Wissenschaft

Hüft-OP oder Physiotherapie – welche Methode ist wirkungsvoller?

OP oder Physiotherapie? Eine Frage, die Schmerzpatienten, Therapeuten und auch Forscher beschäftigt. In diesem Artikel betrachten wir deshalb eine Studie, die beide Optionen – OP und Physiotherapie – bei Patienten mit einem femoroacetabulären Impingement untersuchte. Welche Resultate hierbei zum Vorschein kamen und was sich daraus ableiten lässt, lesen Sie hier.

Obwohl weniger als 25 % der Menschen mit einem femoroacetabulären Impingement (FAI) unter Schmerzen im Hüftbereich leiden, kann ein symptomatisches FAI (auch als femoroacetabuläres Impingement Syndrom – kurz FAIS – bezeichnet) erhebliche negative Auswirkungen auf die Aktivitäten des Alltags und im Sport haben. Bisher sind Physiotherapie und Aktivitätsmodifikation die Hauptbehandlungsmethoden der symptomatischen FAI, jedoch wird die arthroskopische Chirurgie immer häufiger eingesetzt, um die Hüfte zurechtzurücken und Schäden an Labrum und Knorpel zu korrigieren. Das primäre Behandlungsziel ist die Verbesserung von Schmerz und Funktion. Eingriffe, die den Kontakt zwischen Oberschenkelhals und Hüftgelenkspfanne verändern, können später das Risiko von Arthrose, Knorpel- und Gelenkschäden sowie die Notwendigkeit einer zukünftigen Hüftarthroplastik reduzieren.

Obwohl die Rate der chirurgischen Eingriffe bei FAIS nun drastisch gestiegen ist, fehlen bisher Belege für die Überlegenheit dieser arthroskopische Hüftoperation gegenüber einer nicht-invasiven Versorgung. Die im April veröffentlichte Studie, die hier betrachtet wird, ist erst die dritte, die über einen solchen Vergleich berichtet. 

 

Das Ziel von vielen jungen Patienten nach einer FAIS ist es, schnellstmöglich wieder zurück zum Sport zu kommen

 

Die Teilnehmer
Mehrere orthopädische Stationen in England rekrutierten die Teilnehmer der randomisierten, kontrollierten Studie. Insgesamt nahmen 222 Menschen zwischen 18 und 60 Jahren an der Studie teil, davon waren 66 % weiblich und der Altersdurchschnitt lag bei 36,2 Jahren. Alle Teilnehmer wurden in zwei gleich große Gruppen eingeteilt: in eine Physiotherapie- & Bewegungsmodifikations- und eine Operations-Gruppe. Voraussetzung für die Partizipation war ein klinischer und bildgebender Nachweis (MRT) für ein symptomatisches FAI. Personen, die innerhalb der letzten 12 Monate ein Physiotherapieprogramm gegen FAI abgeschlossen oder eine vorherige Operation an ihrer Hüfte erhalten haben, wurden von der Studie ausgeschlossen. Weitere Ausschlusskriterien waren Arthrose und Hüftdysplasie.

Wie wurde vorgegangen?
Die Physiotherapie- & Bewegungsmodifikationsgruppe 
Um die Behandlung zu standardisieren, erhielten die teilnehmenden Physiotherapeuten Informationen über das Studienprotokoll und die Trainingseinheiten. Das Programm wurde auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten und den gewünschten Funktionsumfang zugeschnitten, wobei der Schwerpunkt auf der Muskelkräftigung zur Verbesserung der Rumpfstabilität und Bewegungskontrolle lag. Diese Sitzungen fanden durchschnittlich sechs Mal statt, die ausgeführten Übungen sollten auch regelmäßig Zuhause ausgeführt werden. Dabei wurden die Teilnehmer aufgefordert, Impingement-Positionen (z. B. starke Hüftbeugungen, eine Abduktion und innere Rotationen) zu vermeiden.

Die Operations-Gruppe
Auch die Chirurgen standardisierten ihre Technik. Hierbei wurden der Oberschenkelknochen (Os femoris) und der Hüftknochen (Acetabulum), die intra-operativ zusammenstoßen, mit einem Grat (Osteochondroplastik) entfernt, um den Zusammenstoß bei einer Hüftbeugung und Innenrotationen zu vermeiden. Labralrisse wurden nach Möglichkeit korrigiert, Gelenkknorpelläsionen debridiert und in Bereichen, in denen der Knorpelverlust besonders ausgeprägt war, wurden eine Mikrofraktur des Knochens unterhalb des Knorpels durchgeführt. Die Teilnehmer erhielten außerdem eine post-operative Physiotherapie (vier Sitzungen), die als Routineversorgung angeboten wurde und sich auf die Aufrechterhaltung des Bewegungsumfangs konzentrierte. Hierbei wurden isometrische Übungen und Stretching ausgeführt, die den Körper nicht zu sehr belasten. Danach wurde allmählich zu einer sportbasierten Rehabilitation übergegangen, die insgesamt sechs Wochen andauerte. 

