Best Practice

Effektive Methoden zur Mitarbeiterbindung in der Fitnessbranche

Am Beispiel des Herstellers für fotografische Ausrüstung Kodak und seiner eigenen dualen Ausbildung im Fitnessstudio zeigt unser Gastautor Till Pitschel, wie man die Mitarbeiterbindung verbessern kann.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Fehlt den Mitarbeitern die Begründung oder der Sinn hinter ihrer Tätigkeit, zeigen sie weniger Engagement oder kehren ihr ganz den Rücken.
  • Es ist also sinnvoll, sich die Zeit zu nehmen und zu erklären, warum die Aufgaben wichtig sind und welchen Sinn sie haben.
  • Indem man dem Personal die eigene Perspektive aufzuzeigt, echtes Engagement zuzulässt und interne Aufstiegschancen ermöglicht, bindet man seine Mitarbeiter langfristig.

Die deutsche Fitnesswirtschaft dient der Gesunderhaltung der Bevölkerung wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig (dibdib, 2022). Das Streben nach körperlicher und mentaler Fitness ist aus dem öffentlichen Leben und den Social-Media-Plattformen nicht mehr wegzudenken und die Branchenführer erweitern ihre Geschäftsbereiche ein ums andere Jahr.

Für mich persönlich steht Fitness für das intrinsische Bedürfnis der eigenen Weiterentwicklung wie keine andere Sportart. Und genau wie man im Fitnesstraining hin und wieder externe Reize benötigt, um sich selbst zu verbessern, so möchte ich mit dieser Artikelserie externe Reize setzen, an denen sich die Branche zur stetigen Weiterentwicklung orientieren kann.

Viele Branchen machen sich die Prozesse aus anderen Industrien zunutze, um selbst bessere Ergebnisse zu erzielen. Warum also nicht auch die deutsche Fitnessindustrie? Auf dem Weltmarkt gibt es viele Unternehmen, die entweder einzelne Prozesse oder ganze Geschäftszweige herausragend meistern. Um diesen Lernprozess einzuleiten, beschäftigt sich der heutige Artikel mit Kodak Eastman und der Bindung von Mitarbeitern an das eigene Unternehmen. 

Mitarbeiterfluktuation in der Fitnessbranche

Sich diesem Thema zu nähern ist aus Sicht der Datenlage nicht ganz einfach. Schaut man sich die nackten Zahlen an, so hat die Branche seit Pandemiebeginn knapp 30 % an Mitarbeitern verloren. Der größte Teil davon waren Honorarkräfte bzw. geringfügig Beschäftigte (DSSV, 2021). Außerdem wissen wir durch die Erhebungen des DSSV, dass ca. 43 % der Studios mehr als zwei duale Studenten und 51 % der Studios mindestens einen Auszubildenden haben.

Wie hoch die Fluktuation bei diesen Beschäftigungsverhältnissen ist, wollten weder DHFPG noch IST auf Anfrage mitteilen, weshalb sich hier ein Beispiel aus der Praxis anbietet: Mein Studium zur Fitnessökonomie begann im Oktober 2015. Zum Start des ersten Semesters waren wir 30 Studierende, den Abschluss gemacht haben ca. die Hälfte. Ich selbst habe in der Zeit des dualen Studiums dreimal den Arbeitgeber gewechselt, bin der Branche allerdings erhalten geblieben. Vielen meiner Kommilitonen ging es damals ähnlich, die wenigsten hatten durchweg denselben Ausbildungsbetrieb.

Hier soll niemandem die Schuld zugewiesen werden, vielmehr geht es darum, eine gute Lösung zu finden. Hier kann das Beispiel Kodak Eastman helfen.

