Physiotherapie

Kursbereich in der Therapiepraxis – Was? Wie? Warum?

Wenn Kollegen und Kolleginnen Thomas Kämmerling kontaktieren, um Unterstützung für ihre Therapiepraxis anzufordern, dann kommt auf kurz oder lang auch immer der Kursbereich zur Sprache. Oft sind die Inhaber nicht zufrieden, wie es damit läuft. Worauf es wirklich ankommt, lesen Sie hier.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ein Kursraum kann ein wichtiger Faktor werden, um eine Physiopraxis attraktiver zu gestalten und das Kerngeschäft finanziell zu unterstützen.
  • In den Kursräumen könnten beispielsweise werteorientierte Kinderunterricht, Reha-Sport, Funktionstraining, §-20-Kursen angeboten werden.
  • Auch die klassischen Kurse wie Wirbelsäulengymnastik, Rückenfit und Yoga dürfen nicht vergessen werden, da diese insbesondere das bestehende Kundenklientel ansprechen.
  • Ein großer Vorteil ist, dass die Kurse nicht unbedingt von Physiotherapeuten durchgeführt werden müssen.

„Herr Kämmerling, wir haben darüber nachgedacht, unsere Räumlichkeiten um einen Kursbereich zu erweitern“, oder „Herr Kämmerling, wir haben einen Kursbereich, der jedoch alles andere als gut ausgelastet ist“, heißt es dann oft schon am Telefon.

Bei einem Kursraum geht es aus meiner Sicht um zwei Dinge. Erstens: Wie schaffe ich es, die so kostbare Fläche für einen Großteil der Zeit auch effizient zu nutzen? Denn schließlich nimmt ein Kursraum viel Platz ein und es muss sich schon lohnen, diesen Raum nicht für mehr Behandlungsräume oder für mehr Trainingsfläche zu nutzen. Und zweitens: Wie muss das Angebot aufgebaut sein, damit es für mich aus Marketingsicht und in puncto Wirtschaftlichkeit Sinn macht?

Eins kann ich schon vornweg sagen: Ein Kursraum bzw. ein Kursangebot in einer Physiotherapie kann sich lohnen und ein wichtiger Faktor werden, um eine Physiopraxis noch attraktiver zu gestalten, ihr Kerngeschäft finanziell zu unterstützen und Therapeuten noch mehr interessante Betätigungsfelder zu geben.

Es ist aber auch eine Möglichkeit, mehr Unabhängigkeit von der so knappen Personalressource „Physio“ zu bekommen. Einer klassischen Physiotherapie, die derzeit noch keinen Trainingsbereich für Mitglieder in der Praxis implementiert hat, ist in einem ersten Schritt zu empfehlen, das umzusetzen. Denn die nachfolgenden Angebote für einen rentablen und attraktiven Kursraum entfalten oft dann erst ihr volles Potenzial, wenn die Möglichkeit einer Mitgliedschaft in der Trainingstherapie gegeben ist.

Werteorientierter Kinderunterricht

Ich beginne direkt mit dem Puzzle-Stück für einen Kursbereich, der mir in meiner über 30-jährigen Erfahrung als Sachverständiger und Physiotherapeut jüngst begegnet ist: Der werteorientierte Kinderunterricht mit Elementen der Selbstverteidigung ist das perfekte Angebot für einen Kursraum in der Physiotherapie. Die Voraussetzung dafür sind ca. 100 qm an Kursraumfläche. Das dafür bereitzustellende Equipment ist mit minimal finanziellem Aufwand (ca. 5.000 Euro für Mattenböden, Bälle, Pratzen etc.) gestemmt.


Werteorientiertes Kindertraining eignet sich optimal für den Einsatz im Kursbereich einer Physiotherapiepraxis (Bildquelle: © Sergey Novikov - stock.adobe.com)

Doch was ist überhaupt der werteorientierte Kinderunterricht mit Elementen der Selbstverteidigung? Bitte hier nicht an den klassischen Boxsport, Karateschulen oder Ähnliches denken. Denn dabei steht nicht die Förderung von sportlichen Spitzentalenten oder Wettkämpfen im Vordergrund. Dieses Konzept bietet den Eltern von Kindern ab 3 Jahren die Möglichkeit, die Selbst- sowie Sozialkompetenz ihrer Kinder zu entwickeln und zu fördern und dabei sowohl motorische als auch kognitive Fähigkeiten weiter auszubauen.

