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Zielgruppe Kinder richtig ansprechen

Es ist nun wirklich keine neue Erkenntnis, dass sich Fitness-Clubs schwer damit tun, Kindern ein passendes Angebot zu machen, um sie so für sich zu gewinnen. Sie können nicht einfach in die Anlage marschieren und eine Mitgliedschaft unterzeichnen. Dabei sind sie so sehr auf Bewegung und Training angewiesen. Und häufig kann ihnen ihr Alltag diese nicht mehr in ausreichender Form bieten.

Über die Jahre wurden unterschiedliche Konzepte zur Arbeit mit Kindern getestet und in den meisten Fällen wieder verworfen. Warum? Meistens liegt es am dafür nötigen Aufwand sowie den fehlenden Personalressourcen. Um mit Kindern zu arbeiten, reicht es nicht, einen x-beliebigen Trainer zu nehmen, der gerade Zeit hat, und mit ihnen Sport zu machen. Es braucht jemanden, der sich für Kinder interessiert, sich in sie hineindenken kann, also eine echte Bezugsperson. Und das funktioniert in Einzelfällen sehr gut, kann aber häufig nicht beliebig in anderen Anlagen umgesetzt werden. 

Es ist Sport und keiner geht hin
Neben den Fitness-Anlagen bewerben sich auch Sport- und Tanzvereine um die Aufmerksamkeit der Kinder und natürlich steht ihnen auch die Natur mit all ihren Möglichkeiten offen. Bei Letzterer stellt sich nur die Frage, warum diese so häufig verlassen ist. Gleichzeitig schlagen Mediziner und Pädagogen Alarm und weisen darauf hin, dass viele Kinder starke motorische Defizite haben. Wie passen diese beiden Entwicklungen zusammen und was kann man tun, um ein attraktives und passendes Bewegungsangebot für Kinder zu schaffen?

 


Bewegung sollte für Kinder vor allem Spaß machen. Sie darf daher gerne spielerisch umgesetzt werden

 

Schauen wir uns erst einmal an, wie es um die Gesundheit und Motorik von Kindern bestellt ist und warum Bewegung für ihre Entwicklung so wichtig ist. Legt man allgemeine Empfehlungen zugrunde, dann brauchen Erwachsene 2- bis 3-mal pro Woche eine körperliche Belastung, um ihr Leistungsniveau in etwa zu halten. Bei Kindern sieht das etwas anders aus. Bei ihnen sind es etwa 2–3 Stunden Bewegung pro Tag, die empfohlen werden, um überhaupt eine körperliche Leistungsfähigkeit aufzubauen. Und wenn man sich Kinder anschaut, sieht man, dass das eigentlich kein Problem sein sollte, denn sie bewegen sich natürlich und freiwillig(!). Sie sind noch nicht von unserer natürlichen Einrichtung, dass Bewegung Leben bedeutet, abgekommen und haben sichtlich Freude am Rennen, Springen und Toben. Und sie werden gefühlt niemals müde dabei. Aktuellen Einschätzungen von Forschern und Ärzten zufolge zeigt sich allerdings ein differenziertes Bild. Sie gehen davon aus, dass jedes 10. Kind im Vorschulalter zu dick ist. Wie so häufig greifen wir einen Trend aus den USA auf, der dort bereits in den 1980er-Jahren einsetzte und sich nun auch bei uns zeigt. Da nicht alle Ergebnisse über den Teich hinweg transportierbar sind, hat die KiGGS-Studie bereits 2010 die Gesundheit von Kindern untersucht. 2018 wurden diese Ergebnisse mit der 2. Welle überprüft und aktualisiert. Untersucht wurden Kinder zwischen 3 und 17 Jahren. Die Erhebungen fanden im Zeitraum von 3 Jahren zwischen 2014 und 2017 statt. Ein großes Thema der ersten KiGGS-Welle war das Thema Übergewicht. Das ist es auch bis heute. Denn 15,4 % der Kinder im besagten Alter sind übergewichtig, beinahe 6 % sind sogar adipös. Neuere Untersuchungen zeigen noch drastischere Zahlen. Nach Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts sind 26 % der deutschen Kinder im Alter von fünf bis 17 übergewichtig. 10 % sogar fettleibig.

Drastische Zahlen: ¼ Viertel der Kinder zwischen 5 und 17 sind zu dick. 10 % sogar fettleibig

Das ist erst mal keine so gute Neuigkeit, allerdings hat sich dieser Wert in den letzten Jahren auf diesem Niveau stabil gehalten. Er ist nicht gestiegen, aber leider auch nicht gesunken. Das Problem dabei ist, dass aus dicken Kindern häufig dicke Erwachsene werden und aus adipösen Kindern häufig adipöse Erwachsene. Entwickelte sich die Adipositas bereits im Kindesalter, erschwert sich der Krankheitsverlauf in vielen Fällen. Wo es herkommt, ist relativ klar. Der Energieverbrauch und die Energieaufnahme stehen in einem Missverhältnis – oder es geht mehr rein, als verbraucht wird. Neben genetischen Faktoren sind es vor allem die Lebensumstände der modernen Gesellschaft, die das Problem der dickleibigen Kinder verstärken. Insbesondere energiedichte Lebensmittel und den Zugang zu diesen identifizieren die Forscher als problematisch. Hier besteht definitiv Aufklärungspotenzial bei Kindern und Eltern. Wichtig ist nicht nur, was die Kinder essen, sondern auch, was sie nicht essen. Hierzu gehören Gemüse und Obst. Zwar ist der Wert des Obst- und Gemüseverzehrs im Verhältnis zur ersten KiGGS-Welle gestiegen, trotzdem erreichen gerade einmal 14 % die Verzehrempfehlungen von 5 Portionen am Tag. Immerhin wird mehr Wasser als süße Getränke getrunken als noch bei der 2010er Erhebung. 