Der Blick über den Tellerrand: Kodak Eastman

Der Kamerahersteller Kodak sticht bei der Recherche nach Unternehmen mit außerordentlicher Mitarbeiterbindung meilenweit hervor. Auch wenn die „goldenen Jahre“ von Kodak inzwischen vorüber sind, weist der Konzern einen durchschnittlichen Mitarbeiterverbleib von 20 Jahren auf. Zum Vergleich: Bei Amazon bleiben Mitarbeiter im Schnitt unter einem Jahr im Unternehmen (Payscale Inc., 2021).


Auch wenn die „goldenen Jahre“ von Kodak inzwischen vorüber sind, weist der Konzern einen durchschnittlichen Mitarbeiterverbleib von 20 Jahren auf (Bildquelle: © Birgit Reitz-Hofmann - stock.adobe.com)

Der amerikanische Autor Rick Watzman sieht kein Geheimnis hinter Mitarbeiterloyalität. Er behauptet: „Die Mitarbeiter von Kodak waren loyal, weil George Eastman (CEO) loyal war“ (Watzmann, 2017).

Doch dahinter steckt mehr. George Eastman war ein Pionier, bezogen auf Arbeitgeberleistungen, die über den Gehaltsscheck hinausgingen. So hat Eastman Unternehmensaktien weit unter Wert an die eigenen Angestellten verkauft, war einer der Pioniere, was die Lohnfortsetzung bei krankheitsbedingtem Ausfall betrifft, ermöglichte seinen Angestellten Wohnraum, eröffnete Arbeitsunfähigkeitsversicherungen für seine Mitarbeiter und College-Fonds für deren Kinder.

Damit nicht genug, er initiierte auch eine Kodak-Eastman-interne Krankenversicherung und Betriebsrente. Mit all diesen Programmen war George Eastman ein absoluter Vordenker (McKissen, 2017). Die meisten dieser Privilegien genießen Arbeitnehmer heute ohnehin schon durch staatliche Strukturen und dennoch gibt es sowohl kreative als auch konservative Möglichkeiten, Mitarbeiter an sich zu binden. Der heutige Artikel soll zeigen, wie Mitarbeiterbindung in der Fitnessbranche aussehen könnte. 

Die Frage nach dem Warum

Einer der erfolgreichsten TED-Talks aller Zeiten, „Start with Why“ (Sinek, 2009), dreht sich um genau diese Frage. Und auch andere Autoren, wie  zum Beispiel Rolf Dobelli, stellen diese Frage ins Zentrum der Loyalität. Während Sinek in seinem Vortrag das „Warum“ als Quelle der Inspiration ansieht, geht Dobelli so weit zu sagen, dass wir Menschen süchtig nach einer Begründung sind (Dobelli, 2012).

Fehlt uns die Begründung, warum wir etwas tun, oder wir erkennen den Sinn hinter dieser Tätigkeit nicht, kehren wir ihr schnell den Rücken. Oder schlimmer noch – lehnen sie sogar ganz ab.


Meetings und Teamevents sind keine Zeitverschwendung, sondern können für Feedback und die Weitergabe aktueller Informationen genutzt werden (Bildquelle: © fizkes - stock.adobe.com)

Wollen wir als Studiobetreiber oder -leitung unsere Mitarbeiter gut führen, ist es sinnvoll, sich die Zeit zu nehmen und zu klären, warum die Aufgaben wichtig sind und welchen Sinn sie haben. Dadurch, dass man seine Mitarbeiter bei der Prozessausführung in das „Warum“ des Prozesses einweiht, haben sie die Chance, dem wörtlichen Sinne von „Mitarbeiter“ zu entsprechen.

Wer über Prozesse nachdenkt und diese aktiv gestalten kann, der führt nicht nur aus, sondern arbeitet mit. Seinem Personal diese Perspektive aufzuzeigen, echtes Engagement zuzulassen und interne Aufstiegschancen zu ermöglichen, bindet Mitarbeiter langfristig.

