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Schwangere als Zielgruppe für Fitnessstudios

Es gibt kaum eine Zielgruppe, die Fitnessstudios noch nicht erschlossen haben. Für schwangere Frauen allerdings konnten sie bisher kein richtig passendes Angebot schaffen. Das sollte sich ändern, denn schwangere Frauen und junge Mütter sind durchaus eine interessante Zielgruppe für Fitnessstudios.

Vor knapp 10 Jahren entbrannte die erste große Kontroverse im Internet, ob Frauen im hochschwangeren Zustand noch Gewichte stemmen sollten. Angefacht wurde diese von der hochschwangeren Lea-Ann Ellison, die Bilder von sich beim Training mit schweren Gewichten veröffentlichte. Das löste eine Diskussion darüber aus, wie sicher das Training mit hohen Gewichten bei Schwangeren ist. Viele hatten Angst um die Gesundheit des Kindes, andere wiederum sprangen Ellison bei. Zwei Wochen später gebar sie ihr Kind und prägte den Satz: „pregnancy is not illness“, also wer schwanger ist, ist nicht krank.

Seitdem hat sich viel getan und man sieht häufiger schwangere Frauen, die schwer trainieren, um für die Geburt gut vorbereitet zu sein. Aber solche Kontroversen um die Belastbarkeit von Schwangeren gibt es nicht nur in den USA. Erst kürzlich fachte die 3000-Meter-Läuferin Gesa Krause eine Diskussion an, indem sie mit deutlich sichtbarem Schwangerschaftsbauch an einem Silvesterlauf in Trier teilnahm und eine ordentliche Zeit ablieferte.

Mehr schwangere Frauen trainieren in Fitnessstudios

Was lernen wir daraus? Früher war es Schwangeren beinahe verboten, sich zu viel zu bewegen, heute haben viele Frauen dieses Dogma überwunden und trauen sich mehr zu. Das hat durchaus auch Auswirkungen auf die Fitnessbranche, da sie sportliche Schwangere gut betreuen kann und sie mit Kursen und geführtem Krafttraining bis zur Geburt begleiten kann. Über den wissenschaftlichen Hintergrund von Schwangerschaft und Training haben wir mit der Sportwissenschaftlerin und Physiotherapeutin Paulina Ioannidou im Interview bereits gesprochen. Nun soll es darum gehen, warum die Zielgruppe der Schwangeren durchaus spannend für Fitnessstudios ist, diese allerdings noch sehr selten aktiv anspricht.

Der Weg zum schwangerenfreundlichen Fitnessstudio

Nach wie vor kündigen regelmäßig Schwangere ihren Fitnessstudiovertrag, wenn sie schwanger werden, da sie z. B. denken, weniger Zeit fürs Training zu haben, sich zu überlasten oder auch, um vorzeitig aus dem Vertrag herauszukommen. Zwar sind Fitnessstudiobetreiber nicht verpflichtet, die Kündigung anzunehmen, viele zeigen sich aber kulant und tun es trotzdem, um das Mitglied nicht zu verärgern und eine positive Stimmung für eine potenzielle spätere Geschäftsbeziehung zu schaffen. Wiederum andere Fitnessstudiobetreiber nehmen eine Klausel im Fitnessstudiovertrag auf, die das Thema Schwangerschaft regelt.


Der Vorteil eines Fitnessstudios ist sicherlich die Infrastruktur: Platz und Geräte sind in ausreichender Menge vorhanden (Bildquelle: © Syda Productions - stock.adobe.com)

Wer Mitglieder halten möchte, die schwanger sind, kann und sollte allerdings einen anderen Weg einschlagen. Das Fitnessstudio kann „schwangerenfreundlich“ ausgerichtet werden. Das betrifft neben der Geräteausstattung, die für Schwangere gut geeignet ist, vor allem die Trainer. Diese sollten in der Lage sein, mit der besonderen Situation ihrer Mitglieder umzugehen und, in Rücksprache mit den Schwangeren, eine Möglichkeit finden, wie gut trainiert werden kann. Das erfordert neben dem Interesse an dem Thema natürlich auch viel Einfühlungsvermögen und eine gute Ausbildung. Denn im Normalfall können Schwangere mit der richtigen Begleitung wie gewohnt trainieren gehen.

