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„Schon in den 80er Jahren gingen Fitnessstudios und Vereine getrennte Wege“

Claus Umbach war Zeit seines Lebens für Fitness und Bewegung in unterschiedlichen Richtungen aktiv. Vom eigenen Fitnessstudio über Verbände und Ausbildungsinstitutionen bis hin zur eigenen Zeitschrift bewegte er sich auf allen denkbaren Branchenparketts. Mit über 70 Jahren reist er mit uns noch einmal in die Vergangenheit der deutschen Fitnessbranche, insbesondere im Hinblick auf das Thema Vereine.

Das Wichtigste in Kürze:

  • 1983 eröffnete Claus Umbach sein Fitnessstudio in Baunatal. Das Angebot umfasste damals schon Fitness für Jedermann und wurde später auf den Gesundheitsbereich ausgeweitet.
  • Als langjähriger Funktionär in der Fitnessbranche beobachtete er ab Ende der 80er-Jahre die Spaltung von Vereins- und mittelständigen Fitnessstudios.
  • Grund dafür seien die verschiedenen Interessen der jeweiligen Organisationen und eine Entfremdung durch zu starken Selbstfokussierung gewesen.
  • Lediglich auf lokaler Ebene funktionierte die Zusammenarbeit von Vereinen und Fitnessstudios ganz gut.

BODYMEDIA: Claus, wie hast du die Anfangszeit der deutschen Fitnessbranche wahrgenommen?

Claus Umbach: Meine ersten Erfahrungen im Fitnessbereich stammen bereits aus dem Ende der 60er-Jahre. 1969 und 1970 war ich zu Studienpraktika in Hannover. Als leistungsorientierter Gewichtheber war ich immer auf der Suche nach passenden Trainingsmöglichkeiten.

In den Vereinen waren die Trainingsräume nicht offen, daher habe ich in einem der bis dahin noch rar gesäten Fitnessstudios in Hannover angefangen zu trainieren. Den Namen weiß ich noch, als wäre es gestern gewesen. Es hieß „Ullmanns Studio“ und war damals ein Begriff in Hannover.

Da ich Trainingspläne schreiben und exakte Techniken vormachen konnte, war ich dort äußerst willkommen. Nach dem Erstkontakt ließ mich das Thema Fitness nie wieder los. Weitere Recherchen in den 70er-Jahren führten mich dann u. a. nach England. In Bristol Downtown bspw. habe ich im Seitenflügel einer Kirche trainiert. Hier konnte ich die soziokulturellen Bezüge erfahren. Der Ingenieur trainiert gemeinsam mit dem Stahlarbeiter. Das war äußert interessant.

Ende der 70er-Jahre zog es mich dann in Richtung Bayern. Durch die Getriebe-Erfindung und das kreative Fertigen von Maschinen der Firma Schnell wurde ich ein begeisterter Anhänger dieser Trainingsmaschinen. Dazu gab es einige Studios im Raum München, die mit diesen Maschinen ausgestattet waren, bei denen ich hinter die Kulissen schauen konnte.  

Die Einrichtung des Sportstudio Baunatal zur Eröffnung

BODYMEDIA: Reifte dann hier auch schon die Idee, ein eigenes Fitnessstudio zu eröffnen?

Claus Umbach: Es sollte noch ein kleines bisschen dauern, aber nach ausgiebiger Planungs- und Bauphase war es dann so weit: Das Sportstudio Baunatal öffnete am 4. November 1983 seine Pforten. Wir hatten eine Halle mit einer Grundfläche von 700 qm gebaut und dort Umkleiden, Duschen, Toiletten, Trainingsfläche Geräte, Trainingsfläche Langhanteltraining und Gewichtheben, Sauna, Bistro mit Bierausschank und Sportshop untergebracht.

Besondere Vorschriften, wie was zu machen war, gab es damals nicht. Was uns aber ausgezeichnet hat, war, dass wir bereits 1983 Fitnesstraining für jedermann, sprich von jung bis alt, angeboten haben. Mit dem Wettbewerb musste man sich trotzdem schon beschäftigen. Es gab noch ein anderes Fitnessstudio in Baunatal, das sich mehr auf Bodybuilding konzentrierte und eine kleinere Fläche hatte.