So werden beispielsweise positive und negative Alltagssituationen aus dem Kindergarten oder der Grundschule besprochen, konfliktfreie Auswege für Streitigkeiten aufgezeigt, vor Gefahren im Alltag gewarnt und der Umgang mit diesen Situationen durchgespielt (Umgang mit Fremden, Umgang im Straßenverkehr …). Dabei werden die kognitiven und motorischen Fähigkeiten der Kinder trainiert. Was mich dabei am meisten begeistert hat: Es trifft komplett den Zeitgeist. Denn Eltern fühlen sich immer mehr verunsichert in der „Erziehung“ ihrer Kinder und möchten hier Unterstützung haben.

Auch aus unternehmerischer Sicht ergeben sich zahlreiche Vorteile: Zuallererst finden die Kurse in der Mittagszeit bzw. frühen Vormittagszeit statt. Das sind Zeiten im Kursbereich, die für „Erwachsenen“-Klientel meist nicht attraktiv sind. Zum anderen beschränkt sich die Dauer der Kurse auf 30 Minuten (3–6 Jahre) bis 45 Minuten (ab 7 Jahre), sodass die Kurse zeitlich unproblematisch zu implementieren sind. Die Zahlungsbereitschaft der Eltern für den werteorientierten Kinderunterricht liegt dabei bei 15–20 Euro pro Woche mit einer Mitgliedschaftslaufzeit von 12 bis 24 Monaten.

Das macht es auch als Unternehmer interessant, wenn pro „Kurseinheit“ 10–12 Kinder betreut werden können und somit umgerechnet 150 Euro pro 30/45 Minuten erwirtschaftet werden können, und das in einem betriebswirtschaftlich sicheren Dauerschuldverhältnis.

Die Ausbildung der Mitarbeiter erfolgt dabei über die unterschiedlichen Lizenzkonzepte, die es für dieses Angebot bereits gibt, und ist selbst für Laien durchführbar. Der Lizenznehmer (bspw. Junior Heroes, Little Dragons etc.) übernimmt auch alles andere wie Marketing, Kursaufbau etc. Der große Synergieeffekt ist, dass die Eltern der Kinder natürlich potenzielle Kandidaten für die aktive Trainingstherapiefläche sind und ihr eigenes Training optimal in den 30–45 Minuten absolvieren können. So ist der werteorientierte Kinderunterricht nicht nur ein großer Gewinn für die Allgemeinheit, sondern ein rentables Puzzle-Stück im Kursbereich, welches zugleich als guter Marketing-Kanal für die Trainingstherapiefläche fungiert.

Rehabilitationssport

Das Thema Reha-Sport ist gewiss kein neuer Trend, sondern ein etabliertes und fest verankertes Konstrukt in unserem Gesundheitssystem. Genau das macht es aus meiner Sicht auch so interessant. Ich bin mir sicher, dass die meisten
Physiotherapeuten schon mal Kontakt mit dem Reha-Sport hatten und ihn ggf. auch schon in ihrem Kursbereich umgesetzt haben bzw. umsetzen. Die große Herausforderung, die ich sehe, ist es, die internen Strukturen passend zu gestalten und den Menschen in der Umgebung mithilfe verschiedener Marketingaktivitäten zu zeigen, dass die Praxis Reha-Sport anbietet.

Durchführen kann die Reha-Sport-Kurse jeder, der die entsprechende Qualifikation erworben hat. Hierfür können sowohl Laien als auch Physiotherapeuten ausgebildet werden. Das macht es wiederum interessant, da hier nicht zwingend auf die knappe Ressource Physiotherapeut zurückgegriffen werden muss. Für einen Kursteilnehmer erhält der Anbieter von den Krankenkassen durchschnittlich 5,65 € – abzüglich der Gebühren, wenn man den Reha-Sport über einen „Fremdverein“ abrechnet.

