Physiotherapie

Die Wirtschaftlichkeit der Physiotherapiepraxis erhöhen

Das Gutachten zur wirtschaftlichen Situation von Physiotherapiepraxen hat bereits vor einigen Jahren gezeigt, wie schwer es in der Physiotherapie ist, wirtschaftlich zu arbeiten. Daher sollten Therapeuten neue Wege gehen, um sich finanziell stärker unabhängig zu machen.

Die durch einen Schiedsspruch abgeschlossenen Verhandlungen zur Vergütungserhöhung für physiotherapeutische Leistungen haben deutlich gemacht, wie abhängig Physiotherapeuten von den Krankenkassen sind, zumindest dann, wenn sie vor allem Kassenpatienten behandeln. Das macht es vielen schwer, wirtschaftlich zu arbeiten.

Zudem steigen die Forderungen der Arbeitnehmer bzgl. Gehalt. Das kann dazu führen, dass der Praxisinhaber sein eigenes Gehalt immer weiter verknappt oder keine Rücklagen bilden kann. Daher sollte sich jeder Inhaber Gedanken darüber machen, wie er die Wirtschaftlichkeit seiner Praxis erhöhen kann, alleine schon, um sich für das Alter abzusichern.

Viele Praxen arbeiten unwirtschaftlich

An dieser Stelle soll noch einmal die Paradoxität der Situation deutlich gemacht werden. Viele Physiotherapeuten haben den Anspruch, einem möglichst großen Spektrum an Menschen Zugang zu physiotherapeutischer Behandlung zu ermöglichen. Dieser solidarische Gedanke wird aber dadurch pervertiert, dass, mit einem ausschließlichen Fokus darauf, viele Praxen nicht wirtschaftlich betrieben werden können.

Aus diesem Grund haben Physiotherapeuten Wege für sich entwickelt, unabhängiger von den Krankenkassen zu werden. Welche Möglichkeiten sich dafür bieten, schauen wir uns im Folgenden an.

Privatpatienten

Die Festlegung bzw. Erhöhung des PKV-Satzes schafft keine wirkliche Unabhängigkeit von den Krankenkassen, ist für viele Praxen allerdings ein wichtiges Mittel zur wirtschaftlichen Stabilisierung der Praxis. Denn wer keine weiteren Zusatzangebote einführen möchte, hat oft keine andere Möglichkeit, als an dieser Preisschraube zu drehen.

In seinem Artikel zeigt Marco Kämmerling eindrucksvoll und mit Berechnungsbeispielen, welchen PKV-Satz man wählen sollte und wie man diesen durchsetzt, und er gibt Rechenbeispiele zur Veranschaulichung.

Trainingsbereich

Die Einführung eines separaten Trainingsbereichs für Selbstzahler hat in den letzten Jahren deutlich an Dynamik gewonnen und steht dem Trend gegenüber, dass immer mehr Fitnessstudios Physiotherapiepraxen bei sich integrieren. Das Angebot eines Trainingsbereichs ergänzt die Therapie enorm und gerade Praxen, die evidenzbasiert arbeiten, können sich diesem Thema nicht mehr verschließen.

Jetzt kommt das große Aber: Wer das umsetzen möchte, muss es wirklich wollen und braucht den Rückhalt seines Teams, ohne das es nicht geht. Viele Therapeuten haben hier bereits schmerzhafte Erfahrungen gemacht, denn die Investitionskosten sind für eine Praxis durchaus beachtlich.


Die Integration eines Trainingsbereichs kann die Wirtschaftlichkeit einer Praxis erhöhen, wenn man es gut umsetzt (Bildquelle: © sergojpg - stock.adobe.com)

Zudem funktioniert die Verwaltung anders, als aus der Physiotherapie gewohnt und auch hier muss man erstmal dafür sorgen, dass ausreichend Mitglieder trainieren. Dafür sind Tätigkeiten und Fähigkeiten wie Marketing und auch Vertrieb nötig, die als Kompetenz nicht per se in Physiopraxen zu finden sind. Auch der Gedanke, viele Patienten aus der Therapie ins Training zu überführen, klingt in der Theorie gut, scheitert allerdings oft an der Praxis. Wenn das Team im Boot ist und die Strukturen geschaffen sind, dann ist ein Trainingsbereich nicht nur ein enormer Mehrwert für alle Patienten, sondern kann die Wirtschaftlichkeit einer Praxis deutlich erhöhen.

Sektoraler Heilpraktiker

Eine Möglichkeit, die beiden bisher genannten Punkte zu verbinden, ist die Verordnung von Trainingstherapie durch einen sektoralen Heilpraktiker Physiotherapie. Dieser kann Patienten selbst diagnostizieren und Heilmittel verordnen. Bei dieser Verordnung handelt es sich um eine Heilbehandlung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, die damit von der Umsatzsteuer befreit ist.

Grundvoraussetzung dafür ist eine Weiterbildung zum sektoralen Heilpraktiker Physiotherapie. Insgesamt wertet sie den Beruf des Physiotherapeuten deutlich auf, da er nun für Verordnungen zur Behandlung des Bewegungsapparats selbst ausstellen darf. Dadurch wird es dann natürlich deutlich einfacher, Patienten in einen Bewegungsbereich zu überführen.