BODYMEDIA: Wie ging es dann weiter?

Claus Umbach: Innerhalb von 5 Jahren verzeichneten wir mehr als 1.000 Mitglieder. Da wir nicht rückschreiten wollten, planten wir 1988 auf dem Grundstück mit einem Erweiterungsbau von insgesamt 2.000 qm Fläche. Dieser wurde 1991 in Betrieb genommen. Damals sind wir in den Bereich Gesundheitstraining eingestiegen und haben seinerzeit unseren Schwerpunkt gelegt.

Durch diesen Weitblick kamen junge Orthopäden auf mich zu, die sich mit einer eigenen Praxis selbstständig machen wollten. Schon haben wir wieder geplant und gebaut und so den 3. Bauabschnitt 1996 umgesetzt. Es kamen nochmals 1.000 qm Fläche dazu. Mit diesem Neubau konnten wir dann in dem Bereich ambulante Reha vorstoßen. Die Orthopäden waren mit ihrer Praxis im Hause und damit waren auch Zulassungen nicht das große Problem.

So haben wir schon damals immer die Gesundheitsorientierung als unsere Philosophie nach vorne gestellt. Diese konsequente Haltung mit dem Fokus Gesundheit hat uns über die Jahre immer wieder trotz steigenden Wettbewerbs das Überleben gesichert. Ich habe auch heute die Gesundheitsorientierung, mit Prävention, Rehabilitation und Rehasport sowie gesundes Muskeltraining nicht verloren. Es wird weiterhin professionell bei uns angewendet.

BODYMEDIA: Du warst ja eigentlich hauptberuflich Sportlehrer. Hat dich das in deiner Tätigkeit im Fitnessbereich speziell geprägt?

Claus Umbach: Als Sportlehrer habe ich mich immer mit grundlegender Bewegung vor allem von Kindern, aber auch von Erwachsenen beschäftigt. Schlüsselerlebnisse waren dabei schon in den 70er-Jahren, dass ich im Sportunterricht feststellte, wie nur wenige Schüler Klimmzüge konnten. Ich habe meinen Wehrdienst 1968–1969 beim Bundesgrenzschutz absolviert und dort musste ich zur Aufnahmeprüfung 20 Klimmzüge absolvieren und 5.000 m unter 20 Minuten laufen.

Das war für mich ein Grund, schon damals das Muskeltraining für Kinder und Jugendliche zu propagieren. Ich habe dazu mit dem hessischen Kultusministerium und der Universität Kassel bereits 1984 und 1985 ein Projekt durchgeführt, um den Nachweis zu erbringen, welche Ergebnisse so ein Training hat.

Der erste Flyer des Sportstudio Baunatal warb mit diesem Slogan

BODYMEDIA: Und gleichzeitig hast du dich mit dem Sportstudio Baunatal auch einer älteren Zielgruppe zugewendet?

Claus Umbach: Ab 1995 habe ich mich dann etwas intensiver dem Muskeltraining der älter werdenden Menschen zugewendet. Ich trainiere heute noch intensiv nach meinen Vorgaben und kann alles sehr präzise schriftlich, aber auch körperlich nachweisen. Das Problem ist, dass es keine Trainingslehre für „Ältere“ gibt.

Wenn man sich damit intensiver auseinandersetzen würde, so käme man zur Schlussfolgerung, dass im Allgemeinen viel zu „lasch“ in der Altersgruppe 50–90 trainiert wird. Zu selten wird progressiv gesteigert. Da ich mit 50 Jahren Diabetes Typ II wurde, habe ich mich gerade deshalb sehr intensiv mit den Gesundheitsaspekten von intensivem Muskeltraining beschäftigt.

Dank dieser regelmäßigen geplanten und intensiven Trainingsarbeit geht es mir gut und dies wird durch sehr gute Testwerte untermauert.

