immer stärker werdenden Druck und werden regelrecht gezwungen, betriebswirtschaftliche Aspekte über medizinische Bedürfnisse zu stellen.
Unser System platzt langsam aus allen Nähten – die Thematik steigt immer höher und schneller auf der Agenda. Als Student habe ich vor fast genau 20 Jahren ein Praktikum in einem Fitnessstudio begonnen. 13 Jahre leitete ich ein Fitness- und Gesundheitsstudio. Daher kenne ich die vielen Gesichter von Prävention, Fitness und Gesundheit.
Daniel Schoon: Das Thema „Gesundheit im Wandel“ hat sich fast zwangsläufig ergeben. Wir sehen es häufig im Fitnessstudio: Menschen kommen nicht nur einfach zum Trainieren, sondern weil sie irgendwo durch das Gesundheitssystem gefallen sind. Ärztliche Versorgung wird knapper, Leidensdruck höher, Gespräche mit Ärzten kürzer, chronische Erkrankungen nehmen zu und die Qualität der Betreuung in der Gesundheit leidet spürbar.
Die klassischen Strukturen kommen oft nicht mehr hinterher und Prävention steht derzeit noch nicht genug im Vordergrund. Gerade deshalb braucht es neue Denkweisen und eben ehrliche Akteure, die Verantwortung ohne Lobbyismus übernehmen, und Fitness- und Gesundheitsanbieter können hier viel mehr leisten, als ihnen bisher zugetraut wurde.
BODYMEDIA: Wohin geht eure Reise und wie seht ihr die Entwicklung der Fitness- und Gesundheitsbranche in den kommenden Jahren?
Daniel Schwarzenberger: Als Botschafter möchte ich verstärkt Gesundheitswissen vermitteln. Ich selbst sehe mich als eine Art Bindegliedt zwischen Wissenschaft und Praxis. Folgende Fragen sollten vorrangig beantwortet werden: Wie groß ist die Baustelle Gesundheitssystem momentan wirklich? Wie schaffen wir es beispielsweise, den Fachkräftemangel und dessen Herausforderungen nachhaltig zu meistern? Was sind die aktuell echten Bedürfnisse der Mitarbeitenden in unseren Gesundheitsberufen?
Daniel Schoon: Unsere gemeinsame Reise verfolgt auch mein Ziel, mehr Gehör und Anerkennung für Fitness als festen Bestandteil der Gesundheitsversorgung zu erhalten. Mit dem Projekt ‚Mehr Gesundheit für Deutschland‘ setzen wir ein klares Zeichen für Prävention, Aufklärung und systemrelevantes Muskeltraining. Die Zukunft gehört denen, die Gesundheit ganzheitlich denken – und Fitness verdient endlich den Platz, der ihr zusteht.
BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview.
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