In der Kalkulation mit 80 % der Einnahmen kann das so aussehen. Mit einem Reha-Sport-Kurs, der 45 Minuten dauert, werden bei 15 Teilnehmern 67,80 Euro (netto) (15 * 5,65€ - 20 %) erwirtschaftet. Vergleicht man das mit dem Umsatz, den ein Physiotherapeut in 45 Minuten erwirtschaftet (z. B. 2,25 € eine KG mit 24,08 Euro = 54,18 Euro), ist der Reha-Sport mit in diesem Beispiel 1,51 € pro Minute auch finanziell gesehen nicht unattraktiv, insbesondere da nicht zwingend ein Physiotherapeut notwendig ist. Doch dass sich das Angebot von Reha-Sport auch lohnt, wenn bspw. der Kursraum aufgrund der Größe nur wenige Teilnehmer zulässt oder die Kurse nicht immer voll ausgelastet sind, bringt der Marketing-Kanal-Charakter des Reha-Sports mit sich.


Abb. 1: So könnte der Kursplan einer Physiopraxis mit unterschiedlichen Angeboten aussehen

Denn der Reha-Sport ist auch ohne große Marketing-Aktionen ein Zulieferer für den Mitgliederbereich in der Praxis. Hier sind jedoch der Beratungsprozess und die Struktur entscheidend. In unseren zwei Therapiepraxen und auch den Praxen, die ich als Sachverständiger betreue, schaffen wir es bei 50 % der Reha-Sportler den Nutzen für eine individuelle Trainingstherapie im Mitgliederbereich zu vermitteln und erfolgreich Mitgliedschaften i. H. v. über 60 Euro im Monat bei 24-monatiger Laufzeit zu vermitteln. So lohnt sich der Reha-Sport gleich doppelt.

Funktionstraining

Mit den fast identischen Vorteilen, aber bei Weitem nicht so bekannt wie der Reha-Sport, ist das Funktionstraining eine weitere Möglichkeit, den Kursbereich zu füllen. Ein Kurs dauert 30 Minuten und ist mit bis zu 15 Teilnehmern durchführbar. Wer Funktionstraining anbieten möchte, für den gelten wesentlich die Vorgaben der Rahmenvereinbarung. Diese sind identisch zu den Voraussetzungen, um Reha-Sport anbieten zu können. Funktionstraining können Physiotherapeuten ohne große Zusatzqualifikation, aber auch Rehasport-Übungsleiter durchführen.


Funktionstraining ist nicht so bekannt wie Reha-Sport aber ebenfalls eine gute Möglichkeit, um den Kursraum zu füllen (Bildquelle: © WavebreakmediaMicro - stock.adobe.com)

Die Verordnung erstreckt sich meist über 12 Monate (bis 24 Monate) mit 1–2 Kursteilnahmen pro Woche und wird mit 4 Euro pro Teilnahme vergütet. Somit ist das Funktionstraining mit einem Stundenumsatz (2 Kurse pro Stunde möglich) von bis zu 120 Euro die Stunde bei Vollauslastung neben dem Reha-Sport ein starker und zuverlässiger Umsatzgarant mit der gleichen Möglichkeit, aus Patienten Mitglieder zu gewinnen. Da Funktionstraining nicht so bekannt ist wie Rehasport, gibt es weitaus weniger Anbieter bzw. Standorte für Funktionstraining. Somit kann diesem Angebot eine große Chance als Alleinstellungsmerkmal in der Region innewohnen.

§-20-Kurs

Von funktionellem Training über Rückenkurse bis hin zur Fitnessampel: Der §-20-Kurs ist den meisten bekannt und ein weiteres Puzzle-Stück für einen effizient genutzten Kursraum. Je nach Kursart bekommt der Teilnehmer 8–10 Kursteilnahmen. Ein Kurs besteht meist aus bis zu 15 Personen. Die Kosten für einen §-20-Kurs trägt der Teilnehmer zunächst selbst. Bei der Preisgestaltung für die Kurse liegt man meist zwischen 100 und 120 Euro. Von der gesetzlichen Krankenkasse bekommt der Teilnehmer nach erfolgreicher Absolvierung meist 75–100 % (je nach Krankenkasse) erstattet.