Meetings und Teamevents sind keine Zeitverschwendung

Während meiner Zeit als Studioleitung hatte ich mit meinem Team eine Stunde pro Woche nur für uns. Unserem Geschäftsführer missfiel dies zu Beginn, weil er es nicht als wertschöpfend ansah. Ich bin bis heute allerdings der Meinung, dass diese Meetings enorm wichtig für unseren Teamerfolg waren. Wir haben nicht nur die wichtigsten Kennzahlen mit allen Festangestellten und Studenten/Azubis besprochen, wir haben uns auch über einzelne Kunden und bevorstehende Kündigungen unterhalten. 

In mindestens einem Meeting im Monat habe ich auch von allen aus dem Team Feedback zu den einzelnen Fitnesstudioprozessen eingefordert und meinem Team selbiges Feedback gegeben. Diese Art der Kommunikation hat es uns möglich gemacht, unsere Prozesse so anzupassen und auszurichten, dass jeder, der damit arbeitete, verstand, warum es wichtig ist, diese Prozesse zu befolgen und aktiv darüber nachzudenken, welcher Aspekt noch besser sein könnte.


Meetings und Teamevents sind keine Zeitverschwendung, sondern können für Feedback und die Weitergabe aktueller Informationen genutzt werden (Bildquelle: © nenetus - stock.adobe.com)

Durch die Besprechung der Kennzahlen und Quoten konnten wir auch für alle im Team herausarbeiten, wer in welchem Bereich den größten Mehrwert liefert, und diese Stärken entsprechend nutzen. Durch die erzielten Erfolge und das hohe Maß an Kommunikation waren wir als Teammitglieder auch abseits der Arbeit in engem Kontakt und wir freuten uns auf jede Fortbildung, jedes Seminar oder jede Promotion.

Teamevents müssen nicht immer ein Escape-Room, eine Lasertag-Arena oder ein Abendessen sein. Bei guter Teamchemie sind auch Events, die in direktem Bezug zur Arbeit stehen, teamfördernd.

Motivation und Geld

Eine der führenden Theorien zur Arbeitnehmermotivation ist die Anreiz-Beitrags-Theorie (Simon & March, 1958). Diese besagt, dass Mitarbeitende ständig den von ihnen geleisteten Beitrag mit den Anreizen der Unternehmung, für die sie tätig sind, vergleichen. Das bekannteste Beispiel dafür sind das Gehalt und eventuelle Bonus- oder Provisionszahlungen. Mitarbeitende vergleichen ständig, ob die gezahlten Bezüge noch zu der von ihnen erbrachten Leistung passen oder nicht.

Doch die rein monetäre Motivation birgt ein ähnliches Risiko wie die Strategie der Preisführerschaft auf dem heimischen Markt: Kommt ein besseres Angebot, besteht bei rein monetär motivierten Mitarbeitern ein hohes Fluktuationsrisiko.

Ähnlich sieht es bei Prozessen innerhalb des Arbeitsalltags aus. Mitarbeiter, die durch aufgeblähte Boni zu mehr Arbeit motiviert werden, tendieren dazu, nur noch dann ihr Bestes zu geben, wenn der Mehraufwand auch entsprechend vergütet wird. Auch hier möchte ich ein Beispiel aus meiner Zeit als dualer Student anführen: 

Während meines Studiums gehörten neben der Trainingsbetreuung und dem Verkauf von Mitgliedschaften auch Werbung und Promotion zu meinen Aufgaben. Das Verteilen von Flyern in der Wiesbadener Innenstadt war von allen Promotions die unbeliebteste Akquisemethode unter uns Studenten. Retrospektiv betrachtet war dies eine sinnvolle Aufgabe und ein wichtiger Schritt, um kommunikativ besser zu werden und so das eigene Angebot richtig zu platzieren. Doch damals wollte niemand von uns diese Aufgaben erledigen und die Ergebnisse waren dementsprechend schlecht.

