Physiotherapie

#therapeutenamlimit

Mitte Juli wurden die Ergebnisse der ersten gemeinsamen Wirtschaftlichkeitsanalyse der Berufsverbände PHYSIO-DEUTSCHLAND, VPT (Verband Physikalische Therapie) und IFK (Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten) präsentiert und veröffentlicht. Die Ergebnisse sind kurz, prägnant und unbefriedigend: eine schlechte wirtschaftliche Situation, gepaart mit hohem Verwaltungsaufwand und einem mittlerweile extrem deutlich gewordenen Fachkräftemangel sprechen Bände.

Einen Lichtblick gibt es aber dann doch noch: Unabhängig davon wie wirtschaftlich angespannt ihre Situation ist, stellen die Therapeuten das Wohl ihrer Patienten ganz nach vorne, und damit häufig sicherlich auch über ihr eigenes. Die Analyse ergab, dass Therapeuten rund 23 Minuten am Patienten arbeiten. Um den Patienten die bestmögliche Behandlung angedeihen zu lassen, bilden sich die Therapeuten regelmäßig fort. 

Der Fachkräftemangel ist weder verwunderlich, noch kommt er sonderlich überraschend – wobei für manchen Politiker sicherlich. Der durchschnittliche Bruttolohn eines angestellten Physiotherapeuten beträgt 14 €. Damit gehören sie zu der Bevölkerungsgruppe, deren anspruchsvolle Ausbildung sich überhaupt nicht für sie auszahlt. Selbst Praxisinhaber kommen „nur“ auf ein durchschnittliches Einkommen von 2.575 €. Die drei Verbände erforschten die Gründe für das vergleichsweise geringe Einkommen der Inhaber und machen u. a. den Verwaltungsaufwand dafür verantwortlich, der bei der Vergütung unberücksichtigt bleibt. Gerade bei gesetzlich versicherten Patienten ist dieser enorm. Hier veranschlagen Krankenkassen 40 € pro Woche, die von den Therapeuten und den Praxisinhabern geleistet werden muss – zusätzlich zum Behandlungsaufwand versteht sich. In der Analyse zeigte sich, dass alleine auf den Praxisinhaber 10 Stunden fallen und er in dieser Zeit keine Patienten behandelt. Apropos keine Patienten behandeln: Der Fachkräftemangel schlägt laut der Analyse in etwa 60 % der teilnehmenden Praxen zu. Im Schnitt fehlt es an Mitarbeitern für 26 Wochenstunden.  

Auch wenn die Ergebnisse spannend sind und die Verbände hier eine gute Datenlage zur weiteren Arbeit liefern, so ändert sich doch erstmal nichts. Gleichzeitig sammelten sich einige junge Therapeuten auf dem Internetportal „bento“, einem Angebot von SPIEGEL ONLINE, und gaben Einblicke in ihre jeweiligen beruflichen Situationen. Und nicht nur das: Sie wurden ganz explizit gefragt, warum sie ihren Beruf manchmal einfach gerne hinschmeißen würden. Die Hauptgründe wurden bereits dargestellt: zu geringe Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen und das Schulgeld. Positiv wird vor allem der Umgang mit den Patienten und die Möglichkeiten, diesen zu helfen genannt. Es wird aber auch ganz klar verbaler Druck ausgeübt, insbesondere auf die Regierung, die Verbände, aber auch die Öffentlichkeit, die mit diesem System lebt. 

Klar ist, dass es so nicht weitergehen kann. Die Therapeuten haben ihre Stimme erhoben, sehen wir nun welches Echo erschallt. Wer die Debatte aktiv verfolgen möchte, kann das unter den Hashtags #ohnemeinenphysiotherapeuten und #therapeutenamlimit tun. 

 

Quellen
bay.physio-deutschland.de/landesverband-bayern/news-regional/einzelansicht/artikel/verguetungssituation-unbefriedigend-fachkraeftemangel-ungebrochen-physiotherapeutische-berufsverbaend.html
www.bento.de/future/physiotherapie-therapeuten-sind-am-limit-und-fordern-bessere-arbeitsbedingungen-a-00000000-0003-0001-0000-000002515878

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Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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