Es kann sich aber durchaus lohnen, Einzelbetreuung anzubieten, da die Wahrscheinlichkeit, dass ausreichend Mitglieder gleichzeitig schwanger sind, recht gering ist. Zudem kann es hilfreich sein, wenn die Kurse mit einem Hinweis versehen sind, dass sie für Schwangere geeignet sind.

Hoher Aufwand = hoher Ertrag?

Was aber bringt das nun? Der Aufwand ist ja recht hoch und der Fitnessstudiobetreiber muss für sich entscheiden, ob er das anbieten möchte. Es ist davon auszugehen, dass man mit einem schwangerenfreundlichen Angebot keine Neumitgliedschaften abschließt. Was möglich wird, ist, dass Schwangere nicht mehr frühzeitig kündigen oder ihren Vertrag ruhen lassen wollen, sondern weitertrainieren bis kurz vor der Geburt. Die Vertragspause wäre also kürzer.

Zudem ist es ein Imagegewinn, wenn man sich dieses Themas annimmt. Richtig spannend wird es dann bei der postnatalen Betreuung. Hier können in den Räumlichkeiten der Fitnessstudios Rückbildungskurse angeboten werden, die auch Frauen ohne Mitgliedschaft nutzen können.

Die Voraussetzung dafür ist, dass der Kurs von einer Hebamme oder einer Person mit physiotherapeutischer Ausbildung durchgeführt wird. Hier sind auch Kooperationen möglich, wobei die Erfahrung zeigt, dass insbesondere Hebammen leichte Vorbehalte gegenüber Fitnessstudios haben und die Kurse lieber in eigenen Räumlichkeiten durchführen. Hier sind dann Überzeugungskraft und die richtige Wortwahl entscheidend.

Und die Praxis hat gezeigt, dass es durchaus funktionieren kann. Physiotherapeuten sind möglicherweise die naheliegendere Wahl für Fitnessstudiobetreiber, vornehmlich dann, wenn bereits eine Physiotherapie angeschlossen ist.

Der Vorteil eines Fitnessstudios ist sicherlich die Infrastruktur. Es ist genug Platz vorhanden, wer sich umziehen möchte, kann das tun, und auch Geräte gibt es in ausreichender Menge, wenn denn überhaupt welche zum Einsatz kommen sollen. In den letzten Jahren haben sich die Kurse durchgesetzt, die gemeinsam mit dem Baby durchgeführt werden. Das stärkt die Bindung zwischen Neugeborenem und Elternteil und ist in der Praxis deutlich einfacher zu realisieren als ein Kurs für die Mutter alleine.

Hier kann dann auch die Brücke zum Fitnessstudio geschaffen werden. Gerade dann, wenn der Kurs von einem Mitarbeiter des Fitnessstudios durchgeführt wird, kann er auf die Vorteile des Fitnesstrainings hinweisen. Externe Kräfte werden das eher nicht tun. Das kann auch deshalb gut funktionieren, weil die Frauen sich über die Dauer des Kurses kennenlernen, gut verstehen und dann möglicherweise auch weiterhin gemeinsam zum Training gehen möchten. Den sozialen Aspekt sollte man daher nicht vernachlässigen.

Fazit

Schwangere sind durchaus eine spannende Zielgruppe für Fitnessstudios, wenn man bereit ist, etwas dafür einzusetzen. Dazu gehören gut ausgebildete Trainer, die richtige Art der Kommunikation und die Bereitschaft, auf Schwangere und später dann auch junge Mütter einzugehen. Kurzfristig kann das Thema das eigene Image stärken und die Ruhephasen eines Vertrags verkürzen. Auf lange Sicht können dankbare Mitglieder gewonnen werden, die wissen, dass Fitnessstudios Menschen in vielen Lebenslagen unterstützen können.

Bildquelle Header: © Syda Productions - stock.adobe.com

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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