Digitalisierung

Der Einsteigerguide für die Nutzung von KI im Praxisalltag

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Von der digitalen Terminplanung bis zur intelligenten Trainingsanalyse – künstliche Intelligenz (KI) hält Einzug in den Praxisalltag. Doch wie gelingt der Einstieg? Unser Einsteigerguide und konkrete Beispiele zeigen, wie Physiotherapiepraxen KI sinnvoll und sicher nutzen können.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Künstliche Intelligenz kann Praxisabläufe vereinfachen, Therapieprozesse unterstützen und Patienten aktiv einbinden. Sie ersetzt den Therapeuten nicht, sondern dient als hilfreiches Werkzeug.
  • Offenheit, ein Grundverständnis für KI und eine stabile digitale Basis sind entscheidend. Einfache Tools wie ChatGPT eignen sich gut, um erste Erfahrungen zu sammeln und Routineaufgaben zu automatisieren.
  • Mitarbeiter sollten in den KI-Einsatz eingebunden werden, um Akzeptanz und Kompetenz zu fördern.
  • Sensible Daten dürfen nicht in offene Systeme eingegeben werden. Der Schutz von Patientendaten hat oberste Priorität.

Chronischer Zeitdruck, steigende Bürokratie, Fachkräftemangel – viele Praxen stehen vor strukturellen Herausforderungen. Gleichzeitig wächst der Wunsch nach evidenzbasierter, personalisierter und patientenzentrierter Versorgung. Zusätzlich stehen tiefgreifende Veränderungen durch die stetig wachsenden Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz an.

Schon jetzt ist klar, dass kein Weg mehr an künstlicher Intelligenz vorbeiführt. Es stellt sich nun nur noch die Frage, wie schnell sich Unternehmer mit dem Thema vertraut machen und wie intensiv sie KI einsetzen möchten, denn künstliche Intelligenz kann in der Physiotherapie ein Werkzeug sein, um Arbeitsabläufe zu optimieren, Therapieprozesse zu begleiten und Patienten aktiv einzubinden – ohne gleichzeitig den Therapeuten zu ersetzen. Im ersten Schritt geht es also darum, die Angst vor der KI abzulegen.

Der erste Schritt: Offenheit und Grundverständnis

Wer KI als unterstützendes Tool und nicht als Bedrohung begreift und die Möglichkeiten und Grenzen der Technologie kennt, kann bewusst entscheiden, wo der Einsatz sinnvoll ist – und wo nicht.

Als Praxisinhaber sollte man sich daher zuerst einmal fragen, ob man ein Grundverständnis davon hat, was KI leisten kann – und was nicht. Hier lohnt sich ein Blick in unseren Artikel auf den Seiten 20-23, wo wir analysieren, was KI Stand heute in der Physiotherapie leisten kann. Darauf aufbauend gilt es zu prüfen, welche KI-Tools wie Kalender, Terminportale oder Formulargeneratoren bereits im Einsatz sind.

Da eine stabile digitale Basis essenziell ist, gilt es in einem weiteren Schritt die Infrastruktur zu prüfen. Dazu gehören funktionierende und moderne Geräte (PC, Tablet, Smartphone), eine sichere und schnelle Internetverbindung sowie datenschutzkonforme Software, sichere Passwörter und aktuelle Updates. Sind die Grundlagen gelegt, kann über mögliche Anwendungsfelder nachgedacht werden.

Den einfachsten Zugang zum Thema KI bieten Anwendungen wie ChatGPT oder Gemini. Sie lassen sich in bestehende Systeme integrieren, sind meist kostenlos und versprechen eine intuitive Nutzung. Mit diesen Anwendungen bekommt man ein Gefühl dafür, welche Möglichkeiten KI bietet.

Als Einstieg kann man sich einfach Textvorschläge z. B. für ein Anschreiben an Ärzte oder Patienten oder aber Geburtstagskarten und eine Agenda für das nächste Team-Meeting generieren lassen. Sucht man schnell eine Information, ist es oft schneller, ChatGPT zu fragen, als sich bei Google durch mehrere Seiten zu klicken. So bekommt man ein erstes Gefühl für eine aktive Arbeit mit KI-Anwendungen.

Hat man diesen Einstieg geschafft, kann man über Einsatzmöglichkeiten in der Praxis nachdenken und gezielt Anwendungen auswählen, die das bieten, was man braucht. Gerade fürs Praxismanagement haben wir bereits viele Möglichkeiten zusammengestellt, wo KI den Praxisalltag erheblich vereinfachen kann. Dazu sei noch einmal auf den oben genannten Artikel verwiesen.

Persönlichen digitalen Assistenten schaffen

Wer sich für passende Anwendungen entschieden hat, spart nicht nur viel Zeit, sondern gehört sicherlich auch schon zu den fortschrittlichen Praxen. Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Wer noch weiter gehen möchte, kann sich einen persönlichen KI-Assistenten bauen, der die eigene Arbeit strukturiert und viele Routineaufgaben automatisiert übernimmt.

Während sich ChatGPT in der Basisvariante nicht mehr daran erinnert, welche Datei man ihm vor 2 Wochen hochgeladen hat, können KI-Assistenten nach den eigenen Wünschen gestaltet werden. So könnte man sich z. B. einen Helfer im Bereich Produktivität oder Projektmanagement erstellen, der z. B. hilft, die Aufgaben des Tages zu strukturieren, Besprechungsprotokolle erstellt oder Zeitpläne generiert.