Auch das Sportverhalten der Kinder wurde untersucht und hier kommt die KiGGS-Studie zu dem Ergebnis, dass viele Kinder zwar Sport machen, aber nur etwa 90–180 Minuten pro Woche. Beziehen wir uns auf die jüngeren Kinder, dann haben wir gesehen, dass dies das Pensum für Sport und Bewegung am Tag sein sollte, damit eine gute Entwicklung für das Kind möglich ist. Entwicklung ist ein gutes Stichwort, denn neben der körperlichen werden zusätzlich die kognitive Entwicklung sowie Lernbereitschaft, Lernfähigkeit und das psychosoziale Wohlbefinden gestärkt. 

 


Eine positive körperliche Entwicklung wirkt fördern auf die kognitive Leistungsfähigkeit

 

Als Teilbereich der KiGGS-Studie werden die motorischen Fähigkeiten der Kinder im sogenannten Motorik-Modul (MoMo) untersucht. Und hier gibt es dann auch die ersten positiven Entwicklungen, denn auch wenn die Effekte gering (aber doch signifikant) sind, so zeigt sich doch eine Verbesserung der motorischen Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zur ersten KiGGS-Welle. Insbesondere die Kinder im Grundschulalter zeigen Verbesserungen. Das ist als positiv zu bewerten. Trotzdem ist das Niveau im Vergleich mit Kindern von vor 20 oder sogar 40 Jahren nach wie vor geringer. Das bedeutet, es gibt noch viel zu tun. Glücklicherweise zeigen sich am Markt einige Entwicklungen, die es der Fitnessbranche ermöglichen, hier unterstützend einzugreifen und es so endlich zu schaffen, Training mit und für Kinder als festen Bestandteil zu integrieren. Die erste wäre die beschriebene positive Entwicklung bei der Motorik. Diese wird mithilfe von unterschiedlichen körperlichen Übungen geprüft und eine Verbesserung lässt darauf schließen, dass verstanden wurde, wie wichtig Motorik für die Entwicklung eines Kindes ist, wenn sie entsprechend gefördert wird. Die andere ist, dass sich die Kinder zwar immer weniger bewegen, aber das organisierte Bewegen in Schule und vor allem Vereinen nimmt zu. Hier zeigt sich eine Entwicklung zur Institutionalisierung der Bewegung und davon können Fitness-Anlagen profitieren. Wer das schon gut umsetzt, ist das VITIS in Wiesbaden von Thomas M. Martin, das insbesondere in den Ferien Bewegungsprogramme für Kinderziehung zu den Kindern aufbaut. 

Es gibt schon gute Ideen für Fitness mit Kindern, die aber noch nicht flächendeckend umgesetzt werden

Wem die Gesundheit von Kindern ebenfalls am Herzen liegt, ist Patricia Andrew. Sie hat auch nach Möglichkeiten gesucht, das Thema Kinderfitness einfacher umsetzbar zu machen. Mit ihrem Programm „Kids Vital“ ist sie insbesondere an Grundschulen im Raum Bochum, Dortmund und Gelsenkirchen unterwegs und setzt sich für eine Verbesserung des Bewegungsverhaltens von Kindern ein. Um das erfolgreich tun zu können, arbeitet man bei Kids Vital eng mit den Schulen zusammen und versucht, Bewegung in den Schulalltag zu integrieren. Dabei geht es vor allem darum, den Kindern den Spaß an der Bewegung wieder in Erinnerung zu bringen, der in ihrem sitzenden Alltag oftmals verlorengegangen ist. Dafür wurden unterschiedliche Präventionsprogramme  entwickelt, die den Kindern genau das vermitteln sollen. Mit „kids4Yoga“ werden die Grundschüler an die positiven Wirkungen des Yoga herangeführt, „Timmi Fit macht fit“ ist eine präventive Rückenschule, fördert den Spaß an der Bewegung durch entsprechende Spiele und schafft ein erstes Bewusstsein für Themen wie Ernährung, Koordination, Teamfähigkeit sowie Selbstbewusstsein. Das namensgebende „kidsvital“ legt den Fokus auch auf die mentale Leistungsfähigkeit der Kinder in Schule und Alltag, indem gezielt die Konzentration und das Psychosozial- und Denkverhalten trainiert werden. Alle Programme werden von den Krankenkassen (in der Regel mit 80 %) gefördert. Dass das funktioniert, zeigt die Nachfrage, die kidsvital derzeit erfährt. Um das Konzept bundesweit auszurollen, können Fitness-Anlagen kidsvital als Lizenzprogramm erwerben und umsetzen.  

 

Quellen
www.sport.kit.edu/MoMo/downloads/FS_Hanssen-Doose_Kohortenvergleich_2017.pdf
www.kiggs-studie.de/ergebnisse/kiggs-welle-2/johm.html
Header: LIGHTFIELD STUDIOS - stock.adobe.com
Bild 2: LIGHTFIELD STUDIOS - stock.adobe.com
Bild 3: LIGHTFIELD STUDIOS - stock.adobe.com

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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