Also lockte unser Studioleiter hin und wieder damit, dass wir bei einer gewissen Anzahl an terminierten Probetrainings sofort Feierabend bekämen und dennoch den vollen Tag anrechnen lassen konnten. Zu Beginn zeigte die Maßnahme die gewünschte Wirkung: Jeder einzelne Student war hoch motiviert, neue Interessenten zu gewinnen, um so vor allen anderen Feierabend machen zu können. Denn eins war klar: Nur der Erste bekam den Bonus.

Rief unser Studioleiter den ersehnten Feierabend-Bonus nicht aus, so blieb unser Engagement weitestgehend aus. Also wurde es zur Regel, dass immer der Erste mit einer vollen Liste an Probetrainings früher gehen durfte.

Als der erste Student auf die Idee kam, Telefonnummern von Freunden und Bekannten einzutragen, um seine Liste möglichst schnell vollzumachen, war die Idee der Promotion gegen Feierabend torpediert. Im Team herrschte schlechte Stimmung und Konkurrenzkampf um den Bonus, die erhofften Neukunden blieben aus und unser Studioleiter hatte eine größere Aufgabe als zuvor. 

Fragt man mich heute, haben wir uns als Studenten in dieser Situation unserem Arbeitgeber gegenüber unmöglich verhalten. Aus damaliger Sicht fühlten wir uns keineswegs im Unrecht. Wir verstanden den Sinn von stundenlangem Flyer-Verteilen schlicht nicht und waren ausschließlich auf unseren Vorteil bedacht. Bei besonders widrigen Umständen (Kälte, Regen etc.) hatten wir sogar das Gefühl, diese Aufgabe sei eine Strafaufgabe, die es abzusitzen gilt.

Fazit

Die Belegschaft der Fitnessindustrie besteht zu 13 % aus dualen Studenten (DSSV, 2022). Der DSSV erhebt zwar keine Daten zum Durchschnittsalter der Mitarbeiter in der Fitnessbranche, schätzt dieses allerdings auf Anfrage als sehr jung ein. Junge Menschen brauchen Führung und wollen einen Sinn in ihrer Tätigkeit erkennen.

Schafft man es, als engagierte Führungskraft seine Belegschaft mitzureißen und ihnen sowohl Verantwortung als auch Perspektive zu übertragen, kann man die Fluktuation in diesem Bereich sehr erfolgreich senken. 

Bildquelle Header: © Andrew - stock.adobe.com
Textquelle 1: dibdib. (2022). Branchennews. Von dibdib: www.dibdib.de/branchennews/gesundheit-braucht-fitness/ abgerufen
Textquelle 2: Dobelli, R. (2012). Die Kunst des klugen Lebens. München: Calr Hanser Verlag.
Textquelle 3: DSSV. (2022). Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft 2022. Hamburg: DSSV.
Textquelle 4: McKissen, D. (5. Juli 2017). CNBC. Von CNBC: www.cnbc.com/2017/07/05/how-kodak-created-loyal-employees-commentary.html abgerufen
Textquelle 5: Payscale Inc. (10. Dezember 2021). Company Comparison. Von Payscale: www.payscale.com/data-packages/employee-loyalty/company-comparison abgerufen
Textquelle 6: Simon, H., & March, J. (1958). Organizations. New York: Sage Publications Inc.
Textquelle 7: Sinek, S. (29. September 2009). Start With Why - How great leaders inspire action. Von Youtube: www.youtube.com/watch abgerufen
Textquelle 8: Watzmann, R. (2017). The End of Loyalty. The Rise and Fall of Good Jobs in America. New York: Public Affairs.

Der Autor

  • Till Pitschel

    Till Pitschel ist Personal Outdoor Coach, ehemaliger Studioleiter, Mitbegründer von Studio Analytics und Podcaster. Mit seinem Software-Start-up ‚Studio Analytics‘ versuchen er und sein Team, die Mitgliederbindung signifikant zu verbessern und der Branche zu mehr Krisensicherheit und Vertrauen zu verhelfen. Mehr Informationen zur automatisierten Fluktuationsanalyse von Studio Analytics unter: 
    www.studioanalytics.co/try

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