Oder aber einen Marketingassistenten, der anhand passender Vorgaben Social-Media-Postings erstellt, mit hilfreichen Formulierungen bei Kundenbeschwerden unterstützt oder Präsentationen für die Mitarbeiter gestaltet. Für evidenzbasiert arbeitende Praxen könnte auch ein Assistent gebaut werden, der aktuelle Forschungsergebnisse zu Therapiemethoden zusammenfasst. Die Anwendungsmöglichkeiten in der Physiotherapie sind enorm.

Mit etwas Übung kann man solch einen Assistenten in etwa 20 Minuten erstellen. Der einfachste Weg hierfür ist das Gespräch mit der KI selbst. Im Chat kann der KI beschrieben werden, welche Persona gewünscht ist. Wer eher Werbetexte möchte, kann ihr z. B. die Identität eines Marketingspezialisten zuweisen. Wer hingegen einen persönlichen Assistenten zur Aufgabenplanung braucht, gibt ein: „Du bist mein persönlicher Assistent“.

Daraufhin wird die KI verschiedene Vorschläge machen, wie sie weiter spezialisiert werden kann. Da werden dann Hinweise wie Zielgruppe, Kanäle oder Leistungen abgefragt. So kann der Assistent geschärft werden. Wenn alles passt, kann auf Grundlage dieser Daten eine „Persona“ für die KI erstellt werden, deren Rolle sie einnimmt.

Zusätzlich können eigens erstellte Beispiele hochgeladen werden, um der KI noch mehr Anleitung zu geben. Zu Beginn wird es sicherlich zu Fehlern des KI-Assistenten kommen. Daher ist es wichtig, „im Gespräch zu bleiben“ und weitere Informationen hinzuzufügen, um den KI-Assistenten weiter in die gewünschte Richtung zu entwickeln.

Die Mitarbeiter müssen mit an Bord sein

Es kann also durchaus auch unterhaltsam sein, sich mit dem Thema KI zu beschäftigen. Und selbst für wenige Technikaffine ist der Zugang zur Technologie relativ einfach zu bewältigen. Auf zwei Dinge sollte man jedoch noch achten. Das ist zum einen der Datenschutz und zum anderen die Integration der Mitarbeiter.

Eine Draufsicht auf vier Personen, die an einem Holztisch sitzen und über einer Mind-Map diskutieren, die mit Post-its und Markierungen übersät ist. Im Zentrum der Mind-Map steht groß das Kürzel "AI". Über dem Bild liegt eine digitale Grafik-Ebene aus weißen Linien und Kreissymbolen, die verschiedene Technologie- und KI-Konzepte miteinander vernetzt darstellen und die strategische Planung im Bereich KI symbolisieren.Bevor KI-Anwendungen in die Praxis Einzug halten, sollte im Team darüber gesprochen werden, wo KI entlasten kann, aber auch welche Fähigkeiten die Mitarbeiter brauchen, um diese zielgerichtet einsetzen zu können (Bildquelle: © InfiniteFlow – stock.adobe.com)

Letztlich kann KI nur dann sinnhaft im Unternehmen eingesetzt werden, wenn sie von allen Mitarbeitern verstanden und akzeptiert wird. Bevor KI-Anwendungen in die Praxis Einzug halten, sollte im Team darüber gesprochen werden, wo KI entlasten kann, aber auch welche Fähigkeiten die Mitarbeiter brauchen, um diese zielgerichtet einsetzen zu können.

Nach der Einführung sollte ein Fazit gezogen werden, wie die Arbeit mit der künstlichen Intelligenz funktioniert und wo eventuell nachgebessert werden muss. Wer sich selbst etwas schwertut, die Möglichkeiten von KI einzuführen, kann interessierten Mitarbeitern diese Aufgabe übertragen.

Zudem haben die Mitarbeiter möglicherweise schon selbst intensive Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz gemacht und können eigene Ideen einbringen bzw. den Praxisinhaber bei der Einführung unterstützen sowie als Ansprechpartner für die Kollegen fungieren. Wenn Praxisinhaber mit einem offenen Blick auf die Möglichkeiten von KI vorangehen, werden ihre Mitarbeiter sie auf dem Weg begleiten – wer eher verschlossen ist, wird es nicht schaffen, seine Mitarbeiter für die Technologie zu begeistern.

Datenschutz nicht vergessen

KI braucht Daten. Doch diese müssen sicher sein. Daher sollte man darauf achten, keine sensiblen Patientendaten in offene KI-Chats einzugeben, nur Software zu verwenden, die DSGVO-konform ist, und sich im Zweifel Hilfe von Fachleuten zu holen.

KI dient als Werkzeug, nicht als Wunderwaffe

Künstliche Intelligenz ist kein Allheilmittel – aber ein wertvolles Werkzeug, wenn sie gezielt, sicher und praxisnah eingesetzt wird. Selbst für wenig Technikversierte ist der Einstieg leicht zu schaffen und kann dem Unternehmen vollkommen neue Möglichkeiten bieten.

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Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Er war von 2015 bis 2023 Chefredakteur der BODYMEDIA Fachmagazine. 2017 etablierte er mit der BODYMEDIA Physio ein Business-Magazin im Physio-Bereich. Nach einer etwa einjährigen Pause als Leiter eines therapeutischen Fitnessstudios kehrte er 2024 als Stellver. Chefredakteur zur BODYMEDIA zurück. 

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