Tabellarischer Vergleich der Ergebnisse
Zusammenfassung der Ergebnisse im Bezug auf den HOS

Die Ergebnisse
Das wichtigste Ergebnis war das, des sogenannten „hip outcome score activities of daily living subscale“ – kurz HOS ADL –, welches sich acht Monate nach der Randomisierung abzeichnete. Es zeigte einem klinischen Mindestunterschied zwischen den Gruppen. Die Teilnehmer, die an FAIS leiden und mit einer arthroskopischen Hüft-OP behandelt wurden, berichteten von einem höheren HOS ADL Stand, verglichen mit den Personen der Physio-Gruppe. Nach Anpassung der Ausgangswerte HOS ADL, Alter, Geschlecht und Studienort betrug der durchschnittliche Unterschied zwischen den Gruppen 10 Punkte (von 0–100 Punkte) (siehe Abb.1). Man fand zudem heraus, dass der Unterschied innerhalb der Gruppen bei jüngeren Teilnehmern größer war. Dies lässt darauf schließen, dass die Vorteile einer Hüft-OP mit zunehmendem Alter abnehmen. Die sekundären Ergebnismessungen umfassten zusätzliche Patientenberichte (wie beispielsweise weitere Symptome und Informationen über die Lebensqualität und Art der Schmerzen etc.) und Ausgangsbefunde sowie eine klinische Bewertung.

Limitationen und Schlussfolgerungen der Studie
Man sollte nicht außer Acht lassen, dass diese Ergebnismessung nur eine Subskala des „hip outcome scores“ ist, der die Funktion bei alltäglichen Aktivitäten widerspiegelt, jedoch keinen Sport miteinbezieht. Viele Patienten, die einen Eingriff bei FAIS anstreben, sind jüngere Menschen, deren primäres Ziel die Rückkehr zum Sport ist. Während man die Daten für die HOS-Sport-Subskala erfasste, wurde das für jede Gruppe erreichte mittlere Maß nicht angegeben, sodass der Grad der verbleibenden sportlichen Einschränkungen unklar ist. Es ist auch wichtig, den Verlust der Teilnehmer an der achtmonatigen Neubewertung miteinzubeziehen. Hier sind es allein 20 % in der nicht-invasiven Gruppe und 11 % in der chirurgischen Gruppe, was zu Verzerrungen der Ergebnisse führt.

Ärzte und Physiotherapeut besprechen Röntgenbild einer Hüfte
Forscher fanden heraus, dass die Vorteile einer Hüftarthroskopie gegenüber einer nicht-chirurgischen Behandlung mit zunehmendem Alter abnehmen

Während die Ergebnisse als ein weiterer Erfolg für die Überlegenheit der chirurgischen Eingriffe für FAIS gewertet wurden, bleibt dies jedoch unklar, da es bei den nicht-chirurgischen Maßnahmen an Details mangelte. Mit nur sechs Sitzungen Physiotherapie, mit einem unbekannten Trainingsprogramm und einem unbekannten Grad an Konformität, erreichten nur 32 % der Teilnehmer eine klinisch bedeutsame Veränderung ihrer Leistungen im Alltag.

Wie bei den ersten beiden veröffentlichten Studien ist es unwahrscheinlich, dass ein physiotherapeutischer Eingriff ausreichend war, um die bekannten FAIS-bezogenen Beeinträchtigungen zufriedenstellend behandeln zu können. Qualitativ hochwertiges Last-Management und bewegungsbasierte Studien für Patienten mit FAIS sind derzeit im Gange und sollen mehr Klarheit darüber schaffen, was nicht-chirurgische Behandlungen leisten können. Weitere Forschungsarbeiten sind auch erforderlich, um klinische Leitlinien zu liefern, bei denen die Patienten den größten Nutzen aus einem chirurgischen Eingriff ziehen können.

Was ist jetzt besser für den Patienten, Physiotherapie oder eine OP?
Dies lässt sich leider nicht hundertprozentig beantworten. Auch bei dieser Frage müssen Ärzte, Therapeuten und auch Patienten individuell vorgehen. Die Entscheidung für einen chirurgischen Eingriff muss einem ausführlichen Gespräch zwischen Patienten und Chirurgen folgen, denn nicht alle Patienten profitieren von einer Operation.

 

Quellen
Grimaldi, Alison, “Arthroscopic hip surgery compared with physiotherapy and activity modification for the treatment of symptomatic femoroacetabular impingement: multicentre randomised controlled trial.” PHYSIO NETWORK, 27.5.2019. Web

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Die Autorin

  • Kira Kamrad

    Schon während ihres Anglistik- und Kunstpädagogikstudiums in Frankfurt arbeitete Kira Kamrad als Redakteurin für den Hessischen Rundfunk. 2018 zog es sie zurück in die badische Heimat. Seitdem ist sie ein festes Bestandteil des BODYMEDIA-Redaktions-Teams und schreibt unter anderem über Themen wie Design, Trends & Specials, wissenschaftlichen Themen und Management.

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