BODYMEDIA: Durch deine Tätigkeit als Funktionär in Vereinen hast du die Vereins- sowie auch die Studioseite gesehen. Kannst du kurz skizzieren, wie sich diese Geschichte entwickelt hat?

Claus Umbach: Meine Ursprünge liegen in dem Verein, in dem ich zum Rudern und Gewichtheben angeleitet worden bin. In beiden Disziplinen habe ich passable Erfolge erzielt. Da ich aber erst mit 17 Jahren begonnen hatte, leistungsorientiert zu trainieren, war eine Olympiateilnahme fast unmöglich geworden. Somit habe ich mich auf eine Funktionärskarriere im Sport konzentriert.

Als Jugendwart im Verein war ich Vereinsvorsitzender und danach Präsident eines olympischen Fachverbandes, dem Bundesverband Deutscher Gewichtheber. Zwischendurch wurde ich zum Präsidenten der Deutschen Sportjugend gewählt, wo ich auch automatisch Mitglied im Präsidium des Deutschen Sportbundes war. In dieser Zeit wurde ich sehr oft mit der Thematik „Fitnessstudio im Verein“ beschäftigt und war gern gesehener Gast bei Fortbildungsveranstaltungen im Sport.

Ich habe damals schon vor ungleichen Behandlungen von mittelständischen Fitnessstudios und Vereins-Fitnessstudios gewarnt. Der organisierte Sport wollte seine Richtung beschreiten und der Verband der Sportstudios hatte nicht unbedingt an Gemeinsamkeiten Interesse oder war mit der Aufgabe überfordert. Die Spaltung von Vereinsstudios, Mittelständlern und Ketten startete ab Ende der 80er-Jahre.

Rechts: Claus Umbach bei der Eröffnungsrede für das Sportstudio Baunatal im Jahr 1983 und links Rolf Milser (re.) und Jürgen Hingsen (li.) nach Olympia 1984

BODYMEDIA: Wie können wir uns das vorstellen?

Claus Umbach: Der organisierte Sport in den Vereinen hatte erkannt, dass sich das Thema Fitnesstraining sehr positiv entwickelt, und sah die Implementierung eines Studios im Verein als Chance an, neue Mitglieder zu gewinnen. Die stärkere Entfremdung kam dadurch, dass beide Seiten sich sehr auf sich fokussierten und man nicht aufeinander zuging.

Im Kleinen gab es aber auch immer wieder Lichtblicke, nämlich wenn Vereine und Fitnessstudios auf lokaler Ebene zusammenarbeiteten. Ich persönlich habe vor allem gute Erfahrungen gemacht, auch als sich der Wettbewerb durch ein Fitnessstudio im Verein erhöhte.

Manfred Größler und Hermine Klinger beim Messeauftritt 1987

BODYMEDIA: Wie wurde das Thema gesundheitsorientiertes Krafttraining in den 80er-Jahren in der Branche selbst wahrgenommen? Und war es gegenüber den Mitgliedern sehr erklärungsbedürftig, da ja vielerorts vor allemBodybuilding betrieben wurde?

Claus Umbach: Das Verständnis für gesundheitsorientiertes Training setzte sich schon damals immer mehr durch. In meinem Fitnessstudio galt von Anfang an das Motto „Fitness ist für Groß und Klein“. Die starke Wahrnehmung von Fitnesstraining im Bodybuildingkontext war bei uns in Deutschland besonders stark. In anderen Ländern war Fitnesstraining nicht so stark mit dem Gang auf die Bühne verbunden.

BODYMEDIA: Vielen Dank für das Interview!

Der Autor

  • Claus Umbach

    Claus Umbach ist Zeit seines Lebens mit den Themen Sport und Bewegung verbunden. 1983 eröffnete der Lehrer für Mathematik, Physik und Sport das Sportstudio Baunatal. Als Präsident des Bundesverbands deutscher Gewichtheber und des dflv blickt er auf eine langjährige Karriere als Sportfunktionär zurück. Seine Leidenschaft für die Fitnessbranche und die Pädagogik verbindet er als Geschäftsführer der Deutschen Berufsakademie Sport und Gesundheit.

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