Krafttraining für Kinder

Info-Abend der Turnerschaft Bergisch Gladbach mit Sportwissenschaftler

Im Mittelpunkt eines Vortrages von Diplom-Sportwissenschaftler Sebastian Gehlert vom "Institut Kreislaufforschung und Sportmedizin" der Sporthochschule Köln stand das Thema "Ist Krafttraining für Kinder und Jugendliche gesund oder schädlich?". Eingeladen hatte die Turnerschaft Bergisch Gladbach.Dies berichtete die Online-Ausgabe des Kölner Stadtanmzeigers.

Um das Wichtigste vorweg zu nehmen: Krafttraining ist auch für Kinder und Jugendliche gesundheitsfördernd und hat eine positive medizinische Wirkung - wenn es richtig ausgeübt wird. Bis zu diesem Fazit breitete Gehlert eine Fülle an Forschungsergebnissen aus, um aufzuzeigen, was jugendliche Kraft-Trainierer von erwachsenen unterscheidet und auch, was er unter "richtig gemacht" versteht. "Nur Belastung bewirkt, dass sich die Systeme anpassen", sagte Gehlert, der in der Abteilung für molekulare und zelluläre Sportmedizin arbeitet. Er wurde auch gleich ein bisschen wissenschaftlich: "Durch die Belastung produziert der Zellkern Baupläne", erklärte er, "aufgrund derer Aminosäuren aneinander getackert und zum Protein werden." Ohne Belastung keine Veränderung - und auch keine neuen Muskelzellen. Das ist wichtig, schließlich geht es nicht um die Optik von dicken Muckis, sondern um Fakten wie den, dass in Deutschland über die Hälfte der Grundschulkinder bereits Haltungsschäden hat.

Experten führen als Argument gegen Krafttraining häufig die „noch aktive Epiphysenfuge“ an, jener Teil des Knochens, über den das Längenwachstum möglich wird, und der sich erst im Alter von etwa 19 Jahren schließt. Horrorvisionen von brechenden Epiphysenfugen beim Krafttraining bezeichnet Gehlert als Unfug: "Die Belastung, die da einwirken muss, ist extrem hoch. Da müssten schon massive Gewichte in unkontrolliertem Maß gestemmt werden." Zu beachten sei indes der veränderte Hormonhaushalt bei Jugendlichen. So schieße gerade bei Jungs in der Pubertät der Testosteronspiegel in die Höhe und sorge für eine Erhöhung der Muskelmasse. Auf der anderen Seite sei jedoch die Knorpelbelastbarkeit noch gering.

Ein weiteres Problem bei Jugendlichen ist laut Gehlert das Längenwachstum, das manchmal in rasanten Schüben erfolge. "Für die Jugendlichen ist es dann oft schwierig, die Rumpfpartie unter Kontrolle zu halten", erläuterte der Sportwissenschaftler. Zusammengefasst: Der Körper wächst, er hat Schwachstellen, aber er braucht zwingend Belastung, um Muskeln, Knorpel, Knochen und Sehnen aufzubauen, die den Bewegungsapparat stützen, ohne ihm dabei zu schaden.

Jowa Bacher, Leiter des Jugend-Fitnessstudios der Turnerschaft, sieht sich bestätigt. Bei ihm trainieren viele Jugendliche auf ärztlichen Rat wegen Haltungsschäden oder Übergewicht. Es müssten noch viel mehr sein, meint er, doch "das Thema Gesundheit ist nicht so wahnsinnig cool für Jugendliche". Sixpack und Bizeps hingegen sind cooler. Doch auf diese Ebene will sich Bacher nicht begeben. Seinen Jungs und Mädchen sagt er: "Nicht der dicke Bizeps ist es, sondern eine gute, aufrechte und stolze Haltung." Dagegen können auch Eltern und Sportlehrer kaum etwas einwenden.

Fitness-Ökonomin Christiane Freitag (r.) und Felicitas Linke (13) im Fitnessstudio der Bergisch Gladbacher Turnerschaft. (Bild: dino)

Der Autor

  • Constantin Wilser

    Constantin Wilser ist seit 2006 in der Fitnessbranche als Redakteur tätig. Davor absolvierte er sein Bachelor-Studium der Sportwissenschaften am KIT in Karlsruhe. Seit 2019 ist er Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktionsteams. Seit Anfang 2023 ist er Chefredakteur. In seiner Freizeit trainiert der Fußball-Fan gerne im Studio, geht laufen oder fiebert im Fußball-Stadion mit.