Der jeweilige Kursleiter benötigt eine spezielle Grundqualifikation und Zusatzqualifikation nach § 20 SGB V, das Kurskonzept muss einen dokumentierten Aufbau haben und durch die zentrale Prüfstelle für Prävention (ZPP) zugelassen werden. Bereits qualifizierte §-20-Kurskonzepte können von zahlreichen Anbietern erworben werden. Für die Wirtschaftlichkeit eines §-20-Kurses ist selbstverständlich entscheidend, dass die Kurse „ausgelastet“ sind.

So können bei 15 Teilnehmern bspw. 150 Euro pro Kursstunde erzielt werden, setzen wir bspw. „nur“ 100 Euro für einen 10er-§-20-Kurs voraus. Eine hohe Teilnahmequote wird dadurch erzielt, dass die Teilnehmer einen festen Kurs – also einen festen Kurs-Zeitraum – buchen und aufgrund der „Vorkasse“ ein eigenes Interesse haben, regelmäßig an den Kursstunden teilzunehmen. Denn eine gewisse Quote bzw. Anzahl von Kursteilnahmen ist in der Regel auch entscheidend für die Rückerstattung der Kosten durch die Krankenkassen.

Eine Herausforderung ist hier – anders als bspw. beim Reha-Sport –, dass die Anfragen nicht von selbst „eintrudeln“, sondern hier aktiv Marketing bei Patienten oder auch extern betrieben werden muss, um diese Kurse zu füllen. Das kostet natürlich Geld und „Konzentration“. Und auch dann ist entscheidend, dass Strukturen bestehen sollten, um aus diesen Teilnehmern langfristige Mitglieder im Trainingstherapie-Bereich zu gewinnen.

Klassisches Kursangebot

Das klassische Kursangebot darf natürlich auch nicht fehlen. Beim klassischen Kursangebot spreche ich von Kursen, welche über 10er-Karten oder über die Buchung mit einer (Zusatz-)Mitgliedschaft als Selbstzahlerleistung angeboten werden.


Zu den klassischen Kursen, die als 10-er Karte oder im Rahmen einer Selbstzahlerleistung angeboten werden können, zählen u. a. Yoga und Pilates (Bildquelle: © WavebreakmediaMicro - stock.adobe.com)

Eine Physiotherapie lebt selbstverständlich insbesondere über jene Kurse, welche ihre sowieso bestehende Kundenklientel ansprechen und „abholen“. Hier sprechen wir von Wirbelsäulengymnastik, Rückenfit, aber auch gerne Pilates oder Yoga. Es sind also eher die ruhigen Kurse, die hier das Portfolio am meisten ergänzen.

Bei der Preisgestaltung sollte auch hier eine 10er-Karte immer mit einer festen Buchung eines „Kurszeitraums“ verkauft werden, um Kurse mit geringer Auslastung und somit zu hohem Personal- und Organisationskostenaufwand zu vermeiden. („Schon wieder nur 5 Leute im Kurs.“) Außerdem sollte eine Kursteilnahme runtergerechnet immer bei ca. 10 Euro liegen und ein Kurs mit mindestens 1 Person pro 5 qm Kursraumgröße ausgelastet sein, um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten.

Fazit

Abb. 1 zeigt einen möglichen Kursplan und ist selbstverständlich nur meine subjektive Ansicht eines optimalen Kurskonzeptes für eine moderne Physiotherapiepraxis, geformt aus den Erfahrungen meiner eigenen Therapiezentren und den zahlreichen Physiotherapiepraxen, die ich als Sachverständiger betreuen und beraten darf. Denn eines ist klar – im Bereich der Physiotherapie sind Kurse ein unterrepräsentiertes Feld, das viel Potenzial bietet.

Bildquelle Header: © WavebreakmediaMicro - stock.adobe.com

Der Autor

  • Thomas Kämmerling

    Thomas Kämmerling, seit 1983 in der Gesundheitsbranche tätig, ist selbst Physiotherapeut, Inhaber mehrerer Therapiezentren und Geschäftsführer der KWS Unternehmensberatung.

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