Ausfallrechnungen

Kommt ein Patient nicht zum Termin oder sagt erst kurz vorher ab, kann dieser häufig nicht mehr nachgeholt werden – es kommt für den Therapeuten also zu einer Leerzeit, in der er keine Wertschöpfung für die Praxis schafft. Dadurch entsteht eine finanzielle Einbuße beim Inhaber, da trotzdem Personalkosten etc. anfallen. Es macht also durchaus Sinn, Ausfallrechnungen zu stellen, um die Liquidität des Unternehmens zu erhalten. Wird das klar im Vorfeld kommuniziert, reduziert das viel Ärger. Dann sind es meist nur noch einige wenige, die sich darüber beschweren.

Mitarbeiterbindung und -entwicklung

Physiopraxen können durchaus bereits mit einem kleineren Personalstamm wirtschaftlich sein. Je mehr Therapeuten in einer Praxis arbeiten, desto einfacher ist es, wirtschaftlich erfolgreich arbeiten zu können, da sich die Fixkosten für Gebäude etc. kaum verändern. Zumindest so lange man die Räumlichkeiten nicht erweitern oder gar einen neuen Standort suchen muss.

Nach wie vor gibt es Praxen, die ohne Rezeptionskraft arbeiten. Diese kann den Therapeuten allerdings so viel Arbeit abnehmen, dass sich ihre Anstellung sehr schnell lohnt, denn dann können sie sich auf die Wertschöpfung bei der Arbeit mit den Patienten konzentrieren.


Neue Mitarbeiter zu finden ist teuer, daher sollte man Rahmenbedingungen schaffen, um die Mitarbeiterfluktuation möglichst gering zu halten (Bildquelle: © HD92 - stock.adobe.com)

Was man sich ebenfalls nicht leisten sollte, ist es, Mitarbeiter zu verlieren. Einen neuen Therapeuten zu finden, ist derzeit nicht nur schwierig, sondern auch teuer. Man kann davon ausgehen, dass die Einstellung eines neuen Mitarbeiters das Sechs- bis Neunfache des Monatsgehalts eines Angestellten kostet, da diese Person erstmal gefunden und da eingearbeitet werden muss. Die wirtschaftlich beste Lösung ist es also tatsächlich, Rahmenbedingungen zu schaffen, mit denen die Mitarbeiterfluktuation möglichst gering gehalten wird.

Am Unternehmen arbeiten, nicht fürs Unternehmen

Viele Inhaber von Physiopraxen lassen es sich nicht nehmen und behandeln selbst noch einige Stunden an der Bank. Das macht in vielen Fällen auch Sinn, da man den Kontakt zu den Patienten nicht verliert und mitbekommt, wie es ist, in der Praxis zu arbeiten. Häufig leidet darunter leider die Zeit, die der Inhaber sich um das Unternehmen an sich kümmern kann. Wer sich im Tagesgeschäft verliert und keine Arbeit in seine Firma steckt, wird früher oder später an einen Punkt kommen, an dem er nicht mehr wettbewerbstauglich ist. Das gilt es zu vermeiden.

Dauerpatienten und unrentable Behandlungen

Eigentlich sind langjährige Kunden ein Segen für ein Unternehmen. In der Physiotherapie ist das etwas anders. Zwar kann man sich auf diese einstellen und kennt sie sehr gut. Das führt allerdings zu Monotonie und nicht dem Gefühl, dass man die Gesundheit eines Dauerpatienten verbessert.

Zudem können sich zu viele Dauerpatienten negativ auf die Zufriedenheit der Therapeuten auswirken. Je nach verordnetem Heilmittel kann es auch absolut unattraktiv sein, diese Patienten zu behandeln. Immer mehr Praxen gehen dazu über, keine neuen Dauerpatienten aufzunehmen.

Verkauf von Equipment

Ein letzter Punkt soll der Vollständigkeit halber noch erwähnt werden, auch wenn er sicherlich für die wenigsten Praxen dazu beträgt, die Finanzen in der Praxis zu stabilisieren. Therabänder, Faszienrollen, Bücher, Flaschen, Handtücher und weiteres Equipment, das die Patienten kaufen, können ein kleines Zusatzgeschäft für Physiotherapeuten sein. Wer davon viel verkaufen will, muss es mit Konzept umsetzen und braucht vertriebsstarke Mitarbeiter, die den Verkauf aktiv fördern.

Fazit

Es gibt durchaus einige Möglichkeiten, die Wirtschaftlichkeit der Praxis zu erhöhen. Manche lohnen sich mehr als andere, manche sind teurer und schwerer umzusetzen, erweitern dafür aber das eigene Geschäftsmodell. Letztlich muss jeder Inhaber schauen, welchen Handlungsspielraum er hat und was sich umsetzen lässt. Dann können diese Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit der Praxis erhöhen und eine stärkere finanzielle Unabhängigkeit ermöglichen.

Bildquelle Header: © baranq - stock.adobe.com

Der Autor

  • Jonathan Schneidemesser

    Seit seinem Germanistik-und Philosophie-Studium in Mannheim arbeitet er für das Fachmagazin BODYMEDIA. 2015 übernahm er nach Abschluss seines BWL-Studiums die Chefredaktion für das Magazin. 2017 etablierte er die BODYMEDIA dann mit einem eigenen Magazin im Physio-Bereich. Seine sportliche Erfahrung sammelte vor allem in seiner aktiven Zeit als 800m-Läufer. In seiner Freizeit joggt er durch den Wald oder schwingt Kettlebells.

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